Die Liechtensteinische Landesbank hat im Herbst dieses Jahres aufhorchen lassen, als sie ihre appbasierte, digitale Vermögensverwaltung wiLLBe in Deutschland startete. Das Ziel: Eine kostengünstige, professionell gemanagte Geldanlage, die auf den UN-Nachhaltigkeitszielen basiert, den sogenannten Sustainable Development Goals – kurz SDGs. Anleger können bereits ab 2.000 Euro einsteigen. Mit einer Vermögensverwaltungsgebühr von 0,49 Prozent pro Jahr zählt wiLLBe damit hierzulande zu den günstigsten Anbietern. Über den Marktstart und die Anlagestrategien haben wir mit dem Leiter Digitale Geschäftsmodelle der LLB, Wolfgang Mair, gesprochen.
Herr Mair, wiLLBe feierte im September seinen Marktstart in Deutschland – trotz schwierigem Marktumfeld. Sind Sie mit dem Debüt zufrieden?
Wolfgang Mair: Die externen Umstände könnten natürlich immer besser sein. Letztlich spielt es für uns aber eine untergeordnete Rolle, weil wir unseren Kunden eine langfristige Lösung anbieten. Außerdem eröffnen Kurskorrekturen eine attraktive Möglichkeit, um in den Markt einzusteigen. Wir sind sehr zufrieden mit dem Launch. Auch das Feedback, das wir aus dem Markt erhalten, ist sehr positiv. Wir haben mit dem Produkt vieles richtig gemacht, speziell wenn man bedenkt, dass wir keine Minimal-App auf die grüne Wiese gestellt haben, sondern unser Private Banking-Angebot effektiv digitalisiert und in alle unsere Prozesse integriert haben. Dass das bislang alles reibungslos geklappt hat, darüber freuen wir uns sehr! Wir sind eine traditionelle Bank mit 160-jähriger Geschichte. Digitales Marketing und digitaler Vertrieb sind ein Thema, in dem wir eine sehr steile Lernkurve haben, da haben wir noch eine ganze Menge zu tun.
Wolfgang Mair, Leiter Digitale Geschäftsmodelle der LLB
Sie setzen zum Start ausschließlich auf eine appbasierte Anwendung. Legen Sie noch mit einer Desktop-Version nach?
Mair: Wir haben bei wiLLBe bewusst auf hybride Technologie gesetzt. Das heißt, alle unsere Inhalte sind sowohl im Web als auch mobil verfügbar. Die Desktop-Version steht in den Startlöchern und wir befinden uns in der finalen Testphase. Dabei wollen wir die gleichen Sicherheitsstandards wie in unserem traditionellen Banking setzen.
Das heißt, unsere Kunden werden weiterhin eine App für die Identifikation beim Onboarding und die Zwei-Faktor-Authentifizierung beim Log-in brauchen. Ansonsten kann alles, was in der Mobile-App möglich ist, auch über den Desktop gemacht werden.
Einer Ihrer Leitsprüche ist, dass Sie das Private Banking demokratisieren wollen. Was hat es damit genau auf sich?
Mair: Wir haben bewusst einen anderen Ansatz gewählt als viele Fintechs. Wir haben nicht versucht, den einfachsten Weg zu gehen, um ein Produkt zu kreieren, das für uns in der Herstellung so günstig wie möglich ist. Wir wollten lieber das Produkt nehmen, von dem wir überzeugt sind – und dieses dann so günstig wie möglich anbieten, indem wir die Prozesse dahinter automatisieren. Dabei fiel die Wahl auf unser Premiumprodukt im Private Banking, die Vermögensverwaltung mit Einzeltiteln. Durch die Prozessautomatisierung können wir unser professionelles Portfoliomanagement jetzt vollständig digital und für ein breiteres Publikum anbieten – ohne Qualitätsabstriche. Das heißt, wir können auf die gleiche Expertise unseres Asset Management-Teams zurückgreifen wie im traditionellen Banking. Die individuelle Portfoliokonstruktion unter Berücksichtigung von Kundenwünschen läuft dagegen komplett automatisiert ab.
Der Markt für digitale Vermögensverwalter ist hierzulande hart umkämpft. Was macht wiLLBe besser als die zahlreichen Wettbewerber? Sprich, wo liegt Ihr Alleinstellungsmerkmal?
Mair: Die meisten Robo-Advisor nennen sich Vermögensverwalter. Hier widerspreche ich vehement. Nur weil man ein paar ETFs zusammenstöpselt, oder im schlimmsten Fall sogar nur zwei – einen Aktien- und einen Bond-ETF –, hat das noch lange nichts mit Vermögensverwaltung zu tun. Als Privatbank haben wir einen anderen Anspruch. Das heißt, wir haben eine strategische Asset-Allokation, wir haben Diversifikationsziele, wir haben Maximal-Limits für Branchen, Währungen, Länder et cetera und all das, was zu einem professionellen Asset-Management gehört. Das alles im Hintergrund haben wir in eine digitale App gepackt, sodass sich der Kunde um nichts mehr kümmern muss. Und das ist eben der Unterschied: Wir bieten Private Banking-Qualität digital, automatisiert und günstig und wollen uns über das bessere Produkt differenzieren.
Welche Vorzüge bietet dabei der Finanzplatz Liechtenstein?
Mair: Wir sind einer der ersten Player überhaupt, der digitales Onboarding aus Deutschland heraus für ein Konto in Liechtenstein, das auch wahlweise in Schweizer Franken geführt werden kann, anbietet. Das sind Dienstleistungen, für die Kunden sich bislang stundenlang ins Auto setzen und zu uns fahren. Und das geht jetzt vom Sofa aus überall in Deutschland. So können Kunden nicht nur von der Stabilität und Erfahrung unserer Bank, sondern auch von den Vorteilen Liechtensteins als Finanzplatz profitieren – und das alles digital innerhalb einer App.
Sie investieren nicht nur in ETFs und Fonds, sondern eben auch in Einzelaktien. Wie gehen Sie bei der Titelauswahl genau vor?
Mair: Es gibt ein Nachhaltigkeitskonzept, das sich die LLB in Summe gegeben hat. Da schließen wir viele Titel aus, die wir für nicht ethisch vertretbar halten. Das gilt für das gesamte Unternehmen, also für die klassischen Vermögensverwaltung wie auch für wiLLBe. Aber on top gibt es bei wiLLBe noch mal ein eigenes Research, das gezielt nach Impact-Titeln sucht, die speziell auf unsere sieben Investmentthemen einzahlen und die sogenannten SDG-Ziele der Vereinten Nationen erfüllen.
Wir gehen bei wiLLBe auch stärker in Richtung Small Caps, damit wir eben fokussiertere Unternehmen ins Portfolio nehmen können. Hierfür erarbeitet das Research-Team eine Empfehlungsliste mit Titeln, die wir sowohl fundamental als auch aus Nachhaltigkeits- und Impact-Aspekten für gute Investments halten. Und diese Empfehlungsliste geht dann mit den entsprechenden Gewichtungen, Diversifikations- und Portfoliomanagement-Vorgaben in die Portfoliokonstruktion. Daraus entsteht dann unter Berücksichtigung der persönlichen Kundenpräferenz und Themenauswahl das individuelle Kundenportfolio.
Und wie gehen Sie bei der Fondsauswahl vor?
Mair: Wir decken alle Märkte, für die wir ein eigenes Research haben, mit Einzeltiteln ab: die Schweiz, Europa und Nordamerika. Das wird dann mit Fonds und ETFs ergänzt, um die Diversifikation sicherzustellen. Auch da achten wir speziell auf Nachhaltigkeits- und Impact-Fonds. Wir haben unter anderem einen Mikrofinanzfonds im Portfolio – das sind Positionen, die man nach heutigem Stand mit Einzeltiteln schlichtweg nicht abdecken kann.
Nicht alles, wo ESG draufsteht, ist auch zu 100 Prozent nachhaltig, was meinen Sie?
Mair: ESG ist zwar regulatorisch verankert, das Konzept an sich hat aber einige Schwächen. Die bekannteste dürfte die EU-Entscheidung sein, dass man jetzt Gas- und Atomstrom als nachhaltig bezeichnet. Auch bezieht sich sämtliche ESG-Regulatorik bisher ausschließlich auf das "E", also das Umwelt-Thema. "S" und "G" sind noch nicht reguliert. Das geht aber noch weiter: Wenn Sie ein Portfolio nur auf Basis eines bestimmten ESG-Ratings ausrichten, das von Triple A bis Triple C reicht, dann findet man darin so viele Themen – von Umweltthemen über Soziales bis hin zu Governance und noch viele Ausnahmen – das ist keine gute Grundlage, um ein differenziertes Portfolio zu bauen.
Und da sind die 17 UN-Nachhaltigkeitskriterien besser geeignet?
Mair: Die 17 UN-SDGs ermöglichen eine relativ granulare Zuteilung der Unternehmen und wir haben auch eine sehr gute Datenlage mit mehr als 95 Prozent Abdeckung über unser Investment-Universum. Datenverfügbarkeit ist wichtig und ein oft übersehenes Problem in der Nachhaltigkeitsdiskussion. Sie bekommen zwar eine Menge Kennzahlen, aber das hilft Ihnen nichts, wenn Sie nur für 30 Prozent der Titel eine Zahl haben und dann so tun, als wäre das gesamte Portfolio danach ausgerichtet. Wir müssen klar erläutern können, warum wir die Dinge tun, wie wir sie tun und warum wir hinter unserem Ansatz stehen.
Das Thema „Greenwashing“ lauert überall. Daher prüfen wir die Datenlage noch einmal sorgfältig nach unseren internen Kriterien und wählen nur das aus, wo wir auch dahinterstehen können. Wir haben uns zu Transparenz verpflichtet, das heißt wir wollen genau erklären, wie und warum wir ein Investment tätigen. Die SDGs geben uns hier ein gutes Gerüst, an dem wir unsere Portfoliokonstruktion ausrichten können. Wir stellen sicher, dass kein Kapital an Unternehmen fließt, die sich gegen diese Ziele stellen.
Herr Mair, besten Dank für das Interview.