





Es geht um viel Geld, oft um Zehntausende Euro mehr oder weniger bei der zusätzlichen Altersvorsorge. Millionen Menschen in Deutschland haben jahrzehntelang Beiträge in eine Kapital-Lebensversicherung oder private Rentenversicherung eingezahlt. Und haben sich jahrelang darüber geärgert, wenn sie ihrer "Standmitteilung" Jahr für Jahr entnehmen konnten, dass längst nicht mehr das am Ende herauskommen wird, was ihr Versicherer einst versprochen hat.
Nun aber sind die Zinsen endlich wieder gestiegen. Wird deshalb für die Versicherten jetzt alles wieder besser?
Deutschland ist ein Land der Lebensversicherungen. Nach Angaben des Versichererverbands GDV gibt es in Deutschland noch immer mehr als 35 Millionen klassische Lebens- und private Rentenversicherungen, die nicht auf Investmentfonds basieren, darunter 5,4 Millionen Riester-Rentenverträge. Was am Ende dabei herauskommt, hängt von der laufenden Verzinsung und von der Gesamtverzinsung ab.
Haben Sie einen solchen Vertrag, lohnt es sich jetzt, einmal genauer darauf zu schauen. Denn nicht nur der Garantiezins ist im neuen Jahr gestiegen, viele Versicherer haben für 2025 auch ihre laufende Verzinsung erhöht.
Bei der Verzinsung sind drei Arten zu unterscheiden:
Es gibt den Garantiezins, den die oder der Versicherte auf jeden Fall erhält. Dieser Garantiezins, den jedes Versicherungsunternehmen selbst festlegt, darf nicht höher sein als der Höchstrechnungszins. Das ist die vom Bundesfinanzministerium vorgegebene Obergrenze für Zinssätze, die von den Versicherern nicht überschritten werden dürfen. Er soll helfen, dass die Unternehmen nur so hohe Zinsen versprechen, wie sie tatsächlich auch zahlen können. In der Praxis werden Garantiezins und Höchstrechnungszins fälschlicherweise oft synonym verwendet. Tatsächlich sind sie oft gleich hoch. Der Garantiezins darf aber niedriger ausfallen als der Höchstrechnungszins.
Wichtiger sind die variablen laufenden Überschüsse. Das sind vor allem die Erträge, die der Versicherer am Kapitalmarkt mit Anleihen, Aktien, Immobilien oder Infrastrukturprojekten erwirtschaftet und über das hinausgehen, was den Kunden als Garantie zugesagt wurde. Beides zusammen, Garantiezins plus Überschussbeteiligung, bilden die laufende Verzinsung. Einmal im Jahr geben die Anbieter bekannt, wie sich die laufende Verzinsung beziehungsweise die Überschussbeteiligung geändert hat.
Wird die Lebensversicherung zum Vertragsende ausgezahlt, kommt der sogenannte Schlussüberschuss obendrauf. Dieser beinhaltet eine Beteiligung an den sogenannten Bewertungsreserven des Versicherers, also Gewinnen des Versicherers, die zum Beispiel dadurch entstehen, dass der Kurs eines Wertpapiers höher ist als zum Kaufzeitpunkt. Man spricht auch dann von der Gesamtverzinsung des Vertrags.
Was oft übersehen wird: Die Garantiezinsen gibt’s nur für den Sparanteil. Das ist der Betrag, der nach Abzug von Abschlussprovision, Verwaltungskosten und Kosten für den Schutz der Hinterbliebenen übrigbleibt. Ein vereinfachtes fiktives Beispiel: Sie zahlen 200 Euro im Monat ein, alle Kosten zusammengerechnet belaufen sich im Durchschnitt auf 20 Euro. Dann werden Ihnen nur 180 Euro verzinst. Das Problem dabei: In der Realität bleibt für Sie völlig unklar, wie viel von Ihren Beiträgen für die diversen Kosten tatsächlich draufgehen. Auch deshalb ist es ungewiss, wie viel für Sie am Ende wirklich herauskommt.
Jahrelang ging es mit den Zinsen bergab. Der Höchstrechnungszins fiel von 4,0 Prozent in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre bis auf derzeit 0,25 Prozent. Nachdem sich die Zinsen nach den Zinserhöhungen der Notenbanken seit Mitte 2022 wieder aufwärts bewegten, ist der maximal mögliche Zins für Neuverträge nun erstmals seit mehr als 30 Jahren 2025 von 0,25 auf 1,0 Prozent gestiegen. Von dem Zinsanstieg seit dem Frühjahr 2022 können die Kunden aber erst langsam profitieren, da jedes Jahr nur ein Teil der milliardenschweren Kapitalanlagen der Versicherer zusammen mit neuem Kundengeld neu angelegt werden kann. Die Versicherer werben deshalb verstärkt mit ihrer Überschussbeteiligung beziehungsweise der laufenden Verzinsung.
Viele Anbieter werden 2025 die laufende Verzinsung für ihre Policen erhöhen. Dies zeigen die Ankündigungen der Versicherer Ende 2024. Mit an der Spitze liegt derzeit die Inter Lebensversicherung mit 3,25 Prozent. Bei der Versicherungsgruppe VPV ging die laufende Verzinsung mit am deutlichsten um 0,8 Prozentpunkte auf drei Prozent nach oben. Ebenfalls die Drei-Prozent-Marke erreicht nun die kleine Berliner Ideal Lebensversicherung mit genau 3,0 Prozent und die Axa Lebensversicherung. Zahlreiche andere Anbieter haben Erhöhungen beschlossen, wie die Ergo Vorsorge Leben, Victoria Leben, die Nürnberger Lebensversicherung oder die SV Sparkassen Versicherung. Die Allianz Leben hält hingegen die laufende Verzinsung stabil. Der Marktführer hatte diese bereits in den Vorjahren angehoben.
Die auf Versicherungen spezialisierte Ratingagentur Assekurata prognostiziert laut Handelsblatt, dass sich die laufende Verzinsung im Jahr 2025 im Durchschnitt auf 2,65 Prozent erhöht. 2024 belief sie sich im Neugeschäft auf durchschnittlich 2,46 Prozent. Der Tiefpunkt von 2,13 Prozent im Jahr 2021, nach jahrelanger Niedrigzinsphase, ist damit überwunden (siehe unsere Tabelle).
Lebensversicherer | Veränderung1 | laufende Verzinsung | ||||
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2025 | 2024 | 2023 | 2022 | |||
Allianz (Klassik) | - | 2,70 | 2,7 | 2,5 | 2,3 | |
Allianz (Performance) | - | 2,80 | 2,8 | 2,6 | 2,4 | |
Alte Leipziger (klassisch) | - | 2,25 | 2,25 | 2,05 | 2,05 | |
Alte Leipziger (modern) | +0,05 | 2,35 | 2,3 | 2,1 | 2,1 | |
Axa | +0,4 | 3,00 | 2,6 | 2,6 | 2,6 | |
BL die Bayerische | - | 3,00 | 3,0 | 2,7 | 2,5 | |
BY die Bayerische | - | 3,00 | 3,0 | 2,7 | 2,5 | |
Condor (Congenial garant) | +0,1 | 1,95 | 1,85 | 1,60 | 1,45 | |
DBV | +0,4 | 3,00 | 2,6 | 2,6 | 2,6 | |
DEVK Allg. Leben | - | 2,40 | 2,40 | 1,90 | ||
DEVK LV-Verein | - | 3,00 | 3,00 | 2,50 | ||
Entis | +0,10 | 3,35 | 3,25 | 3,00 | 3,00 | |
Ergo Leben | +0,45 | 2,70 | 2,25 | 1,85 | 1,85 | |
Ergo Vorsorge | +0,2 | 2,80 | 2,6 | 2,2 | 2,2 | |
Ideal | - | 3,00 | 3,0 | 3,0 | 3,0 | |
LV 1871 | - | 2,7 | 2,7 | 2,4 | 2,4 | |
LVM | - | 2,40 | 2,4 | 2,05 | 1,7 | |
Inter | +0,25 | 3,25 | 3,00 | 2,25 | 2,00 | |
Nürnberger | +0,2 | 2,95 | 2,75 | 2,25 | 2,25 | |
Proxalto | +0,25 | 2,60 | 2,35 | 1,25 | 1,25 | |
Provinzial | - | 3,25 | 3,25 | 2,25 | 2,00 | |
R+V (Safe+Smart-Produkte) | +0,05 | 3,05 | 3,00 | 2,75 | 2,00 | |
Signal Iduna | +0,15 | 2,75 | 2,60 | 2,50 | 1,65 | |
Sparkassen Versicherung | +0,25 | 2,25 | 2,00 | 2,00 | 2,00 | |
Swiss Life Deutschland | - | 2,50 | 2,5 | 2,25 | 2,25 | |
Victoria Leben | +0,45 | 2,70 | 2,25 | 1,85 | 1,85 | |
VPV | +0,8 | 3,00 | 2,2 | 1,6 | k.A. |
Klassische private Rentenversicherungen und Kapitallebensversicherungen werden seit Jahren von Verbraucherschützern kritisiert – nicht nur weil sie unflexibel sind und jahrelang magere Renditen brachten. Sie sind auch teuer. Sie sollten sich deshalb nicht blenden lassen, wenn Versicherer mit den laufenden Überschüssen und der Gesamtverzinsung werben. Das entspricht nicht der Rendite nach Kosten – die Kosten sind noch abzuziehen. Die Allianz gab vergangenes Jahr dazu ein Beispiel: Demnach belaufen sich die Kosten auf durchschnittlich einen Prozentpunkt bei der Gesamtverzinsung. Das ergibt bei einer Gesamtverzinsung von 3,5 Prozent nach Abzug von Kosten 2,5 Prozent. Bei anderen Versicherern können die Kosten höher oder niedriger sein.
Wenn Sie ein Altkunde oder eine Altkundin sind, können Sie noch von den damals höheren Garantiezinsen profitieren. Bei Verträgen, die zwischen Juli 1994 und Ende Juni 2000 abgeschlossen wurden, waren zum Beispiel bis zu 4,0 Prozent möglich. Diese Garantie müssen die Versicherer bis heute erfüllen, notfalls mit Rücklagen, der sogenannten Zinszusatzreserve. Aus diesem Topf werden die alten Verträge sozusagen bezuschusst.
Doch Vorsicht: Sind Sie ein Kunde mit einem alten Vertrag und relativ hohen Garantiezinsen, die über der derzeit laufenden Verzinsung ihres Versicherers liegen, haben Sie von den zuletzt gestiegenen Zinsen nichts. Dann bekommen Sie nichts obendrauf.
Überschüsse aus den Kapitalanlagen sind zu mindestens 90 Prozent an die Versicherten weiterzugeben. Dabei dürfen die Versicherer aber Kunden und Kundinnen mit einem jüngeren Vertrag besser an Überschüssen beteiligen als Versicherte mit älteren Verträgen. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) 2024 entschieden.
Eine Klage der Verbraucherzentrale Hamburg gegen die Allianz Lebensversicherung-AG wurde damit in letzter Instanz abgewiesen. Die von der Allianz praktizierte Verteilung hielt der BGH für zulässig, weil sie nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt.
Die Verbraucherschützer sahen in ihrer Klage Versicherte mit älteren Rentenversicherungserträgen "unangemessen" benachteiligt (Az. IV ZR 436/22). Das Urteil dürfte von zentraler Bedeutung für Millionen von Lebensversicherungen beziehungsweise privaten Rentenversicherungen sein, da der BGH nun höchstrichterlich zugebilligt hat, die Versicherten je nach Alter des Vertrags in unterschiedlicher Höhe an den Überschüssen zu beteiligen.
Die Verbraucherschützer befürchten nun, "dass die begünstigte Überschussbeteiligung von jüngeren Verträgen Schule macht und Vertriebskräfte dies als absatzförderndes Argument nutzen." Die jüngeren Verträge seien "künstlich aufgehübscht". Dadurch werde "eine kapitalbildende Versicherung aber immer noch nicht zu einem bedarfsgerechten Produkt." Die Allianz bewertete hingegen die "mit dem Urteil verbundene Rechtssicherheit" als positiv.
Dass die laufende Verzinsung im neuen Jahr wieder meist steigt, ist eine gute Nachricht. Sie sollten aber langfristige Prognosen von Lebensversicherern nicht allzu wörtlich nehmen. Die Stiftung Warentest stellte dazu fest: "Die Leistungen, die viele Kunden bei Ablauf ihrer Kapital-Lebensversicherung oder privaten Rentenversicherung erhalten, sind oft erheblich geringer als bei Vertragsbeginn vom Versicherer mitgeteilt." Die Stiftung hatte bereits 2016 fast 100 Verträge analysiert. Ergebnis: "Zwischen den Leistungen, die Versicherer bei Vertragsabschluss in Aussicht gestellt hatten, und der tatsächlichen Leistung bei Vertragsablauf klaffen oft erhebliche Lücken." Die Stiftung kritisiert "utopische Überschussangaben und unrealistische Informationen der Versicherer über die Ablaufleistungen." Im schlimmsten Fall sei gerade einmal halb so viel herausgekommen wie einst hochgerechnet. Demnach können die prognostizierten Leistungen und der spätere Auszahlungsbetrag um mehrere zehntausend Euro voneinander abweichen.
Biallo.de rät Ihnen genauso wie die Verbraucherzentralen, Altverträge durchzuhalten. Das hat mehrere Vorteile:
Viele Menschen mit einer Kapitallebens- oder klassischen privaten Rentenversicherung halten ihren Vertrag nicht bis zum Laufzeitende durch. Sie steigen aus, etwa weil sie arbeitslos geworden sind, eine Scheidung finanzieren müssen, überschuldet oder mit dem Vertrag unzufrieden sind.
Die Stornoquote bei diesen Produkten ist so hoch, dass die Finanzaufsicht Bafin Ende letzten Jahres ankündigte, sich die "hohen Stornoquoten genauer ansehen" zu wollen. Die Chefin der Versicherungsaufsicht, Julia Wien, hatte bereits im Sommer 2024 kritisiert, dass viele Verträge zu teuer seien und nicht den Bedürfnissen der Kundschaft entsprächen.
Wer – aus welchen Gründen auch immer – seinen Vertrag loswerden oder keine Beiträge zahlen will, sollte prüfen, ob etwas anderes in Frage kommt als eine Kündigung mit womöglich hohen finanziellen Einbußen. Mögliche Alternativen: die Versicherung verkaufen oder beleihen, den Vertrag beitragsfrei stellen oder gegebenenfalls widerrufen und rückabwickeln.
Hilfreich bei der Wahl sind hierzu die Informationen der Verbraucherzentralen. Vor einer Entscheidung sollten Sie sich aber unbedingt unabhängig beraten lassen. Wer wissen will, ob die Ablaufleistung seiner Police plausibel ist oder seinen Vertrag womöglich ändern will, kann den Vertrag von der Verbraucherzentrale Hamburg überprüfen lassen. Die Prüfung kostet 100 Euro. Das Formular können sich Interessierte auf der Website der Verbraucherzentrale Hamburg (VZ) herunterladen. Von der VZ gibt es dann einen Beratungsbrief mit konkreten Empfehlungen und rechtlichen Hinweisen. Laut der Verbraucherzentrale wird die Prüfung allerdings etwa drei Monate dauern.
Bekommen Sie Ihre Lebensversicherung bald ausgezahlt? Liegt schon eine beträchtliche Summe unverzinst auf Ihrem Girokonto? Oder hätten Sie gerne eine monatliche Geldrente? Dann lesen Sie unseren Ratgeber: "100.000 Euro anlegen: Hohe Geldsummen investieren".