Die Corona-Krise trifft auch Hans A. Bernecker ganz unmittelbar. Der 82-Jährige kann sein Haus derzeit nicht verlassen. Die Ansteckungsgefahr ist zu hoch. Die Lebensmittel bestelle er daher im Supermarkt, erzählt er am Telefon. Natürlich sei man dadurch etwas eingeschränkt. Aber insgesamt funktioniere der Alltag auch unter diesen Bedingungen ganz gut. Er verspüre jedenfalls "nicht die geringste Unsicherheit", sagt Bernecker.
Unsicherheit war ohnehin noch nie Berneckers Sache. Schon gar nicht, wenn es um Investitionen an der Börse geht. Der Herausgeber des traditionsreichen Börsenbriefs "Die Actien-Börse" hat mehr als 60 Jahre Erfahrung in der Anlageberatung. Seine Tipps und Empfehlungen sind immer eindeutig – auch in Krisenzeiten.
Herr Bernecker, viele halten die jetzige Krise für die größte seit der Weltwirtschaftskrise von 1929. Ist diese Krise mit anderen vergleichbar?
Hans A. Bernecker: Das ist mittlerweile die achte Krise, die ich erlebe. Sie ist meiner Einschätzung nach sehr gut vergleichbar mit der Finanzkrise 2009. Natürlich ist der Anlass ein anderer. Dass ein Virus eine Krise auslöst, das gab es noch nie. Tatsache ist aber: Vor jeder Krise haben die Märkte eine Blase gebildet, Aktien waren also überbewertet. Ich habe im Oktober letzten Jahres schon gesagt, dass diese Blase bald platzen wird. Die Frage war damals nur: Was wird der Auslöser sein. Nun wissen wir es.
Das Corona-Virus ...
Bernecker: Das Virus und die anschließende Entscheidung der USA, ihre Grenzen für Güter und Personen zu schließen. Daraufhin brach der Markt zusammen. Dass es so tief nach unten ging hatte dabei auch mit der besonderen Emotionalität zu tun, die die Bedrohung durch das Virus bei den Menschen auslöst: Eine enorme Unsicherheit und Angst führten zu einer starken Übertreibung auch an der Börse. Danach kam die Wende in die Gegenrichtung. Diese war fast genau so stark.
Woran lag es, dass es dann wieder so rasant nach oben ging?
Bernecker: Angst führt an den Aktienmärkten immer zu einer Gegenreaktion. Die Anleger wollen rauskommen aus dem Zustand der Unsicherheit. Nach starken Kursabstürzen schlägt sich das in erhöhten Käufen nieder. Die Börse hat damit schon vorweggenommen, was in einiger Zeit wirtschaftlich kommen wird: anhaltende Steigerungsraten in den nächsten zwei Jahren.
Sie rechnen also nicht mehr mit einem neuerlichen Absturz an den Aktienmärkten?
Bernecker: Nein. An der Börse geht es nach einem Ausverkauf stets nach oben. Wir werden zunächst einen Stillstand erleben, der zwei, drei Monate anhält. Die Börse orientiert sich dabei am Zyklus der Epidemie: Die Corona-Fälle werden zunächst stark zunehmen. Dann wird die Kurve langsam abflachen. Das ist der Punkt, wo es an der Börse schrittweise und in kleinen Stufen nach oben gehen wird.
Das heißt, wir haben die Wende an den Aktienmärkten schon gesehen?
Bernecker: Die Wende hat schon stattgefunden. Wie gesagt: Die Börse nimmt Entwicklungen in der Wirtschaft stets vorweg. Ich bin überzeugt, dass die wirtschaftliche Erholung in einigen Wochen greifen wird.
Bernecker: Vereinfacht gesagt heißt es: Kaufen Sie jetzt von den besten und solidesten Aktien jene, die am meisten gefallen sind. Im Grunde können Sie im Moment blind den ganzen Deutschen Aktienindex kaufen. Wir haben derzeit einen Preisabschlag von bis zu 60 Prozent. Das gab es bisher nur in der Finanzkrise 2009. In 15 Monaten wird der Dax allerdings 40 Prozent höher stehen. Für Anleger bedeutet das: Jetzt kaufen und dann 15 Monate abwarten.
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Das klingt fast zu einfach, um wahr zu sein. Gibt es keine Unterschiede zwischen einzelnen Branchen oder Werten?
Bernecker: Natürlich gibt es die – und wenn Sie ausreichend Börsenerfahrung haben, können Sie sich einzelne Aktien auch genauer ansehen. Telekommunikation etwa muss ich im Moment nicht unbedingt haben. Autoaktien hingegen sind die größten Verlierer im Deutschen Aktienindex. Sie haben daher meiner Einschätzung nach im Moment auch großes Potenzial. Die Allianz-Aktie gehört ebenfalls dazu. Sie ist eines der sichersten Papiere im Dax.
Wie sieht es mit Aktien aus dem Bereich Pharma und Gesundheit aus?
Bernecker: Auch das sind Branchen, auf die man setzen sollte. Jede Krise führt zu neuen Impulsen, zu neuen Denkansätzen in der Wirtschaft und in den Unternehmen. Nach 2007/2009 etwa kam das Smartphone auf. Das mag ein Zufall sein. Sicher ist aber: Nach einem Zusammenbruch entwickeln findige Unternehmer sehr oft neue Produkte, neue Ideen. Diesmal wird die Erkenntnis, dass wir künftig weltweit mit der Bedrohung durch Viren leben müssen, zu neuen Lösungen in der Pharmazeutik führen. Auch Firmen, die Maßnahmen und Produkte zum Schutz vor Viren anbieten, werden gefragt sein. Einschnitte wie der jetzige sind stets der Anstoß zu neuen technologischen Entwicklungen und damit zu neuen Wachstumsphasen – auch an der Börse.
Sie klingen trotz dieser heftigen Krise sehr zuversichtlich, was die weitere Entwicklung angeht. Was macht sie so optimistisch?
Bernecker: Wie gesagt: Ich habe ja schon einige Krisen miterlebt und gesehen, dass die Börse immer wieder aus schwierigen Phasen herausgefunden hat. Das wird auch diesmal so sein. Deswegen kann ich nur raten: Investieren Sie jetzt –und dann sprechen wir uns in einem Jahr wieder. Sie werden sehen: Es wird etwas Gutes dabei rauskommen.