Experteninterview zum Thema Ökostrom

Udo Sieverding: „Dieses System führt Verbraucher in die Irre“

Manfred Fischer
Autor
Veröffentlicht am: 28.01.2022

Auf einen Blick

  • Biallo.de im Gespräch mit Udo Sieverding, Bereichleiter Energie der Verbraucherzentrale Nordrhein-Wetsfalen.
  • Fragen & Antworten rund um das Thema Ökostrom.
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Welche Rolle spielt Strom mit dem Attribut „öko“ für die Energiewende? Warum hebt sich ein Ökostrommix im Preis von einem Kohle-Atom-Strommix oft kaum ab? Was übersehen viele Kunden? Biallo sprach mit Udo Sieverding, Bereichsleiter Energie bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Worauf sollten Stromkunden, die die Energiewende unterstützen wollen, bei der Wahl eines Ökotarifs besonders achten?

Udo Sieverding: Das Geringste, was Stromkunden derzeit kümmern sollte, ist die Frage, wie öko ihr Strom ist. Viele stehen vor dem Problem, überhaupt bezahlbare Energie zu bekommen. Am Markt findet man im Moment so wenige Angebote für Neukunden wie noch nie. Durch die extrem hohen Börsenpreise für Strom und Gas ist der Verbrauchermarkt schlicht zusammengebrochen.

                                                                                                                                     Udo Sieverding, Verbraucherzentrale NRW

Ökostrom-Angebote tauchen im Ranking in Preisvergleichsportalen doch oft auf vorderen Plätzen auf?

Sieverding: Dass öko so billig ist, liegt am Herkunftsnachweis-System. Strom aus EEG-Anlagen in Deutschland darf nicht als Ökostrom vermarktet werden, da er bereits über die EEG-Umlage gefördert wird. Daher kaufen Stromanbieter im Ausland, vor allem in Norwegen, Herkunftsnachweise für Ökostrom, losgelöst vom physischen Produkt. Für rund 0,1 Cent je Kilowattstunde verwandeln sie so in Deutschland erzeugten Strom aus Kohle-, Atom- oder Gaskraftwerken in grünen Strom. Ein Großteil aller Ökostromtarife beruht auf solchen Herkunftsnachweisen, für Energiewende und Klimaschutz bringt das nichts. Dieses System führt Verbraucherinnen und Verbraucher in die Irre.

Seit November gelten neue Regeln für die Stromkennzeichnung von Anbietern. Sorgt das nicht für Klarheit?

Sieverding: Es ist gut, dass der bereits über die EEG-Umlage finanzierte Ökostrom in der Kennzeichnung aus dem Unternehmensmix verschwindet. Der Unternehmensmix muss jetzt tatsächlich das Beschaffungsverhalten des Anbieters widerspiegeln. Vorher konnten selbst Versorger, die keinerlei Strom aus erneuerbaren Energiequellen bezogen, einen überwiegend grünen Unternehmensmix ausweisen. Ich habe die Hoffnung, dass durch die neue Regelung Bewegung in den Markt kommt. Aber man muss die Realität sehen: Fraglich ist, inwieweit diese Daten auf der Website des Anbieters oder in der Stromrechnung – der Unternehmensmix muss da ausgewiesen sein – von Kunden wahrgenommen werden. Auch können Verbraucher nach wie vor nicht erkennen, welcher Anteil des Stromes durch Herkunftsnachweise als grün dargestellt wird und welcher Anteil aus Ökostrom-Anlagen stammt.

Wer beim Anbieterwechsel nicht ganz genau hinguckt, zahlt mit seinem Tarif also für Greenwashing?

Sieverding: Einige Anbieter engagieren sich für die Energiewende und bieten Tarife mit einem immerhin geringen Mehrwert. Zum Beispiel durch den Bau eigener Photovoltaik-Parks und Windkraftanlagen oder durch alternative Energieprojekte. Doch das jetzige System macht es diesen Anbietern schwer bis unmöglich, sich erkennbar am Markt abzugrenzen.

Inwieweit bieten Ökostrom-Labels Orientierung?

Sieverding: Ich halte die Diskussion über Labels für überzogen. Ökostromlabels hätten einen höheren Mehrwert, wenn sie sich auf Tarife mit echtem Nutzen für Energiewende konzentrieren würden. Zwei, die etwas hervorstoßen, sind das Grüner-Strom-Label und das Ok-Power-Siegel. Mit dem Grüner-Strom-Label können sich Anbieter zum Beispiel auch zertifizieren lassen, dass ein bestimmter Prozentsatz des Stroms aus Deutschland kommt. Das Gefälle zwischen Labels ist groß, nach unten hin gibt es eine Reihe, die völlig nutzlos sind.

Aber mit Regionalstrom sind ökobewusste Kunden auf der sicheren Seite?

Sieverding: Regionalstrom stammt aus ohnehin vorhandenen EEG-Anlagen. Er wird Verbrauchern auf dem Papier zugewiesen, Regionalstrom-Nachweise sind in vielen Fällen vor allem ein Marketinginstrument, für die Energiewende hat das keinen Zusatznutzen. Es gibt auch den einen oder anderen Stromanbieter, der Regionalstrom mit anderen Konzepten verbindet und so etwas für den Ausbau der erneuerbaren Energie tut. Aber im Grunde genommen geht es nicht darum, ob der Strom vom Windrad um die Ecke kommt oder von einem Windpark in Nord- oder Ostsee. Entscheidend für Ausbau der erneuerbaren Energien ist, dass es gelingt, flexible Marktstrukturen zu schaffen. Da sind Politik und Wirtschaft gefragt.

Vielen Dank für das Interview Herr Sieverding.

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