Hilfsmittel
Hilfsmittel in der gesetzlichen Krankenversicherung
Hilfsmittel sind Gegenstände, die
- den Erfolg einer Krankenbehandlung sichern oder
- einen Ausgleich einer bestehenden Behinderung ermöglichen oder
- einer drohenden Behinderung vorbeugen sollen.
Zu Hilfsmitteln zählen zum Beispiel Rollstühle, Prothesen, Seh- und Hörhilfen, orthopädische Schuhe, Geh- und Inkontinenzhilfen oder auch Stomaartikel. Solche Artikel muss der Arzt verordnen und die Kasse genehmigen.
Auch hier fallen Zuzahlungen an: zehn Prozent vom Abgabepreis bzw. vom Festbetrag, mindestens fünf, maximal zehn Euro. Eine Sonderregelung gilt für Hilfsmittel, die zum Verbrauch bestimmt sind, zum Beispiel Windeln. Dann sind zehn Prozent je Packung, maximal zehn Euro im Monat je Indikation an Zuzahlung zu leisten.
Sonderfall: Brille
Brillen sind wohl eines der gefragtesten Hilfsmittel und auch an Hörgeräten gibt es im Alter einen großen Bedarf. Für beide Hilfsmittel gibt es Festzuschüsse der Krankenkasse. Über die Kassenleistung bei Brillen ärgern sich Versicherte immer wieder – die Kasse übernimmt seit einigen Jahren nämlich kaum mehr Kosten bzw. nur für einen sehr eingeschränkten Personenkreis. Die gute Nachricht: Im Zuge des neuen Heil- und Hilfsmittelstärkungsgesetzes, das 2017 in Kraft getreten ist, zahlt die Kasse wieder etwas mehr. So sieht die aktuelle Kostenerstattung aus:
- Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre: Die Kasse übernimmt Kosten für Brillengläser.
- Schwere Sehbehinderung: Volljährige Versicherte haben nur dann einen Leistungsanspruch, wenn sie auf beiden Augen eine extreme Sehschwäche aufweisen und ihre Sehleistung auf dem besseren Auge bei bestmöglicher Korrektur höchstens 30 Prozent erreicht.
- Starke Fehlsichtigkeit: Neu ist, dass jetzt auch Patienten mit sechs Dioptrin - oder vier Dioptrin bei Hornhautverkrümmung – wieder einen Zuschuss zu Brillengläsern erhalten. Laut des Sozialverbands VdK betrifft das 1,4 Millionen Bürger.
Allerdings gewährt die Kasse in allen Fällen immer nur einen Festbetrag, nämlich zwischen zehn und 112 Euro pro Brillenglas. Damit soll eine Basisversorgung sichergestellt sein. Alles, was darüber hinaus geht, muss der Patient selbst bezahlen, auch das Brillengestell. Extras wie eine Entspiegelung werden nicht bezahlt und Kontaktlinsen nur in medizinisch zwingenden Fällen.
- Biallo-Tipp: Versicherte sollten sich eine ärztliche Verordnung für die Brille ausstellen lassen, einen günstigen Optiker aufsuchen und fragen, ob eine Brille zum Festbetrag erhältlich ist. Ist kein Brillenglas zum Festbetrag erhältlich, kann der Patient einen zusätzlichen Antrag bei der Krankenkasse auf Kostenüberahme stellen. "Die Kasse ist verpflichtet, dem Versicherten die Brillengläser oder Kontaktlinsen zuzahlungsfrei zur Verfügung zu stellen oder auf einen ortsansässigen Optiker zu verweisen, der die erforderlichen Sehhilfen zum Festbetrag anbieten kann", heißt es beim Sozialverband VdK.
Hilfsmittel richtig beantragen
Auch wenn Patienten Hilfsmittel gesetzlich zustehen, so gibt es damit doch immer wieder Probleme: Die Kassen genehmigen ein Hilfsmittel nicht oder im Sanitätshaus erhalten Patienten das Produkt nicht in der gewünschten Qualität. Der Patient kann einen Beitrag dazu leisten, dass es mit der Verordnung reibungslos klappt.
Schritt 1: Entscheidend für die Zufriedenheit mit einem Hilfsmittel ist, das richtige auszuwählen. Welche Unterstützung ist nötig, um eine Linderung der Beschwerden zu erfahren? Welches Hilfsmittel passt zur aktuellen Lebenssituation? Ist es auch für den Patienten zu handhaben oder ist es technisch kompliziert anzuwenden? Diese Fragen sollte der Patient ausführlich mit seinem Arzt beraten.
Sinnvoll ist es auch, bei größeren Anschaffungen eine spezielle Hilfsmittelberatungsstelle aufzusuchen. Die Wohlfahrtsverbände wie der Malteser Hilfsdienst oder das Rote Kreuz haben solche Beratungsstellen oder der Sozialverband VdK berät. Es gibt aber auch spezialisierte Beratungsstellen, zum Beispiel beim Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund e.V. (BBSB), bei der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke e.V. oder der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft.
- Biallo-Tipp: Patienten dürfen bestimmte Hilfsmittel im Sanitätshaus ausleihen und testen. So können sie herausfinden, ob ein bestimmtes Produkt geeignet ist und sie damit gut zurechtkommen. Der Arzt kann dann eine präzisere Verordnung ausstellen.
Schritt 2: Der Arzt muss das ausgewählte Hilfsmittel verordnen, die Kasse muss es genehmigen (manchmal sind auch andere Kostenträger zuständig, etwa die Renten- oder die Pflegekasse).Die Verordnung ist der Knackpunkt. Der Arzt muss die medizinische Notwendigkeit genau begründen. Sowohl die Diagnose muss er genau beschreiben und auch, welche Beeinträchtigung das Hilfsmittel genau ausgleichen oder lindern soll.
Auch sollte beschrieben sein, welche Funktionsweisen das Hilfsmittel aufweisen muss und in welcher Menge es erforderlich ist. Wenn diese Verordnung präzise formuliert ist, ist ein entscheidender Beitrag zu einer Genehmigung durch die Kasse geleistet.
Schritt 3: Der Patient erfragt bei der Krankenkasse, wo er das Hilfsmittel erhält, zum Beispiel in einem bestimmten Sanitätshaus. Die Kassen haben oft Verträge mit günstigen Anbietern geschlossen. Der Anbieter macht dann einen Kostenvoranschlag. Dieser wird gemeinsam mit dem Rezept und eventuell auch einem Anschreiben, in dem der Patient seine persönliche Situation darlegt und warum das Hilfsmittel nötig ist, bei der Krankenkasse eingereicht. Nun kann die Kasse die Verordnung genehmigen oder ablehnen. Für einen entsprechenden Bescheid hat sie bei Hilfsmitteln, die den Erfolg einer Krankenbehandlung sichern sollen, drei Wochen Zeit, notfalls auch fünf Wochen, falls der Medizinische Dienst der Krankenkassen zur Begutachtung hinzuzuziehen ist.
Bei Hilfsmitteln, die der Vorbeugung einer drohenden Behinderung oder dem Ausgleich einer vorhandenen Behinderung dienen, hat die Kasse zwei Monate ab Antragstellung Zeit. Reagiert die Kasse nicht innerhalb dieser Fristen, gilt das Hilfsmittel als genehmigt und der Patient darf das Rezept im Sanitätshaus auf Kassenkosten einlösen.
Schritt 4: Erhält der Patient einen ablehnenden Bescheid, kann er Widerspruch einlegen. Dafür hat er einen Monat Zeit. Im Widerspruch erklärt er schriftlich, dass er mit der Entscheidung nicht einverstanden ist, außerdem muss er begründen warum. Gut ist es, sich vorher fachlichen Rat zu holen. Ein erneutes Gespräch mit dem Arzt oder einer Hilfsmittelberatungsstelle ist angesagt.
Sie können helfen, Argumente zu finden, warum das Hilfsmittel für den Patienten wichtig ist. Bei erneuerter Ablehnung hat der Patient nur noch die Chance, innerhalb eines Monats Klage vor dem Sozialgericht zu erheben. Dafür fallen für den Patienten keine Kosten an, außer er lässt sich durch einen Anwalt vertreten.
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Was tun bei mangelnder Qualität von Hilfsmitteln?
Leider sind nicht alle Patienten immer zufrieden mit der Qualität der Hilfsmittel, die sie im Sanitätshaus erhalten. Die Kassen gewähren nämlich nur eine Basisversorgung. Und die reicht vielen Patienten einfach nicht aus. Seit Jahren reißen etwa Beschwerden über mangelnde Qualität von Inkontinenzhilfen nicht ab. Patienten können sich natürlich im Sanitätshaus ein besseres Produkt aussuchen – die Mehrkosten, die anfallen, müssen sie aber selbst tragen. Patienten sollten jedoch nicht zu schnell bereit sein, selbst zu bezahlen.
Denn wenn das Produkt nicht geeignet ist, etwa weil es wegen einer Unverträglichkeit Allergien verursacht oder weil das Produkt schlicht nicht richtig passt, muss die Kasse für die Mehrkosten aufkommen. Der Patient hat schließlich das Recht auf eine medizinisch notwendige Versorgung. Er sollte sich an seine Kasse wenden und eine Kostenaufstellung der notwendigen Hilfsmittel beifügen.
Notfalls müssen Patienten auch hier Widerspruch gegen den Kassenbescheid einlegen, wenn sich die Kasse weiterhin weigert, das bessere Produkt zu bezahlen. Auch hier sollte der Arzt hinzugezogen werden, der eine eventuelle Unverträglichkeit bestätigen kann.
Das bringt das Heil- und Hilfsmittelstärkungsgesetz
Seit 2017 gilt das Heil- und Hilfsmittelstärkungsgesetz. Es soll das Recht des Patienten stärken. Im Kern besagt es, dass bei den Verträgen, die die Kassen mit den Hilfsmittelherstellern schließen, nicht allein auf einen günstigen Preis setzen dürfen, sondern auch die Qualität in Betracht ziehen müssen und zwar zu 50 Prozent.
Erste Erfahrungen mit der Wirksamkeit des Gesetzes sind bislang nicht sonderlich positiv. Noch immer wird die Qualität von vielen Kassen nicht ausreichend berücksichtigt, hat das Bundesversicherungsamt in seinem jüngsten Tätigkeitsbericht festgestellt (zu berücksichtigen ist, dass noch nicht alle Kassen seit Einführung des Gesetzes ihre Verträge mit den Anbietern erneuern konnten).
Wichtig ist, dass mit der Qualität nicht nur die materielle Beschaffenheit des Hilfsmittels gemeint ist, sondern auch seine Zweckmäßigkeit und Zugänglichkeit für den Patienten. Sprich: Ein Patient im Rollstuhl kann nicht gezwungen sein, am anderen Ende der Stadt ein Sanitätshaus aufsuchen zu müssen, nur weil seine Kasse hier einen Versorgungsvertrag geschlossen hat.
Hilfsmittel in der privaten Krankenversicherung
Wie Kosten für Hilfsmittel in der privaten Krankenversicherung gedeckt sind, hängt vom jeweiligen Tarif ab. In älteren Verträgen finden sich häufig noch sogenannte geschlossene Hilfsmittelverzeichnisse. Damit gilt ein bei Vertragsabschluss festgelegtes Hilfsmittelverzeichnis, in dem alle Hilfsmittel aufgelistet sind, die durch den Tarif abgedeckt sind. Das Verzeichnis ist über die Vertragslaufzeit unveränderbar, das heißt auch, dass Neuentwicklungen keine Berücksichtigung finden und nicht bezahlt werden.
Es gibt aber auch geschlossene Auflistungen mit einer Formulierung, die die Auflistung erweitert oder öffnet. Zum Beispiel sind dann lebenserhaltende Hilfsmittel erstattungsfähig, wenn kein anderes in der Liste aufgeführtes Hilfsmittel die Lebenserhaltung gewährleisten kann.
Dennoch ist ein geschlossenes Hilfsmittelverzeichnis ein Kostenrisiko. Versicherte, die ein solches geschlossenes Verzeichnis im Vertrag haben, haben nur die Option, durch einen Tarifwechsel die Leistung aufzustocken.
Das ist möglich, doch zu bedenken ist, dass dann wieder Gesundheitsfragen anfallen und eine neue Risikoeinschätzung stattfindet. Unter Umständen ist ein Tarifwechsel mit sehr viel mehr Beitrag verbunden. Allerdings lohnt es sich, diese Variante zumindest in Erwägung zu ziehen. Lassen Sie sich beraten!
Besser ist ein Tarif, der ein offenes Heilmittelverzeichnis gewährt. Das heißt, dass die Liste der erstattungsfähigen Hilfsmittel ständig erneuert wird und auch technische Neuentwicklungen berücksichtigt werden. In neueren Verträgen gilt in der Regel immer ein offenes Hilfsmittelverzeichnis. Doch auch hier kann es Leistungseinschränkungen geben.
In manchen Verträgen sind genaue Summen festgeschrieben, die für einzelne Hilfsmittel gewährt werden oder aber der Versicherer muss das Hilfsmittel genehmigen oder es gibt Einschränkungen bezüglich der Ausführung eines Produkts.
Wer einen Neuvertrag abschließt, sollte darauf achten, dass bei Heilmitteln ein offenes Verzeichnis gilt und zumindest bei lebenserhaltenden Hilfsmitteln keine Leistungseinschränkungen gelten. Auch wenn diese Tarifvariante mehr an Beitrag kostet, lohnt sich die Investition. Denn zu einem späteren Zeitpunkt den Tarif aufzustocken, wird meist noch teurer. Der Versicherte ist dann älter geworden, hat eventuell schon Vorerkrankungen und es fallen möglicherweise sogar Risikozuschläge an.
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