Auf einen Blick
  • Die Bauzinsen haben Ende Oktober ein Elfjahreshoch bei gut vier Prozent markiert. Damit haben sich die Zinsen seit Jahresanfang mehr als vervierfacht.

  • Bei vielen angehenden Immobilienkäufern ist daher die Verunsicherung groß. Werden die Zinsen weiter steigen?

  • Auch viele Verbraucherinnen und Verbraucher, bei denen die Anschlussfinanzierung bald ansteht, fragen sich, wie sie sich gegen steigende Zinsen absichern können.

  • Im Biallo-Interview erklären Jana Heeg-Rupprecht, Leiterin Produktmanagement bei der Hypovereinsbank und Ralf Smolak, Verkaufsdirektor bei Wüstenrot, wie sich die Bauzinsen und Immobilienpreise entwickeln werden und worauf Sie bei der Anschlussfinanzierung achten sollten.
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Die Bauzinsen haben ein Elfjahreshoch markiert. Die Zinsen für zehnjährige Immobiliendarlehen liegen im Schnitt bei gut vier Prozent und haben sich seit Jahresanfang mehr als vervierfacht. Müssen sich Häuslebauer auch im nächsten Jahr auf weiter steigende Zinsen einstellen?

Jana Heeg-Rupprecht: So einen gravierenden und rasanten Anstieg der Baufinanzierungszinsen haben wir noch nie gesehen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat mit einem historischen Zinsschritt auf die anhaltend hohe Inflation in der Eurozone reagiert. Sie hob den Leitzins zuletzt um 0,75 Prozentpunkte an. Damit steigt der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der EZB leihen können, auf 1,25 Prozent. Eine so starke Zinserhöhung hat es seit Einführung des Euro-Bargelds im Jahr 2002 noch nie gegeben. Kurz- bis mittelfristig müssen wir weiter von einer Seitwärtsbewegung beziehungsweise steigenden Zinsen ausgehen.

Wie sollte eine Baufinanzierung idealerweise gestrickt sein, damit diese auf sicheren Füßen steht?

Heeg-Rupprecht: Grundsätzlich hängt das immer vom Kunden und der jeweiligen persönlichen Situation ab. In einer guten Baufinanzierungsberatung wird die aktuelle, aber auch künftige Einkommenssituation analysiert und auch Risiken besprochen, wenn etwa das Gehalt des Hauptverdieners wegfällt.

Grundsätzlich gilt, dass bei einem variablen Zins, wie er zum Beispiel in der Zwischenfinanzierung üblich ist oder nach Ablauf der vereinbarten Zinsbindung, ein Zinsänderungsrisiko besteht. Das heißt, liegt der neue Zins nach Ablauf der Zinsbindung über dem bisherigen vereinbarten Zinssatz, steigt unter Umständen die monatliche Ratenbelastung. Um dem entgegenzuwirken, kann man bereits bei Neuabschluss eine entsprechend lange Zinsbindung wählen. Bei uns in der Hypovereinsbank ist dies bis 30 Jahre möglich. Alternativ bieten sich auch diverse Zinsabsicherungsmodelle an.

Die Gesamtlaufzeit, also die Zeit, in der das Darlehen komplett zurückgeführt wird, sollte in der Regel 40 Jahre nicht übersteigen. Gerade bei den aktuell höheren Zinsen ist durch den Zinseszins-Effekt dennoch nicht immer eine hohe Tilgung erforderlich, um die Gesamtlaufzeit eines Darlehens im Rahmen zu halten. Außerdem bieten sich optionale Sondertilgungen an. Beim Eigenkapitaleinsatz sollte man immer auch einen Puffer für unvorhergesehene Ausgaben einkalkulieren.

Immer mehr Menschen müssen den Traum von den eigenen vier Wänden auf Eis legen, da sie eine Baufinanzierung mit den aktuellen Zinsen nicht stemmen können. Welchen Rat haben Sie für die Betroffenen?

Heeg-Rupprecht: Der Wunsch nach den eigenen vier Wänden auch in Bezug auf die Altersvorsorge ist in der Bevölkerung nach wie vor sehr groß und das allgemeine Zinsniveau im Vergleich zur langfristigen Entwicklung immer noch niedrig. Meine Empfehlung: Kunden sollten nichts überstürzen und die richtige Immobilie finden, die zur Einkommenssituation passt.


Jana Heeg-Rupprecht, Leiterin Produktmanagement bei der Hypovereinsbank

Ralf Smolak: Der erste Baustein einer Baufinanzierung und damit die Eintrittskarte ist das Eigenkapital. Ohne Eigenkapital ist eine Finanzierung nur schwer zu stemmen. Mit Aufbau von Eigenkapital sollte also so früh wie möglich begonnen und staatliche Förderung mitgenommen werden.


Ralf Smolak, Verkaufsdirektor bei Wüstenrot

Das Bausparen erlebt derzeit eine Renaissance. Was sind die Gründe für das Comeback?

Smolak: Bausparen gibt es jetzt seit fast 100 Jahren und hat sich auch in den unterschiedlichen Marktsituationen bewährt. Das Grundprinzip ist dabei immer gleich geblieben. Der Kunde schließt einen Bausparvertrag über eine bestimmte Summe ab. Einen vom Tarif abhängigen Teil muss der Kunde ansparen – zwischen 30 und 50 Prozent der Bausparsumme. Den Restbetrag erhält der Kunde – wenn alle Zuteilungsvoraussetzungen erfüllt sind – als Darlehen. Bereits mit dem Abschluss sichert sich der Kunde vertraglich die Zinsen für die Sparphase und die Darlehensphase.

Viele Bausparkassen, auch die Wüstenrot, haben ihre Tarife noch nicht an die signifikante Zinssteigerung angepasst. Damit haben Kundinnen und Kunden im Moment noch die Chance, sich die niedrigen Darlehenszinsen vor der Zinssteigerung zu sichern

Für wen ist das Bausparen besonders geeignet?

Smolak: Für Mieter, die sich in der Zukunft den Wunsch nach den eigenen vier Wänden erfüllen wollen. Es können aber auch Eltern und Großeltern für ihre Kinder beziehungsweise Enkel einen Bausparvertrag abschließen.

Für Eigentümer, die in den kommenden Jahren Modernisierungen an einer Immobilien vornehmen wollen oder auch energetische Sanierungsvorhaben umsetzen möchten.

Für Eigentümer, die noch ihre Baufinanzierung zurückzahlen und sich nach Ablauf der Zinsbindung niedrige Zinsen sichern wollen. Zudem für Kundinnen und Kunden, die staatlich gefördert Vermögen bilden wollen.

Welche Darlehenszinsen werden beim Bausparen derzeit im Schnitt angeboten?

Smolak: Das ist vom Anbieter und dem gewählten Tarif abhängig – bei der Wüstenrot Bausparkasse können Sie sich jetzt noch einen Zinssatz von nominal 0,45 Prozent sichern.

Und wie hoch fallen die Sparzinsen aus, um das Eigenkapital anzusparen?

Smolak: Nachdem die Wüstenrot Bausparkasse die Tarife noch nicht angepasst hat, sind auch die Guthabenzinsen mit den niedrigen Darlehenszinsen auf dem Niveau der vergangenen Jahre und liegen zwischen 0,01 und 0,20 Prozent. Der Vorteil liegt im extrem niedrigen und kapitalmarktunabhängigen Darlehenszins und der Nutzung der staatlichen Förderung.

Lässt sich das Bausparen auch für die Anschlussfinanzierung nutzen?

Smolak: Selbstverständlich – gerade Kundinnen und Kunden, bei denen in fünf bis 15 Jahren eine Anschlussfinanzierung ansteht, sollten sich jetzt unbedingt beraten lassen, welche Möglichkeiten es gibt, zum Konditionsanpassungstermin einen zuteilungsreifen Bausparvertrag einsetzen zu können, um die komplette Restschuld oder Teile davon über ein Bauspardarlehen ablösen zu können und dadurch Zinsänderungsrisiken ganz oder teilweise auszuschließen.

Kann ein Bauspar-Darlehen nach Zuteilungsreife auch abgelehnt werden?

Smolak: Zum einen muss der Kunde das Bauspardarlehen nicht abnehmen, zum anderen ist natürlich auch eine Bausparkasse verpflichtet, gemäß den gesetzlichen Bestimmungen sowohl die Bonität als auch die Sicherheit zu prüfen. Da der Kunde aber bereits durch seine regelmäßige Besparung nachgewiesen hat, dass er eine bestimmte Rate tragen kann, sind die Ablehnungsquoten diesbezüglich relativ gering – ausgenommen es liegen weitere negative Merkmale wie zum Beispiel bei der Schufa vor. Bis 50.000 Euro sind keine Sicherheiten erforderlich, darüber hinaus müssen die Bausparkassen Objektwerte ermitteln und dürfen bestimmte Grenzen nicht überschreiten.

Angenommen, die Anschlussfinanzierung steht schon innerhalb der nächsten drei Jahren an: Welchen Rat haben Sie hier, um sich gegen weiter steigende Zinsen zu schützen?

Heeg-Rupprecht: Es gibt die Möglichkeit, sich bis zu drei Jahre vor Ablauf der Erstfinanzierung die Zinsen zu sichern und ein sogenanntes Forward-Darlehen abzuschließen. Diese Zinssicherung für die Zukunft ist jedoch mit Aufschlägen versehen. Es hängt also sehr davon ab, welche aktuelle Kondition man in einem bestehenden Darlehen vereinbart hat und wie die Forward-Kondition aussieht. Im Zweifel sollten sich Kundinnen und Kunden einfach mal die Möglichkeiten berechnen lassen.

Die anhaltenden Lieferengpässe in der Baubranche treiben vielen Häuslebauern die Schweißperlen auf die Stirn. Wie sollten Betroffene reagieren, wenn es mit dem Kreditabruf länger dauert als gedacht und die Bereitstellungszinsen das Budget zu sprengen drohen?

Heeg-Rupprecht: Bereitstellungszinsen fallen an, wenn die Bank die Darlehensmittel bereitstellt, aber noch nicht auszahlt. Diese Art von Zins wird monatlich abgerechnet und sollte im Gespräch mit der Bank angesprochen werden, um keine Überraschungen zu erleben. Wenn man weiß, ab wann man die Darlehensmittel benötigt, lässt sich die sogenannte bereitstellungszinsfreie Zeit ebenfalls mit beantragen.

Steigende Zinsen bedeuten in der Regel fallende Immobilienpreise. In manchen Regionen haben die Preise für Wohnimmobilien bereits korrigiert. Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung ein?

Heeg-Rupprecht: Die Entwicklung der Wohnimmobilienpreise hat sich auch während der Coronapandemie als äußerst krisenresilient erwiesen. Die Preissteigerungen wurden im Laufe des Jahres durch die steigenden Zinsen gedämpft. Auf den privaten Immobilienmarkt bezogen, sehen wir, dass sich aktuell Käufer und Verkäufer nicht “finden”. Viele Käufer warten ab und hoffen auf niedrigere Kaufpreise. Verkäufer warten ab, da keine “Not” zum Verkauf besteht. Wir gehen davon aus, dass sich die Kaufpreise entsprechend korrigieren werden.

Ein deutlicher Einbruch der Immobilienpreise kann sich negativ auf die Anschlussfinanzierung auswirken. Welche Möglichkeiten gibt es, hier gegenzusteuern?

Heeg-Rupprecht: Wir erwarten keinen Einbruch der Immobilienpreise und eine Anschlussfinanzierung richtet sich nach der persönlichen Situation des Kunden. Eine erneute Kreditprüfung ist eigentlich nur erforderlich, wenn sich die Gesamtlaufzeit des Darlehens verlängert.

Frau Heeg-Rupprecht und Herr Smolak, vielen Dank für das interessante Gespräch.

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Über den Autor Horst Biallo
Jahrgang 1954, studierte Wirtschaft und absolvierte eine Ausbildung zum Wirtschaftsjournalisten bei der Tageszeitung Die Welt. Später machte er sich selbstständig, schrieb für Wirtschaftswoche, Stern und zahlreiche Tageszeitungen. Er ist Autor mehrerer Fachbücher, u.a. "Die geheimen deutschen Weltmeister" und "Die Doktormacher". Im Jahr 1999 gründete er das Verbraucherportal www.biallo.de, vier Jahre später www.geldsparen.de und 2009 www.biallo.at. Horst Biallo ist verheiratet und hat drei Kinder.
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