Interview

Raiba Hochtaunus verzichtet als erste Genossenschaftsbank aufs Filialgeschäft

Horst Biallo
Redakteur & Gründer
Veröffentlicht am: 04.10.2022

Auf einen Blick

  • Die Raiffeisenbank im Hochtaunus schließt zum 30. November alle ihre Filialen, Bankautomaten werden demontiert.
  • Das kostenlose, bundesweite Onlinekonto ermöglicht ab sofort die Beratung per Mail, Chat oder Telefon.
  • Im Interview erklärt Achim Brunner, Vorstandsvorsitzender der Raiffeisenbank im Hochtaunus, die Gründe für die Filialschließungen.
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Herr Brunner, ein Kollege von uns meinte, im deutschen Genossenschaftssektor bahnt sich eine „Revolution“ an. Wie sehen Sie das?

Achim Brunner: Ich würde dies eher als „Evolution“ bezeichnen. Denn diese Entwicklung, die zur Schließung aller Filialen geführt hat, hat sich ja schon länger angedeutet. Wir vollziehen einen Schritt, vor dem viele andere, vor allem kleinere Genobanken auch stehen.

Die sich aber nicht trauen, das zu tun, was Sie zum 1. Dezember vollziehen.

Brunner: Der gesellschaftliche Druck ist enorm hoch. Das muss jeder wissen, der eine solche Entscheidung tritt.

Was sagen Ihre Kunden, dass Sie Ihre vier Filialen schließen?

Brunner: Die allermeisten werden es gar nicht merken, weil sie von den Änderungen nicht betroffen sind. Zuletzt hatten wir nur noch zwei Besucher pro Stunde. Und die Zahl der Bargeldabhebungen lag bei unter zehn pro Tag über alle Filialen hinweg. Wir haben alle Kunden angeschrieben. Es gab nur vereinzelte Reaktionen.

Und wie sahen die aus?

Brunner: Viele Kunden haben Verständnis gezeigt und mit dem Schritt gerechnet. Es ist nun mal der Wandel der Zeit und die Digitalisierung treibt diesen voran. Natürlich gibt es auch vereinzelt Kunden, die nicht begeistert sind, mit denen wir aber im Austausch stehen.

Auch andere Banken schließen fortlaufend Filialen. So die Commerzbank von ursprünglich 1.000 auf 450 und nun auf 400. Sie schließen nun alle. Ist Ihnen das leicht gefallen?

Brunner: Nein, ganz und gar nicht. Aber gerade als Genossenschaftsbank sind wir nicht nur den wenigen verpflichtet, die noch in die Filialen kommen, sondern vor allem der breiten Mehrheit der Miteigentümer, mit deren Geld diese Niederlassungen unterhalten werden.

Was kostet über den Daumen gepeilt denn eine einzige Filiale im Jahr?

Brunner: Der Betrieb einer Filiale liegt deutlich im sechsstelligen Bereich. Denken Sie alleine an die Personalkosten, eine Filiale wird aufgrund des Vier-Augen-Prinzips mit mindestens zwei Mitarbeitern geführt. Dazu kommen natürlich die Sachkosten für Immobilie, Technik, Sicherheitsausstattung und so weiter. Dennoch haben wir die Kosten lange Zeit subventioniert und getragen. Aufgrund der immer weiter sinkenden Nutzung der Filialen möchten wir diese Kapazitäten nun anderweitig einsetzen und damit all unseren Kunden einen Mehrwert bieten.

Sie schließen ja nicht nur die Filialen, auch die Bargeldautomaten werden abgebaut…

Brunner: Das dürfte das kleinste Problem sein. Zum einen haben alle Kunden mit dem OnlineOnly-Konto die Möglichkeit eine kostenfreie Mastercard DirectCard zu nutzen, mit der man 52 Mal im Jahr kostenlos Bargeld abheben kann. Und dies sogar weltweit. Zudem kann man mit der Girocard bei Filialen von Rewe, Penny, dm Drogerie et cetera bis zu 200 Euro Bargeld bekommen.

Kann man Ihnen nicht vorwerfen, dass Ihnen Ihre Kunden egal sind?

Brunner: Nein, genau das Gegenteil ist der Fall. Das Kundenverhalten hat sich in den letzten Jahren total verändert, was durch Corona noch verstärkt wurde. Die Verbraucher wollen niedrige oder keine Kontoführungskosten, das bieten wir schon seit einigen Jahren. Sie wollen auch weiter Beratung. Aber das muss nicht unbedingt vor Ort sein, sondern wird telefonisch oder digital akzeptiert. Das haben wir alle doch in den letzten zwei Jahren trainiert. Durch unser neues Beratungscenter ermöglichen wir zukünftig allen Kunden eine qualifizierte Beratung, egal aus welcher Region sie kommen.

Und wer doch persönlich beraten werden will?

Brunner: Allen Kunden steht unser Beratungscenter in Bad Homburg kostenlos zur Verfügung. Unsere Beratungszeiten sind übrigens Montag bis Freitag von 8:00 bis 20:00 Uhr.

Und wie stellen Sie sich auf das geänderte Kundenverhalten ein?

Brunner: Wir bieten das kostenlose OnlineOnly-Konto ja schon länger bundesweit an und es kommt bei den Verbrauchern gut an. In der Zentrale gibt es eine umfassende, maßgeschneiderte Beratung zu allen Fragen rund um Geld- und Vermögensanlage, Wertpapiere, Immobilien sowie Altersvorsorge.

Und diese kostenlose Beratung steht nun auch allen Leuten offen, auch den Kunden bundesweit, die sich für das kostenlose Onlinekonto entschieden haben?

Brunner: Ja genau, unsere qualifizierte Beratung steht allen Privatkunden kostenfrei zur Verfügung. Neben der Beratung vor Ort, bieten wir diese auch als Video- und Telefonberatung an, somit steht diese allen Kunden zur Verfügung.

Und das FullService Konto für 30 Euro im Monat schaffen Sie ab?

Brunner: Ja. Es passt einfach nicht mehr zu dieser Neuausrichtung. Nur noch circa zehn Prozent unserer Privatkunden haben es genutzt. Mit unserem OnlineOnly-Konto hingegen gewinnen wir eine Menge Neukunden.

Und was sollen die Kunden machen, die partout kein Onlinebanking machen wollen oder können?

Brunner: Wir wollen so fair sein und sagen, dass wir für viele Kunden ein tolles Angebot haben und damit die richtige Bank sind. Aber zu dieser Wahrheit gehört auch, dass zu manchen Kunden andere Banken besser passen.

Mit dem kostenlosen Onlinekonto, das Sie bundesweit vertreiben, machen Sie nun auch DKB oder ING Konkurrenz?

Brunner: Wir bieten zumindest ein adäquates Angebot aus dem genossenschaftlichen Bereich. Unser OnlineOnly-Konto ist absolut konkurrenzfähig und es gibt unserer Meinung nach kein besseres Angebot am Markt. Darüber hinaus bieten wir jedem Kunden eine kostenfreie Beratung an. Vielleicht sind wir damit besser als Hausbank geeignet als die klassische Direktbank.

Gibt es weitere Vorteile?

Brunner: Ob vor Ort, digital oder telefonisch, wir bieten unseren Kunden eine individuelle kostenfreie Beratung an. Das können oder wollen ING, DKB und Co. nicht. Zudem kann bei uns bundesweit jeder Mitglied werden und pro Person bis zu 25.000 Euro zeichnen. In den vergangenen Jahren haben wir jeweils 2,5 Prozent Dividende ausgeschüttet. Unseren Mitgliedern gehört die Bank. Das können die Kunden der anderen nicht von sich behaupten.

Müssen sich die Investoren, die bei Ihnen Geld angelegt haben, wegen der neuen Entwicklung sorgen machen?

Brunner: Lassen wir einfach Ihren Kollegen von der Finanz-Szene zu Wort kommen. Der schrieb nämlich: „Zur Wahrheit gehört, dass die Raiffeisenbank im Hochtaunus mit ihrem Kurs zuletzt ein fast surreal starkes Betriebsergebnis vor Bewertung von 2,17 Prozent einfuhr. Das war rund das Dreifache des Schnitts der hiesigen Genobanken und das Sechsfache aller deutschen Geldinstitute.“ Dem ist eigentlich nichts hinzufügen.

Herr Brunner, vielen Dank für das Interview.

Über den Redakteur & Gründer Horst Biallo

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Jahrgang 1954, studierte Wirtschaft und absolvierte eine Ausbildung zum Wirtschaftsjournalisten bei der Tageszeitung Die Welt. Später machte er sich selbstständig, schrieb für Wirtschaftswoche, Stern und zahlreiche Tageszeitungen. Er ist Autor mehrerer Fachbücher, u.a. "Die geheimen deutschen Weltmeister" und "Die Doktormacher". Im Jahr 1999 gründete er das Verbraucherportal www.biallo.de, vier Jahre später www.geldsparen.de und 2009 www.biallo.at. Horst Biallo ist verheiratet und hat drei Kinder.

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