Ines Baur
Autorin
 

 
Auf einen Blick
  • Die ehemalige Realschullehrerin Beate Sander begann erst mit 59 Jahren ihr Geld in Aktien anzulegen und wurde dadurch zur Millionärin.
  • Heute gibt die 81-jährige Börsenseminare, hat über 50 Bücher zum Thema Finanzen geschrieben und ist ein gern gebuchter Gast bei Hauptversammlungen und Vorträgen.
  • Vor einem Börsen-Crash fürchtet sie sich nicht – im Gegenteil. Sie sagt: "Ein Crash ist gut für Leute mit Mut."
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Beate Sander begann mit 59 Jahren, ihr Gehalt als Lehrerin in Aktien zu investieren. Heute – mehr als 20 Jahre später – hat sie sich dank ihrer Strategie ein Millionen-Depot aufgebaut und über 50 Bücher zum Thema Finanzen veröffentlicht, darunter den Bestseller "Aktien- und Börsenführerschein: Aktien statt Sparbuch – die Lizenz zum Geldanlegen". Mit Biallo.de spricht sie über ihre Anlagestrategie, was sie von Bitcoins und Gold hält, welche Depot-Gemeinsamkeiten sie mit Warren Buffett hat und ob ETFs eine Anlage-Option sind.

Frau Sander, mit welchem Startkapital sind Sie zur Aktien-Millionärin aufgestiegen und vor allem in welcher Zeit?

Beate Sander: Ende der Neunzigerjahre war ich 59 Jahre und habe mit umgerechnet 30.000 Euro gestartet. Beim Crash 2008 habe ich von Anfang an richtig gehandelt mit meiner Hoch-Tief-Mut-Strategie und 2013 hatte ich die Million.

Bevor wir auf Ihre Strategie zu sprechen kommen: Welche war Ihre erste Aktie?

Sander: Meine erste Aktie war die Deutsche Telekom, die 1996 auf den Markt kam. Zu dem Zeitpunkt hatte ich etwas Geld übrig und habe gedacht, da gehst du mit rein.

Sind Sie mit dem Kauf gut gefahren?

Sander: Ich habe die Deutsche Telekom gekauft und 2008 nochmals nachgekauft für unter neun Euro. Aktuell kostet die Telekom 15 Euro. Es gibt eine Dividende von 70 Cent. Wenn ich sie auf acht oder neun Euro umrechne, habe ich neun Prozent Dividende. Deswegen ist für mich die Deutsche Telekom eine richtig gute Aktie.

Andere haben über die Telekom Aktie sehr geschimpft.

Sander: Ja, viele Aktionäre sind später eingestiegen und haben gejammert und geschimpft über die Deutsche Telekom. Dies geschah, weil sie gierig waren, keine Ahnung hatten und zu unglaublich hohen Preisen kauften. Mein eigener Spruch heißt: Meide die gefährlichen Vier – Euphorie, Panik, Angst und Gier.

Sie haben die sogenannte Hoch-Tief-Mut-Strategie erfunden. Was genau hat es damit auf sich?

Sander: Die Hoch-Tief-Mut-Strategie beruht auf folgendem Ansatz: Ich kaufe Aktien, breit gestreut und nicht unter tausend Euro pro Titel. Wenn sie drei- oder vierstellig gestiegen sind, mache ich einen Teilverkauf und kaufe von dem Geld – ohne einen Euro neues Geld zu nehmen – davon übertrieben abgestürzte, gute Aktien. Wenn ich nur für 500 Euro kaufe, kann ich später keinen Teilverkauf machen, weil zu wenig übrig bleibt. Und ich will ja nicht meine besten Rennpferde abgeben. Von den besten Aktien will ich die meisten behalten. Aber das braucht Zeit, fünf oder zehn Jahre.

Haben Sie ein Beispiel für uns?

Sander: Ich habe Nemetschek-Aktien für vier Euro pro Stück gekauft, 300 Stück für 1.200 Euro. Jetzt stehen sie bei 168 Euro. Wenn ich Geld brauche, um mir eine Alphabet-Aktie zu leisten, sage ich: Okay, ich muss zehn Stück von dem Nemetschek-Titel verkaufen und bekomme, da bei mir Altbestand und steuerfrei, 1.680 Euro raus. Davon kaufe ich, ohne auch nur einen einzigen Euro neues Geld in die Hand zu nehmen, eine Aktie von Amazon.

Für welche Anleger ist die Hoch-Tief-Mut-Strategie was?

Sander: Die Strategie taugt für Leute, die mutig, diszipliniert und geduldig sind, breit streuen und langfristig anlegen. Wenn ich nur drei oder zehn Aktien habe, kann ich das nicht machen. Auch nicht, wenn ich morgen rein und übermorgen wieder rausgehe. Sie ist für Leute geeignet, die sich über Jahre ein Depot aufbauen.

Mutig sein und einsteigen bei einem Crash?

Sander: Ich sage immer: "Ein Crash ist gut für Leute mit Mut." Denn da kann ich billig Aktien kaufen, um sie dann, wenn der Kurs steigt, teuer zu verkaufen. Das habe ich auch im Dezember 2018 im Technologie-Crash gemacht. Da habe ich gute Aktien zum halben Preis gekauft. Im Gegensatz zu den meisten Aktionären, die bei starkem Kursrückgang verkaufen.

Manche Experten meinen, dass das Ende des Bullenmarktes bereits eingeläutet ist. Schließlich ist die aktuelle Hausse die längste aller Zeiten. 

Sander: Ja, das sagt man schon seit mehreren Jahren. Die Wissenschaft sagt, wir können Börsencrashs nicht verhindern. Also gibt es irgendwann den nächsten. Wir hatten den Crash von 2000 bis 2003 und den von 2008 bis 2009. Die Untergangspropheten sagten ab 2013: "Jetzt kommt der Crash – verkauft schnell alle eure Aktien, denn jetzt geht es noch." Stattdessen ging es bis Dezember 2018 bei kurzen Rückschlägen langfristig nur nach oben. 

Jetzt haben wir wieder 12.200 beim Dax und Analysten erhöhen die Prognose auf 13.000. Dass ein Crash kommt, ist absolut sicher. Aber man weiß nie: Wann kommt er, wie lange dauert er, wie heftig ist er? 

Würden Sie beim nächsten Crash Ihre Positionen vollständig auflösen?

Sander: Natürlich nicht! Warum denn? Ich freue mich auch, wenn die Kurse nach oben gehen, ganz klar. Aber wenn sie abstürzen, sage ich, der Crash ist gut für Leute mit Mut und erprobe meine Hoch-Tief-Mut-Strategie. Und nach jedem Crash war das nächste Hoch höher, als beim vorherigen Crash.

Warum verkaufen so viele Anleger, wenn ein Crash droht?

Sander: Weil sie es von den Banken so eingeredet bekommen. Entweder sollen sie alles absichern, das kostet richtig Geld. Oder sie sollen komplett verkaufen, weil es ja noch schlimmer kommt. So hat der Kunde noch die Hälfte von seinem Geld, als dass am Ende alles weg ist. Ich mache das Gegenteil.

Dazu ein Zitat von André Kostolany: "Wer viel Geld hat, kann spekulieren. Wer wenig Geld hat, darf nicht spekulieren. Wer kein Geld hat, muss spekulieren." Was meinen Sie?

Sander: Gut, der Altmeister hat vieles gesagt. Ich spekuliere kaum. Für den Nervenkitzel kaufe ich mir höchstens zwei Aktien für 500 Euro. Entweder funktioniert das, dann kann ich vielleicht 1.000 Euro verdienen und verkaufe dann. Oder ich habe Pech, dann sind die 500 Euro futsch. Habe ich kein Geld, kann ich nicht spekulieren, weil ich sonst Schulden mache. Ich darf überhaupt nichts mit Aktien machen, wenn ich kein Geld habe. Dazu mein Spruch: "Aktieneinkauf auf Kredit – alles andere als ein Hit!"

Nach welchen Kriterien wählen Sie Aktien aus?

Sander: Nach verschiedenen Gründen. Im Branchenvergleich sollen sie günstig bewertet sein. Ich bin nicht Warren Buffet, der sagt: "Ich kaufe nur Aktien, die fair bewertet sind." Denn dann habe ich nur defensive, substanzstarke, nachhaltige, brave Value-Aktien. Daher hat er fast nur Banken, Versicherungen, Industrie, Eisenbahnen und Konsum. Die hoch bewerteten Technologie-Aktien, die hat er kaum. Dort, wo jetzt die Zukunftsmusik spielt: Künstliche Intelligenz, digitalisierte, vernetzte Welt, Industrie 4.0. Eine einzige Aktie hat er, von der man sagen kann, sie ist beides: Apple ist Konsum und Technologie. Und ganz neu kommt jetzt Amazon dazu.

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Warren Buffet sagt, dass er nur Werte kauft, die er auch versteht. Da ist doch nichts Falsches dran?

Sander: Ich sage das Gleiche: Ich muss es kennen, ich muss es mögen, ich muss es verstehen. Aber ich kann ja auch verstehen lernen. Ich liebe zum Beispiel Biotech, Medizintechnik, Internet der Dinge, Künstliche Intelligenz. Da muss ich zusehen, dass ich es verstehe und eigne mir das Wissen eben an.

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Was macht jemand, der nur wenig Geld hat und anlegen möchte?

Sander: Dann fängt man mit einem ETF an. Mit wenigen ETFs deckt man die Märkte ab: Ein ETF auf die Nebenwerte MDax, SDax, TecDax, einen auf den Nasdaq, einen weltweit, Russland, Ostasien – das geht mit wenig Geld. Damit macht niemand die ganz großen Gewinne, aber auch keine hohen Verluste wegen der breiten Streuung. Einen ETF-Sparplan über 50 Euro im Monat kann sich fast jeder leisten. Habe ich dann 1.500 bis 2.500 Euro in einen ETF gespart, stoppe ich den Sparplan und mache den nächsten.

Warum ab 1.500 oder 2.500 Euro einen neuen ETF?

Sander: Es gibt Leute, die lassen ihn ewig laufen und haben dann 40.000 Euro in einem ETF und sonst nichts. Ich meine breit streuen, bei 2.000 aufhören und den nächsten machen. Selbst wenn die Bank nörgelt. Wer mehr Geld verdient, kann man in zwei unterschiedliche ETFs anlegen zu je 50 Euro im Monat. Und irgendwann kommt vielleicht Appetit auf eine Aktie.

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Was ist wichtiger? Kursgewinne oder Dividende?

Sander: Beides. Ich will Aktien, die im Laufe der Jahre ihre Dividende steigern, beispielsweise Johnson & Johnson oder Caterpillar. Ich nenne mal aus dem Nasdaq ein paar Unternehmen, die wenig Dividenden zahlen, aber hohe Kursgewinne erzielen. Nur mal der Buchstabe A: Alphabet, Amazon, Apple – kennt jeder. Dann habe ich Alexion, kennt nicht jeder, ist aber toll. Adobe, kennt nicht jeder, ist aber hervorragend, ebenso AMD. Dann habe ich Amgen, die Firma zahlt sogar eine hohe Dividende. Das ist eine kleine Auswahl vom Buchstaben A.

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Und was machen Sie mit Dividenden?

Sander: Dividenden sind wichtig für meine Strategie. Ich möchte zu über der Hälfte Aktien haben, die im Laufe der Jahre die Dividende steigern. Bei Rational habe ich für 33 gekauft, die Dividende ist jetzt zehn Euro. Das sind 33 Prozent im Jahr. Jede Dividende lege ich wieder an.

Wie ist die Gewichtung in Ihrem Depot?

Sander: Ich habe zwei Drittel Aktien wie Warren Buffet. Niedrig bewertet und dividendenstark, die brauche ich für meine Strategie. Aber ein Drittel sind bei mir Aktien, wo ich nur auf Kursgewinn und Chancen achte.

Für welche Aktien sehen Sie in der Zukunft Chancen?

Sander: Die Zukunft spielt in der Künstlichen Intelligenz. In der Industrie 4.0, im Internet der Dinge, in der digitalisierten, vernetzten Welt. Das ist Zukunftsmusik. Da kann ich nicht nur mit Industrie, Banken und Versicherungen kommen. Wichtig ist, dass man alle wichtigen Bereiche abdeckt.

Für Neueinsteiger – wie und wo informiert man sich zum Thema?

Sander: Zunächst rate ich jedem, der einsteigt, Bücher zu kaufen und zu lesen. Man kann nicht sagen: "Ja, Millionär will ich werden. Aber ich lege doch keine 30 Euro für ein Buch hin, Internet muss genügen." Ich brauche Bücher, um mir ein Grundwissen anzueignen und dann gehe ich ins Internet, zum Beispiel ARD-Börse, und schaue mir eine Aktie an. Was kostet sie heute, was hat sie vor einem Jahr gekostet. Wie war der höchste, wie der tiefste Kurs in einem, in drei, fünf, zehn Jahren. Gibt es Dividende? Wenn ja, wie viel? Dann schaue ich in die Bilanz rein. Wie ist das Verhältnis Eigenkapital zu Fremdkapital? Und so weiter.

Sie schauen sich jede Aktie so genau an?

Sander: Ja. Ich schaue so lange, wie ich begeistert bin. Wenn irgendwo der Pferdefuß kommt – der Umsatz stark eingebrochen, das Jahresergebnis minimal – höre ich auf zu gucken. Wenn ich richtig zufrieden bin, lese ich das Firmenprofil und werfe ich einen Blick auf den Quartalsbericht. Ist der auch in Ordnung, kaufe ich mir die Aktie.

Wie steht Sie zu Bitcoin und Kryptowährungen?

Sander: Reine Spekulation, niemals! Da würde ich niemandem raten, mitzumachen. Wenn jemand wirklich Spekulantenblut in seinen Adern hat, soll er einen kleinen Betrag anlegen. In meinem Börsenseminar habe ich einen spekulativen Teilnehmer dazu gebracht, in Aktien anzulegen und nur eine kleine Summe in Bitcoin. Dies hat er auch gemacht und war ganz glücklich, als er die Hälfte mit Gewinn verkauft hat. Der Rest liegt aber tief im Keller. Am Ende hatte er weder Plus noch Minus gemacht.

Ist für Sie Gold als Krisenschutz ein Thema?

Sander: Nein. Einige Zeit lang konnte man mit Gold viel Gewinn machen. Aber auf Goldmünzen oder kleine Barren gibt es keine Dividenden. Man muss immer Acht geben, dass einem das Zeug nicht geklaut wird. Bankschließfächer werden immer teurer. Das Nebengeplänkel ist hier nicht von der Hand zu weisen. Einzig sicher ist, Gold wird nie wertlos. Aber ein ETF auch nicht. Und da bekomme ich dazu noch Dividende.

Frau Sander, vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person

Beate Sander ist überzeugte Aktienanlegerin und aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung im deutschsprachigen Raum als Kommentatorin, Moderatorin und Interviewpartnerin sehr gefragt. Mag die Materie noch so kompliziert sein, Beate Sanders Markenzeichen ist es, spannend, anschaulich, leichtverständlich und praxisbezogen zu schreiben und zu sprechen. Bis heute hat sie über 50 Bücher geschrieben, darunter den Bestseller: Der Aktien- und Börsenführerschein.

Weitere Bücher von Beate Sander:

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Über die Autorin Ines Baur

Ines Baur hat ihre journalistische Karriere beim Fernsehen begonnen. Nach der Geburt ihres dritten Sohnes hat sich die gelernte Bankkauffrau auf Print- und Online-Medien spezialisiert. Schwerpunktmäßig schreibt sie zu den Themen Frauen und Finanzen, finanzielle Bildung, Frauen und Alters-Vorsorge, Frauen und finanzielle Selbständigkeit.

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