Zinserhöhung

Leitzins auf neuem Hoch: Was das für Anleger und Sparer bedeutet

Andreas Jalsovec
Redakteur
Aktualisiert am: 29.10.2022

Auf einen Blick

  • Die Europäische Zentralbank erhöht ihren Leitzins auf 2,00 Prozent. So hoch war der Zins seit Anfang 2009 nicht mehr.
  • Experten rechnen mit weiteren Schritten. Zum Jahresende dürfte der Zins bei 2,50 Prozent stehen. Bis Frühjahr 2023 könnten es 3,00 Prozent sein.
  • Das Ende des Zinsanstiegs könnte 2023 aber erreicht werden. Wir sagen Ihnen, warum das so ist – und was es für Anleger und Sparer bedeutet.
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Die meisten Experten hatten damit gerechnet – und doch ist es außergewöhnlich: Mit einem "Jumbo-Zinschritt" von 0,75 Prozentpunkten hat die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag ihren Leitzins auf 2,00 Prozent angehoben. So hoch war der wichtigste Zinssatz der Notenbank seit Januar 2009 nicht mehr. Der jetzige Zinsschritt war bereits der zweite Anstieg um 0,75 Prozentpunkte in Folge. Eine so starke Erhöhung des Leitzinses hatte es davor in der Geschichte der EZB noch nie gegeben. 

Insgesamt hat die Zentralbank seit Juli dieses Jahres die Zinsen bereits drei Mal erhöht. Die Währungshüter machten am Donnerstag klar, dass sie zu weiteren Zinserhöhungen bereit seien: Der EZB-Rat "geht davon aus, dass er die Zinsen weiter anheben wird", hieß es. Grund dafür ist die hohe Inflation. In Deutschland lag die Teuerung im Oktober vorläufigen Daten zufolge bei 10,4 Prozent nach 10,0 Prozent im September. Ähnliche Zahlen gelten für die Eurozone. 

Mit den höheren Zinsen möchte die EZB die Preissteigerung eindämmen. Der rasche Zinsanstieg wirkt sich aber auf Anleger und Sparer aus: Er beeinflusst die Börsen genauso wie die Zinsen für Tages- oder Festgeld. Doch wie hoch steigen die Zinsen noch? Und was bedeutet das für Aktien und Zinsanlagen? Biallo.de beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wie geht es bei den Zinsen weiter?

Auch ein Zinssatz von 2,00 Prozent reicht noch nicht aus, um die hohe Inflation in den Griff zu bekommen. EZB-Chefin Christine Lagarde machte am Donnerstag klar: Es seien weitere Zinserhöhungen "in der Pipeline". Doch wie oft und wie schnell die EZB an der Zinsschraube drehe, sei offen. Kapitalmarktexperten rechnen in den kommenden Monaten mit weiteren Zinsschritten. Für Dezember sagen sie eine erneute Erhöhung voraus – auf 2,50 Prozent.

Uneinigkeit herrscht aber darüber, wie es 2023 weitergeht. Die Privatbank MM Warburg etwa rechnet damit, dass der EZB-Leitzins bis März auf 3,00 Prozent ansteigt und dort erst einmal bleibt. Die DZ Bank – das Zentralinstitut der Genossenschaftsbanken – prognostiziert "in der Spitze" einen Anstieg auf 2,75 Prozent. Die Investmentbank J.P. Morgan geht zum Ende dieses Jahres von 2,50 Prozent aus. Danach "dürfte es zu einer Beruhigung auf diesem Niveau kommen", meint Tilmann Galler, Kapitalmarktexperte bei J.P. Morgan.

Tatsächlich rechnen Marktbeobachter damit, dass im nächsten Jahr bald Schluss sein könnte mit weiteren Erhöhungen. Grund dafür ist die schwierige wirtschaftliche Lage, in der sich Europa und die Weltwirtschaft befinden. Steigende Zinsen bremsen die Konjunktur und erhöhen die Gefahr einer Rezession – unter anderem, weil sie die Kreditaufnahme für Unternehmen und damit auch Investitionen verteuern. Gleichzeitig keimt die Hoffnung auf, dass die Inflation ihren Höhepunkt bald erreicht haben könnte. Damit "verliert die Begründung für weitere drastische Zinserhöhungen etwas an Gewicht", meint Martin Wollburg, Volkswirt bei Generali Investments.

Ähnliches gilt für die USA. Dort hat die Notenbank Fed die Zinsen seit März bereits fünf Mal angehoben – zuletzt um 0,75 Prozentpunkte auf eine Spanne von jetzt 3,00 bis 3,25 Prozent. Bis zum Jahresende rechnen Experten mit einer weiteren Erhöhung auf bis zu 4,00 Prozent. Bis zur Jahresmitte 2023 könnte der Zins auf 4,50 Prozent steigen, heißt es bei MM Warburg. 

Auch in den USA könnte es jedoch bald zu einem Ende der Zinswende kommen. Gründe auch hier: die schwächelnde Konjunktur und die nachlassende Inflation. Insgesamt wachse daher "der Druck auf die Fed, den Bogen nicht zu überspannen", sagt Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank.

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Was bedeutet der Zinsanstieg für Aktien-Anleger? 

Steigende Zinsen sind eigentlich keine guten Nachrichten für die Börsen: "Der natürliche Feind der Aktienmärkte ist der Zins", sagt Robert Halver. Hintergrund: Höhere Zinsen machen Anlagen wie Anleihen oder Festgeld im Vergleich zu Aktien attraktiver. Das drückt auf die Kurse am Aktienmarkt. Zusammen mit dem Krieg in der Ukraine, der Energiekrise und der schwachen Konjunktur hat das in den vergangenen Monaten zu einem Kursrutsch an den weltweiten Börsen geführt. 

Damit die Stimmung für Aktien nachhaltig besser werde, müsse deshalb vor allem "die Inflation kippen, sodass auch die wuchtige Zinserhöhungspolitik endet", sagt Experte Halver. Noch ist offen, wann das passieren wird. Erste Anzeichen dafür gebe es aber schon, meint der Börsenprofi. So erwarteten nach einer Untersuchung der Bank of America immer mehr Investoren in den USA für 2023 "eine Wende der Zinswende". Gleichzeitig sei die Rezession und damit auch mögliche sinkende Gewinne der Firmen in den Kursen bereits "eingepreist wie das Amen in der Kirche", sagt Halver. Für Europa rechnet er künftig ebenfalls nicht mit einer zu "restriktiven" Zinspolitik.

Dennoch sollten Anleger vorsichtig sein. Für eine Übergewichtung von Aktien im Portfolio sei es noch zu früh, meint Tilmann Galler von J.P. Morgan. Von Wachstums- und Technologiewerten rät der Kapitalmarktexperte derzeit eher ab. Attraktiv seien jedoch Qualitätsunternehmen mit niedriger Verschuldung oder Firmen, die attraktive Dividenden zahlen. In jedem Fall sollten sich Anleger bei Investitionen in den Aktienmarkt derzeit eher schrittweise herantasten. Anstatt große Summen auf einmal zu investieren, sollten sie die Beträge stückeln und nach und nach investieren. Langfristig orientierte ETF-Anleger sollten Geduld bewahren. Geht der Zinsanstieg im nächsten Jahr tatsächlich zu Ende, dürften sich die Kurse rasch erholen. Noch jedoch ist die Entwicklung unsicher.

Womit können Zinssparer rechnen?

Die drei Zinserhöhungen der EZB seit dem Sommer haben zu einer Rückkehr der Sparzinsen geführt. So zeigt der Biallo Festgeld-Vergleich: Für einjähriges Festgeld gibt es bei Anbietern mit mindestens hoher Sicherheit bereits wieder Zinsen von bis zu 2,20 Prozent bei der Crédit Agricole. Bei zwei Jahren sind es 2,60 Prozent, bei drei Jahren 3,00 Prozent. Für Tagesgeld bekommen Anleger, die Wert auf hohe Sicherheit legen, derzeit Zinsen von bis zu 1,11 Prozent bei der Bank 11

Die jetzige Zinserhöhung und die Aussicht auf weitere Zinsschritte dürfte diese Werte noch einmal nach oben treiben. Geht man vom bisherigen Zinsabstand zwischen dem EZB-Leitzins und den Sparzinsen aus, dann könnte der Zins für einjähriges Festgeld zum Jahresende um die 3,00 Prozent liegen. In den Monaten darauf könnte es noch ein Stück weiter nach oben gehen.

Für Anleger bedeutet das: Sie sollten die Laufzeiten für ihre Zinsanlagen nicht zu lange wählen. Wer die kommenden Zinserhöhungen mitnehmen will, wählt eher kurz laufendes Festgeld von drei, sechs oder maximal zwölf Monaten. Für die frei werdenden Beträge kann man sich dann jeweils wieder einen Anbieter mit höheren Zinsen suchen. 

Über den Redakteur Andreas Jalsovec

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Hat als Redakteur in mehreren (Wirtschafts-) Redaktionen gearbeitet – unter anderem beim Anlegermagazin Börse Online, bei der Münchner Abendzeitung, der Schwäbischen Zeitung und der Nachrichtenagentur epd. Der promovierte Ökonom schreibt vor allem über Anleger- und Verbraucherthemen. Vor seinem Wechsel zu Biallo.de war er für die Wirtschaftsredaktion der Süddeutschen Zeitung tätig.

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