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Biallo-Interview

Ökonom Marc Friedrich: “Bitcoin lässt sich nicht verbieten“

Kevin Schwarzinger
Redakteur
Veröffentlicht am: 23.10.2019

Auf einen Blick

  • Das alte ungedeckte Papiergeldsystem hat ausgedient, zumindest wenn es nach Ökonom und Bestsellerautor Marc Friedrich geht. An dessen Stelle werden Kryptowährungen treten.
  • Daher sei es nur noch eine Frage der Zeit, bis Notenbanken versuchen werden, ein eigenes Kryptowährungssystem zu installieren.
  • Bei Bitcoin gibt sich der Experte optimistisch, beim Facebook-Coin Libra hingegen sieht Friedrich kaum Chancen auf Erfolg. 
  • Im exklusiven Biallo-Interview erklärt der Crash-Prophet, wie sich der Bitcoin-Kurs entwickeln wird, wie es mit unserem Geldsystem weitergeht und warum der Facebook-Coin Libra bereits vor dem Start gescheitert ist.
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Herr Friedrich, der Bitcoin hat seit dem Zwischenhoch am 10. Juli bei gut 13.100 US-Dollar fast 40 Prozent an Wert eingebüßt. Seit einigen Wochen befindet sich der Kurs in einer Seitwärtsphase. Wie deuten Sie die aktuelle Kursentwicklung?

Marc Friedrich: Die Entwicklung sehe ich durchaus positiv. Man darf nicht vergessen: Seit Anfang des Jahres ist der Bitcoin-Kurs zwischenzeitlich von knapp 3.000 auf gut 13.000 US-Dollar gestiegen. Jetzt gibt es erstmal wieder eine Konsolidierung, die auch gesund und notwendig ist nach so einem starken Anstieg. Nichtsdestotrotz liegt der Bitcoin auf Jahressicht noch mit weit über 100 Prozent im Plus. Damit hat Bitcoin alles outperformt, also S&P, Dax und so weiter. Dahingehend ist es eine gesunde Entwicklung. Jetzt sammelt der Bitcoin neue Kraft, um dann weiter zu steigen. Das aktuelle Preisniveau lädt sicher dazu ein, entweder einzusteigen oder aufzustocken.

Der Bitcoin-Kurs ist unvorhersehbar. Kann es sein, dass der Kurs noch deutlich mehr Federn lässt?

Friedrich: Also ein Kurs bis zu 6.000 US-Dollar ist zwar möglich, aber meiner Meinung eher unwahrscheinlich. Sollte der Kurs allerdings wirklich auf 6.000 US-Dollar sinken, sollte man definitiv einsteigen. Man kann aber jetzt schon die ersten Positionen schrittweise aufbauen und weitere Tranchen im Trockenen halten. Anleger sollten bereits jetzt den Fuß in der Türe haben. Dies ist ab 50 Euro möglich.

Laut einem Bloomberg-Bericht hat der Bitcoin-Kurs mit wachsender Konkurrenz und neuen Blockchain-Technologien zu kämpfen. Könnte der Krypto-Primus seine Vormachtstellung verlieren?

Friedrich: Nein, das denke ich nicht. Seit Jahren wird der Bitcoin in regelmäßigen Abständen von Experten und Medien für tot erklärt. Dann heißt es auf einmal, es gebe bessere Kryptowährungen. Dabei darf man jedoch nicht vergessen: Bitcoin basiert auf der ältesten und gleichzeitig robustesten Blockchain, die es gibt. Seit gut zehn Jahren läuft es solide, Bitcoin hat sich als Wertspeicher bewährt. Dieser Vertrauensvorschuss und die Tatsache, dass die klügsten Köpfe der Welt daran arbeiten, zeigt, dass Bitcoin auf dem Krypto-Thron bleiben wird. Nur weil es vielleicht zwischenzeitlich mal eine neuere, trendigere Kryptowährung gibt, wird sich daran nichts ändern. 

Lesen Sie auch: Stablecoin – Kryptowährungen reif für den Massenmarkt?

Aktuell sind gut 18 Millionen Bitcoin (circa 85 Prozent) im Umlauf. Damit bleiben nur noch rund gut drei Millionen Bitcoin, die noch geschürft werden können. Diese Tatsache müsste doch eigentlich wie ein Katalysator auf den Kurs wirken. Wieso macht sich das begrenzte Angebot nicht bemerkbar?

Friedrich: Das kommt mit dem nächsten Halving (Halbierung, Anm. d. Red.). Alle 210.000 Blocks, sprich circa alle vier Jahre, halbiert sich die Belohnung für das Auffinden eines Blockes. Aktuell sind wir bei 12,5 Bitcoins, die man pro erschaffenem Block bekommt. Diese Ausbeute halbiert sich im Mai kommenden Jahres auf 6,25 Bitcoins. Dazu kommen noch die Problematiken mit unserem aktuellen Geldsystem und der drohende Kollaps des Euros. Die Menschen werden im Zuge dessen den Bitcoin als Wertspeicher für sich entdecken. In vielen krisengeschüttelten Ländern sieht man das bereits – etwa in Venezuela, der Türkei oder Hongkong. Hier flüchten die Menschen in limitierte Sachwerte, also in Gold und Silber – aber auch Bitcoin, denn dieser ist durch die Mathematik und Algorithmen begrenzt.

In Deutschland dürfte das schwierig werden. Immerhin gilt der Deutsche nicht unbedingt als besonders offen für risikoreiche Geldanlagen.

Friedrich: Die Sehnsucht nach einem stabilen Wertspeicher wird dieser Tage immer größer. Momentan haben noch viele Menschen Angst vor Bitcoin, woran auch die Medien eine gewisse Teilschuld haben, da in Sachen Bitcoin meist vorverurteilend und unwissend berichtet wird. Aber so verhält es sich mit den meisten technischen Innovationen. Das erinnert mich ein wenig an die Anfangstage des Internets. Erst herrscht Skepsis, dann geht es nicht mehr ohne. Wenn die Menschen aufgrund der äußeren Umstände dazu gezwungen werden, sich mit dem Thema Bitcoin zu beschäftigen, dann kommt der Run und der Kurs wird explodieren.

Wann wird der letzte Bitcoin geschürft sein?

Friedrich: Der letzte Bitcoin wird im Jahr 2140 geschürft sein, dass ist eine mathematische Tatsache. Aktuell gibt es 18 Millionen Bitcoin, im Jahr 2030 werden es 20 Millionen sein. Und um die letzte Million zu schürfen, dauert es halt noch einmal mehr als 100 Jahre. Dann ist es vorbei mit dem Schürfen. Aber das ist auch der Vorteil eines limitierten und nicht auf Schulden basierten dezentralen Geldsystem.

Bei diesem Aufwand dürfte die CO2-Bilanz fürs Bitcoin-Mining eher negativ ausfallen.

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Friedrich: Genau diesen Mythos habe ich in meinem neuen Buch aus der Welt geschafft. Denn 74 Prozent der Energie, die für das Bitcoin-Mining genutzt wird, kommt aus erneuerbaren Energien. Des Weiteren verwendet Bitcoin lediglich 0,33 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs. Das ist wirklich marginal. Da ist unser aktuelles Geldsystem mit Banken, Geldscheinen, Terminals und Servern – die ganzen Bankhäuser in London, Frankreich und Paris – deutlich umweltschädlicher, als es Bitcoin jemals sein könnte.

Der Software-Unternehmer John McAfee schätzt aufgrund der Knappheit, dass der Bitcoin-Kurs im kommenden Jahr die Millionen-Dollar-Marke knacken wird. Dagegen wirkt die Kurseinschätzung der BayernLB mit 90.000 Dollar je Münze geradezu konservativ. Wer wird Ihrer Meinung nach am Ende Recht behalten?

Friedrich: Also da würde ich mich eher an die Prognose der BayernLB halten. Ich sehe auch deutliche Kurssteigerungen, allerdings noch nicht im Millionenbereich. Siebenstellige Kurse halte ich durchaus für denkbar, aber das erwarte ich erst in den Jahren 2028 bis 2034. Dann kann der Bitcoin den US-Dollar als dominante Währung ablösen. Ich bin ja Schwabe, also sehe ich die Kursentwicklung etwas konservativer. Nach dem nächsten Halving bis 2021 / 2022 erwarte ich einen Bitcoin-Kurs zwischen 30.000 und 50.000 US-Dollar.

Bei unserem letzten Gespräch prognostizierten Sie, dass der Bitcoin bis Ende 2019 zwischen 15.000 und 20.000 US-Dollar liegen werde, im Jahr 2020 sogar bei bis zu 42.000 US-Dollar. Bleiben Sie bei dieser Einschätzung?

Friedrich: Mit meiner Einschätzung lag ich fast richtig. Immerhin notierte der Bitcoin-Kurs im Juli zwischenzeitlich bei rund 13.000 US-Dollar. Momentan sieht es allerdings nicht danach aus, als ob meine Endjahresprognose ins Schwarze trifft. Aber aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben. Diese Kursentwicklung kommt halt dann nächstes Jahr. Aber wer weiß, bei Bitcoin ist alles möglich.

Die Bundesregierung plant, die Blockchain-Technologie voranzubringen. Dazu hat die Regierung ein entsprechendes Konzept vorgelegt. Gleichzeitig wollen sich die Groko - und weitere europäische Regierungen - international dafür einsetzen, dass private Stablecoins keine Alternative zu den staatlichen Währungen werden. Woher kommt diese Furcht? Finanzminister Olaf Scholz sieht darin "ein Kernelement staatlicher Souveränität" in Gefahr.

Friedrich: An dieser Aussage sieht man – Der Politik geht der Hintern auf Grundeis. Keine Regierung möchte sich das lukrative Geldmonopol nehmen lassen. Aber genau dafür ist Bitcoin angetreten, um eine Alternative zum zentralistischen Geldsystem, welches zum Scheitern verurteilt ist, zu sein. Diese Alternative ist auch bitter nötig, damit wir endlich einmal ein faires, transparentes, zensurfreies, demokratisches und nicht auf Schulden basiertes grenzenloses Geldsystem implementieren können.

Was macht sie da so sicher? Vielleicht folgt nach dem Kollaps einfach die nächste klassische Währung?

Friedrich: Es ist nicht die Frage, ob die klassischen Währungen ausgedient haben, sondern wann. Spätestens mit dem Kollaps des jetzigen Papiergeldsystems werden die Menschen das Vertrauen in ungedeckte Papiergeldwährungen – wie Euro, Dollar und so weiter – komplett verlieren, weil sie den Großteil ihres Geldes verlieren werden. Dann werden sich die Menschen wieder auf das besinnen, was sich in der Vergangenheit bewährt hat, nämlich auf gedeckte Geldsysteme wie Gold und Silber – sowie neu: Bitcoin.

Was bezweckt Facebook eigentlich mit dem Projekt Libra? Steigt das Unternehmen vielleicht sogar bald ins Banking ein?

Friedrich: Natürlich. Man darf nicht vergessen, Apple hat bereits eine Banklizenz. Die könnten jetzt auf einen Schlag die Commerzbank, Deutsche Bank und Unicredit Bank aus der Portokasse kaufen.

Apple macht das allerdings nicht, weil sie wissen, dass sich dieses veraltete Banksystem längst überholt hat. Das ist "old economy", die wollen "new economy". Die Zukunft des Bankings liegt im Smartphone, in Chips, in den Daten der Nutzer.

Das traditionelle Banksystem hat also längst ausgedient?

Friedrich: So sicher wie das Amen in der Kirche. Wir werden ein einmaliges Bankensterben erleben. Und das ist nicht nur darauf begründet, dass die Minuszinsen den Banken die Erträge wegfressen und die Kosten explodieren, sondern weil sie schlicht und einfach den Anschluss an das 21. Jahrhundert komplett verpasst haben. Ein Beispiel: Innerhalb der Deutschen Bank gibt es mehr als 50 verschiedene Softwareprogramme, die alle nicht miteinander kompatibel sind. Allein das zeigt doch deutlich, dass hier einiges schiefgelaufen ist. Deshalb werden neue, innovative Unternehmen den klassischen Banken den Rang ablaufen.

Facebook hat jüngst wichtige Partner für sein Libra-Projekt verloren, wie etwa Paypal, Ebay, Visa und Mastercard. Teilweise wurde aus Politikkreisen massiv Druck auf die Unternehmen ausgeübt und mit verstärkter Regulierung gedroht. Haben der Facebook-Coin, beziehungsweise Stablecoins im Allgemeinen, so überhaupt eine Chance?

Friedrich: Nein, Libra hat aus meiner Sicht keine Chance. Ich habe von Anfang an gesagt, dass der Facebook-Coin nicht kommen wird. Wichtige Partner sind von dem Projekt jetzt abgesprungen, der Druck aus Wirtschaft und Politik wächst. Deshalb gehe ich davon aus, dass wir entweder überhaupt keinen oder zumindest nur einen abgespeckten Libra sehen werden.

Sind die politischen Entwicklungen vielleicht sogar Vorläufer eines kommenden Bitcoin-Verbots?

Friedrich: Bitcoin lässt sich nicht verbieten. Man kann vielleicht den Handel damit einschränken, aber es wird immer ein Land geben, wo es Menschen nach wie vor handeln können. Da es grenzenlos ist und auf der Blockchain liegt, kann kein Staat der Welt ein dezentrales System verbieten. China und USA haben es bereits versucht und sind damit gescheitert.

Sehen wir vielleicht bald eigene staatliche Digitalwährungen? Immerhin hat der britische Zentralbank-Chef Mark Carney bereits solche auf globaler Ebene gefordert.

Friedrich: Ja, das wird kommen, ohne Zweifel. Im vergangenen Jahr war ich auf der Future of Money Konferenz in Frankfurt. Da war alles vertreten, was Rang und Namen hat – wie etwa Mitarbeiter des OECD, des IWFs, der Bundesbank, der EZB und so weiter. Und das vorherrschende Thema war nicht, ob, sondern wann die sogenannten CBDCs (Central bank digital currency) kommen werden. Natürlich werden die Staaten und Notenbanken versuchen, ein eigenes Kryptowährungssystem zu installieren – wahrscheinlich sogar weltweit mit einer Währung. Dann wird es halt vielleicht einen Euro-Coin oder einen World-Coin geben. Das hat natürlich Vor- und Nachteile. Ein zentralistisches Krypto- beziehungsweise Digitalwährungssystem ist mit Vorsicht zu genießen. Das geht schon in Richtung DDR-2.0.

Herr Friedrich, vielen Dank für das Gespräch.

Über den Redakteur Kevin Schwarzinger

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Jahrgang 1988, studierte Geschichte und Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und war währenddessen bereits als Werkstudent bei biallo.de angestellt. Seit 2016 ist er Mitglied der Redaktion und verfasst dort überwiegend Artikel zu Geldanlagethemen. Daneben publiziert er regelmäßig in Tageszeitungen, wie Münchner Merkur, Rhein Main Presse, Frankfurter Neue Presse oder Donaukurier.

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