Auf einen Blick
  • Viele Finanzberater und Vermittler klären nicht ausreichend über Risiken von Geldanlagen auf.

  • Beratungsprotokolle enthalten oft falsche Angaben - zum Nachteil von Anlegern.

  • Klagen wegen Falschberatung ziehen sich in vielen Fällen über mehrere Instanzen hin. Die Chancen für Kläger stehen nicht schlecht.
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Prozess verloren, doch das soll es noch nicht gewesen sein. Jörg Wolter Sube wirft seinem Versicherungsmakler Falschberatung vor, er will, dass seine private Rentenpolice rückabgewickelt wird, und fordert Schadensatz. „Bezahlbar, sicher und ethisch unbedenklich“, das habe er als Voraussetzungen genannt, als er nach einem Altersorge-Produkt fragte, sagt der Tischler. Bekommen hat er eine ganz normale fondsgebundene Basisrentenversicherung – mit riskanten Papieren, mit Papieren, die Geld in ethische fragwürdige Geschäfte schaufeln. Das Landgericht Hannover sagt: "Die Klage ist unbegründet.“

Wann ist eine Beratung eine Falschberatung?

Justitias Schwert straft, wenn der Berater oder Vermittler seine Aufklärungspflichten verletzt hat und dem Kunden ein Schaden entstanden ist. Die Praxis lehrt: Gerichte haben großen Ermessensspielraum, immer wieder müssen sich Anleger, die sich gelinkt fühlen, durch die Instanzen klagen, mitunter bis zum Bundesgerichtshof (BGH). Auch Sube kämpft weiter.   

Der Tischler vertraute seinem Makler, die Details der Police sah er sich bei Vertragsschluss nicht genau an, erst einige Jahre später wurde er misstrauisch, nachdem er Medienberichte über die Anlagepraxis einiger Fondsgesellschaften gelesen hatte. War der Handwerker zu blauäugig?

Richtungsweisende Rechtssprechung

Leichtgläubigkeit ändert nichts an Schadenersatzansprüchen. Das hat der BGH klargestellt (Az.: III ZR 90/14). Anleger, die sich auf ihren Finanzberater verlassen, haben bei Falschberatung Anspruch auf vollen Ausgleich. In dem verhandelten Fall ging es um eine Altersvorsorge, die in einen geschlossenen Fonds mit hohen Kursrisiken investierte. Der Berater hatte die Risiken heruntergespielt.

Der Anleger hatte eingeräumt, sich nur oberflächlich über die Eigenheiten geschlossener Fonds informiert zu haben. Fahrlässige Unkenntnis dürfe dem Geschädigten nicht vorgeworfen werden, erklärten die Richter. Das Vertrauen desjenigen, der sich von einem anderen, der für sich Sachkunde in Anspruch nimmt, beraten lässt, verdiene „besonderen Schutz“.

Die Gefahr, die Beratungsprotokolle für Anleger bergen, spiegelt ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichtes (OLG) Nürnberg wider. Erfolgreich auf Schadenersatz geklagt hatte ein Maurer, der eine fondsgebundene Lebensversicherung und fondsgebundene Rentenversicherungen abgeschlossen hatte; zur Finanzierung der Beiträge hatte der Vermittler einen Kredit vertickert.  Die Versicherungen waren dem Handwerker als sicher und renditestark anpriesen worden. Tatsächlich floss das Geld teils in hochspekulative Finanzderivate. Und das Finanzierungsmodell kippte.

Tückisch: Der Vermittler hatte Beratungsprotokolle zum Ankreuzen erstellt, die Kreuzchen hatte er gleich selber gesetzt. Der Maurer unterschrieb arglos. Im Prozess half dem Kläger, dass seine Ehefrau als Zeugin beim Beratungsgespräch dabei gewesen war. „Der Umstand, dass ein Prospekt oder sonstige Unterlagen Chancen und Risiken der Anlage hinreichend verdeutlichen, ist kein Freibrief für den Berater oder Vermittler, Risiken abweichend darzustellen“, heißt es in der Urteilsbegründung (Az.: 8 U 2633/14). 

Mit der Frage der Beweislast befasste sich kürzlich das OLG Saarbrücken. Verhandelt wurde der Fall eines Handwerksunternehmers, der mit einer Rürup-Police fürs das Alter vorsorgen wollte. Der Kläger wollte einen Vertrag, den er gegebenenfalls kündigen und auch auf seine Frau übertragen kann. Beides ist bei Basisrenten-Verträgen nicht möglich. Was den Verlauf des Beratungsgesprächs angeht, stand Aussage gegen Aussage.

Die Richter betonten, dass  der Kläger für die Falschberatung im allgemeinen die Darlegungs- und Beweislast trägt, der Beklagte jedoch aufgrund der Vorwürfe darlegen müsse, wie er im „einzelnen aufgeklärt und beraten“ haben will. Hintergrund: Der Versicherungsmakler hatte sich während seiner Aussage in Widersprüche verstrickt (Az.: 5 U 64/13).

Was ist ein Vermögenschaden? Dazu gibt es eine Reihe von Urteilen (Az.; XI ZR 498/11; III ZR 249/09;  XI ZR 586/07; XI ZR 170/04). „Die rein wirtschaftliche Betrachtung ist nicht richtig“, erklärt Angelika Jackwerth. In der Gerichtspraxis käme es immer wieder zu Fehleinschätzungen, berichtet die Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht.

Jackwerth vertritt Jörg Wolter Sube. Dem Tischlermeister sei „auch ein Vermögensschaden entstanden, indem er eine Anlage erworben hat, die er im Rahmen einer ordnungsgemäßen und vollständigen Aufklärung nicht erworben hätte“, argumentiert sie.

„Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist ein Anleger, der aufgrund einer Verletzung der Aufklärungspflicht oder einer fehlerhaften Beratung eine für ihn nachteilige Kapitalanlage erworben hat, bei der gebotenen wertenden Betrachtung bereits durch den Erwerb der Kapitalanlage geschädigt, weil der ohne die erforderliche Aufklärung gefasste Anlageentschluss von den Mängeln der fehlerhaften Aufklärung beeinflusst ist.“

3 Tipps für Anleger

So anlegerfreundliche diese Urteil sind, der Weg bis dahin ist mit juristischen Stolpersteinen gepflastert. Angelika Jackwerth rät Betroffenen:

  • Bei der Bank oder Versicherung vorfühlen: Vor einer Klage sollten Geschädigte versuchen, den Streit direkt mit dem Berater, der Bank oder Versicherung zu verhandeln. Doch Achtung: In den Verhandlungen sollte es nicht um Inhalte und den Verlauf des strittigen Beratungsgesprächs gehen. Immer wieder passiere es, dass Anlegern für sie nachteilige Aussagen in Mund gelegt werden – und dann von mehreren Bankmitarbeitern bezeugt würden, schildert Jackwerth. Sie rät Betroffenen, die Höhe des Schadens zu beziffern und einen Ausgleich zu verlangen.

  •  Vorsicht bei Beratungsprotokollen: Beratungsprotokolle seien eher kontraproduktiv, betont die Fachanwältin. Oft stehe darin mehr, als tatsächlich gesagt worden ist – zum Nachteil des Anlegers. Das Protokoll könne dann zum Bumerang werden. Anleger sollten genau darauf achten, was eingetragen wird, und gegebenenfalls Korrekturen aussprechen. Jackwerth empfiehlt, einen Zeugen zum Gespräch mitzunehmen.

  • Verjährungsfristen beachten: Die "regelmäßige" Verjährungsfrist beträgt drei Jahre. Die Uhr für Rechtseinsprüche beginnt am Schluss des Jahres zu ticken, an dem der Schaden entstanden ist und zum anderen der Geschädigte davon Kenntnis erlangt hat - oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte Bescheid wissen müssen. Das bedeutet: Ist zum Beispiel im November 2016 der Missstand entdeckt worden, verjähren die Ansprüche am 31. Dezember 2019. Die maximale Verjährungsfrist beträgt zehn Jahre, danach ist die Falschberatung juristisch nicht mehr anfechtbar.

Wie geht es im Fall des Tischlers weiter?

„Wenn der Makler mit einem Wort erwähnt hätte, dass Fonds Geld in Firmen stecken, die ABC-Waffen herstellen oder Menschenrechte verletzen, hätte ich niemals unterschrieben“, sagt der Öko-Tischler und Sohn einer Kriegswaise. Das Landgericht argumentierte damit, es sei ihm kein Vermögensschaden entstanden. Zudem gehörten ethische Aspekte „nicht zu den maßgeblichen aufklärungsbedürftigen Kriterien“.

Jackwerth kann diese Argumentation nicht nachvollziehen und hat Antrag auf Berufung gestellt. Verbraucherschützer sprechen von einem Präzedenzfall. Wie es aussieht, ist Jörg Wolter Sube der erste Rentensparer, der eine Kapitalanlage aus ethischen Gründen anfechtet.

Lese-Tipp: Der Gesetzgeber zertifiziert und fördert Altersvorsorge-Produkte mit Milliarden, ohne nach ethische Kriterien von Geldanlagen zu fragen. Was das in der Praxis bedeutet, lesen Sie in dem Beitrag: "Rentenfrage: Moneten und Moral?"

TV-Tipp

Über den Fall des Tischlers berichtete das ARD-Magazin Kontraste (15. Dezember 2016). 
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Über den Autor Manfred Fischer
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