In der bunten Welt der Geldanlagen stehen Anlegerinnen und Anlegern eine Vielzahl von Anlageklassen und Finanzprodukten zur Verfügung. Neben eher konservativen Anlagen wie Festgeld und Anleihen existieren volatilere Anlageklassen wie etwa Kryptowährungen und Derivate, zu denen auch die Optionsscheine zählen.
Im folgenden Ratgeber erfahren Sie, was Optionsscheine sind, wie diese funktionieren und welche Chancen und Risiken die Finanzprodukte bieten.
Was sind Optionsscheine?
Optionsscheine (englisch: Warrants) sind Hebelprodukte, die zur Anlageklasse der Derivate zählen. Durch die Hebelwirkung von Optionsscheinen können Anleger überproportional an steigenden und fallenden Kursen eines bestimmten Vermögenswertes (Basiswert) partizipieren. Schließlich kostet ein Optionsschein meist nur ein Bruchteil dessen, was der hinterlegte Basiswert kostet.
Optionsscheine verbriefen das Recht, aber nicht die Pflicht, einen bestimmten Basiswert (Underlying) – beispielsweise eine Aktie oder einen Rohstoff – zu einem vorher festgelegten Preis (Strike) und einem vereinbarten Termin zu kaufen oder zu verkaufen. Von der sogenannten Ausübung spricht man, wenn Anleger von ihrem Optionsrecht Gebrauch machen. Wie häufig Sie innerhalb der Laufzeit Ihr Optionsrecht wahrnehmen können, hängt vom Ausübungsrecht ab. Dabei lassen sich zwei Arten von Optionsscheinen unterscheiden:
Optionsscheine mit amerikanischen Ausübungsrecht
Bei Optionsscheinen mit amerikanischen Ausübungsrecht haben Sie jederzeit die Möglichkeit, innerhalb der vorgegebenen Laufzeit Ihr Optionsrecht auszuüben, sprich den Basiswert zum vorher definierten Basispreis zu kaufen oder zu verkaufen. Der Basispreis wird auch Ausübungspreis oder Bezugspreis genannt.
Optionsscheine mit europäischem Ausübungsrecht
Bei Optionsscheinen mit europäischem Ausübungsrecht können Sie nur am Ende der Laufzeit, dem sogenannten Fälligkeitstag, Ihr Optionsrecht ausüben. Dies ist zum Beispiel bei Optionsscheinen auf den Dax der Fall.
Barausgleich versus effektive Lieferung
Am Ende der Laufzeit besteht außerdem die Möglichkeit des sogenannten Barausgleichs. Das bedeutet, dass der Inhaber des Optionsscheins grundsätzlich zwischen der effektiven Lieferung des Basiswertes und einem Barausgleich (Cash Settlement) wählen kann. Beim Barausgleich erhalten Sie die Differenz zwischen dem Basispreis und dem derzeitigen Kurs des Basiswertes. Ein Barausgleich findet zum Beispiel immer bei Indexoptionsscheinen statt, da eine effektive Lieferung nicht möglich ist.
Wo Optionsscheine gehandelt werden
Im Gegensatz zu Optionen werden Optionsscheine stets nur von Banken oder Brokern ausgegeben. Optionen können dagegen nahezu von jedem beliebigen Marktteilnehmer initiiert, sprich geschrieben werden. Der Handel von Optionsscheinen erfolgt entweder direkt über die Bank (OTC-Handel) oder an regulären Terminbörsen wie zum Beispiel der Eurex in Stuttgart.
Für den Erwerb eines Optionsscheines fällt die sogenannte Optionsscheinprämie an. Das ist der Preis, den der Anleger dem Emittenten für seine erworbenen Rechte zahlen muss. Der Preis des Optionsscheins wird von der Kursentwicklung des hinterlegten Basiswerts beeinflusst. Auch die Laufzeit und Volatilität wirken sich auf die Optionsscheinprämie aus.
Zusammengefasst besitzt jeder klassische Optionsschein die folgenden Angaben:
- Optionsscheinprämie ist der Preis, den ein Anleger für den Kauf eines Optionsscheins bezahlen muss. Die Optionsscheinprämie berücksichtigt den inneren Wert und Zeitwert (siehe unten).
- Basiswert (Underlying) ist der Vermögenswert, auf den sich der Optionsschein bezieht.
- Basispreis (Strike) ist der Ausübungspreis, zu dem das Kauf -oder Verkaufsrecht ausgeübt werden kann.
- Laufzeit ist der Zeitraum vom Tag der Ausgabe (Emission) bis zum Fälligkeitsdatum, an dem der Handel mit dem Optionsschein endet. Bei amerikanischem Ausübungsrecht ist die Laufzeit gleichbedeutend mit der Ausübungsfrist.
- Bezugsverhältnis gibt an, wie viele Optionsscheine benötigt werden, um eine Einheit des zugrunde liegenden Basiswerts zu kaufen oder zu verkaufen. Beispiel: Bei einem Bezugsverhältnis von 1:20 und einer Aktie als Basiswert benötigen Sie 20 Optionsscheine für den Erwerb dieser Aktie.
Call- und Put-Optionsscheine
Optionsscheine werden in zwei Haupttypen unterschieden. Während Call-Optionsscheine dem Inhaber das Recht auf einen Kauf des hinterlegten Basiswerts geben, beinhalten Put-Optionenscheine das Recht auf einen Verkauf des Basiswerts. Folglich spekulieren Käufer eines Call-Optionsscheines auf eine steigende Kursentwicklung und Käufer eines Put-Optionsscheines auf Kursrücksetzer des Basiswerts.
Was bedeuten Long- und Short-Positionen?
Vereinfacht gesagt, gibt eine Long-Position den Kauf und eine Short-Position den Verkauf eines Optionsscheines an – unabhängig davon, ob es sich um einen Call- oder Put-Optionsschein handelt. Da Optionsscheine stets nur von Banken herausgegeben werden, können Investoren nur als Käufer auftreten. Der Verkäufer eines Put- oder Call-Optionsscheins, in dem Fall die Bank oder der Broker, wird auch als Stillhalter bezeichnet.
Beispiel: Bei einer Call-Option ist der Stillhalter verpflichtet, dem Inhaber des Optionsscheins den Basiswert zum vereinbarten Basispreis zu verkaufen. Der Käufer des Call-Optionsscheins hat dagegen das Wahlrecht: Er kann sein Optionsrecht ausüben, muss es aber nicht. Wenn sich der Basispreis nicht zu seinen Gunsten entwickelt, kann er den Optionsschein am Fälligkeitstag auch als wertlos verfallen lassen und der Stillhalter verdient an der Optionsscheinprämie.
Zeitwert und innerer Wert eines Optionsscheins
Der Wert eines Optionsscheins setzt sich immer aus dem sogenannten inneren Wert und dem Zeitwert zusammen. Der innere Wert eines Optionsscheins ist eine wichtige Kennziffer, die zur Bewertung von Optionsscheinen beiträgt und den Optionsscheinpreis entscheidend beeinflusst. Er ist ein Indikator für das Potenzial eines Optionsscheins und kann Ihnen bei der Entscheidung helfen, ob Sie einen Optionsschein kaufen, verkaufen oder halten sollten.
Je nach Optionsscheinart wird der innere Wert wie folgt berechnet:
- Call-Optionsschein: Innerer Wert = (Aktueller Kurs des Basiswerts minus Basispreis) x Optionsverhältnis
- Put-Optionsschein: Innerer Wert = (Basispreis minus aktueller Kurs des Basiswerts) x Optionsverhältnis
Aus den Ergebnissen der Berechnung des inneren Wertes, lassen sich drei Situationen ableiten:
- im Geld („in the money“) = der innere Wert ist größer als null,
- am Geld („at the money“) = der innere Wert ist nahezu null,
- aus dem Geld („out of the money“) = der innere Wert ist gleich null.
Auch wenn der Optionsschein „aus dem Geld“ liegt und der innere Wert rein rechnerisch einen negativen Wert aufweist, kann der innere Wert in der Praxis nicht unter null fallen. Schließlich wird der Anleger bei einem rechnerischen Wert unter null nicht von seinem Optionsrecht Gebrauch machen, da er den Basiswert an der Börse günstiger kaufen beziehungsweise teurer verkaufen kann.
„In the money“ bedeutet vereinfacht gesagt, dass der Inhaber eines Call-Optionsscheines in einer vorteilhaften Position ist, da er den Basiswert zu einem geringeren Preis erhalten kann, als wenn er ihn direkt über die Börse kaufen würde.
Ein positiver innerer Wert liefert jedoch keine Garantie auf Kursgewinne, da die Wertentwicklung eines Optionsscheins auch von anderen Faktoren wie der verbleibenden Laufzeit und der Volatilität des Basiswerts beeinflusst wird. Daher wird bei einer Bewertung eines Optionsscheins auch der sogenannte Zeitwert herangezogen. Dieser ergibt sich aus der Differenz der Optionsscheinprämie und des inneren Wertes.
Generell gilt: Je kürzer die Restlaufzeit und je geringer die Kursschwankung des Basiswerts ausfällt, desto niedriger fällt der Zeitwert aus. Am Laufzeitende ist der innere Wert gleich null und der Wert des Optionsscheins ist identisch mit dem inneren Wert.
Griechische Kennzahlen der Optionsscheine
Zur Bewertung von Optionsscheinen dienen weitere Kennzahlen, die mit Buchstaben aus dem griechischen Alphabet bezeichnet werden:
Delta: Das Delta misst die Sensitivität des Optionsscheinpreises in Bezug auf nominale Preisveränderungen des Basiswertes. Ein Delta von 0,8 bedeutet beispielsweise, dass der Preis des Optionsscheins um 80 Cent steigt, wenn der Basiswert um einen Euro zulegt.
- Gamma: Das Gamma leitet sich vom Delta ab und misst, wie schnell sich das Delta ändert, wenn sich der Preis des Basiswerts ändert. Ein hohes Gamma deutet folglich auf eine hohe Empfindlichkeit des Deltas gegenüber Preisveränderungen des Basiswerts hin.
- Vega: Das Vega ist ein Maß dafür, wie sehr der Preis des Optionsscheins auf Veränderungen der Volatilität des Basiswerts reagiert. Je höher das Vega, umso stärker ändert sich der Optionsscheinpreis, wenn sich die Schwankungsbreite des Basiswerts um ein Prozent erhöht oder verringert.
- Theta: Das Theta ist eine Kennzahl für den Zeitwertverlust eines Optionsscheins. Der Faktor gibt an, um welchen Betrag sich der Zeitwert des Optionsscheins innerhalb einer Zeitperiode (meist ein Tag) verringert. Generell gilt: Je kürzer die Restlaufzeit, desto höher das Theta.
- Rho: Das Rho misst die Empfindlichkeit des Optionsscheinpreises gegenüber Veränderungen des risikofreien Zinssatzes. Ein hohes Rho bedeutet, dass der Preis des Optionsscheins stärker auf Veränderungen des risikofreien Zinses reagiert.
- Omega: Das Omega misst die prozentuale Veränderung des Optionsscheinpreises in Bezug auf die prozentuale Änderung des Basiswertpreises. Ein höherer Omega-Wert zeigt an, dass der Optionsscheinpreis stärker auf Preisveränderungen des Basiswerts reagiert.
Wofür werden Optionsscheine verwendet?
Zwar werden Optionsscheine oft als spekulative Anlageklasse betrachtet, dennoch bieten sie ein weitaus breiteres Spektrum an Nutzungsmöglichkeiten. Neben der Verwendung, um hohe Gewinne durch Wetten auf eine Marktentwicklung zu erzielen, können sie zur Absicherung gegen negative Preisentwicklungen dienen und somit einzelne Positionen Ihres Depots absichern.
Vor- und Nachteile von Optionsscheinen
Wie jedes Anlageinstrument bieten auch Optionsscheine diverse Vor- und Nachteile. Wir haben die wichtigsten für Sie zusammengefasst: