"Mr. Dax" sieht hohe Crashgefahr
"Es ist eine extrem hohe Spannung im System. Ein großer Crash, der sich zu einer Wirtschaftskrise ausdehnen kann, ist absehbar. Die Frage ist nur der genaue Zeitpunkt", sagt der einst als "Mr. Dax" bekannte Börsen-Bär Dirk Müller im exklusiven Gespräch mit biallo.de. Er sieht sich inseiner Analyse vom Mai bestätigt: "Ich habe seit Monaten gewarnt: Diese Entwicklung war alles andere als unvorhersehbar, wenn die Notenbanken kein billiges Geld mehr in die Märkte pumpen, dazu die Zinserhöhung kommt und noch andere Faktoren wie der Handelskrieg mit China hinzukommen."
Müller rät trotzdem nicht zu einem Ausstieg aus Aktien – nur zu einer 100-prozentigen Risiko-Absicherung, wie er sie in seinem eigenen Fonds praktiziert. Dort setzt Müller auf die aus seiner Sicht besten Unternehmen der Welt mit "starker Bilanz und geringer Verschuldung" – von FAANG-Aktien wie Apple über Sport-Marktführer Nike bis zum Dax-Aufsteiger Wirecard. Der integrierte Risiko-Fallschirm mit Absicherungsinstrumenten macht sich offenbar bezahlt: Seit Jahresanfang hat Müllers Fonds fast zehn Prozent zugelegt. Eine Prognose, wohin sich der deutsche Leitindex bis Jahresende entwickeln wird, will "Mr. Dax" trotzdem nicht abgeben.
Bernecker erwartet Dax-Erholung bis 13.000 Punkte
Börsenguru Hans A. Bernecker wagt sich dagegen im exklusiven Gespräch mit biallo.de aus der Deckung: "Ich denke, dass der Dax dann deutlich höher als jetzt in der Gegend um 13.000 Punkte stehen könnte." Das wäre zum derzeitigen Stand immerhin ein Erholungspotenzial von gut 15 Prozent, also eine Jahresendrallye vom Feinsten. Laut Bernecker hängt das allerdings davon ab, wie die "Amerikaner den Abbau ihrer Börsen-Blase" steuern: "Bisher machen sie das mit Riesen-Tagesumsätzen von zuletzt 77 Milliarden Dollar sehr gut." Der Grandseigneur der deutschen Börsenszene sieht den Grund für den derzeitigen Abwärtstrend nämlich vor allem in der dringend nötigen Korrektur der Überbewertung vieler Unternehmen in den USA.
Vor allem die FAANG-Aktien seien viel zu weit in die Höhe geschossen und müssten etwa 40 Prozent nach unten korrigieren. "Bisher haben sie im Schnitt etwa 20 Prozent verloren – es ist also noch zu früh, wieder einzusteigen. Also derzeit Hände weg von den großen Tech-Aktien!" Dagegen sei der Kauf der meisten Dax-Unternehmen – mit Ausnahme von High-Tech-Aktien wie dem aus seiner Sicht immer noch überbewerteten Aufsteiger Wirecard – vorbehaltlos zu empfehlen.
"So einen optimalen Einstiegs-Zeitpunkt hat es in Deutschland lange nicht gegeben. Man kommt ja richtig in Verlegenheit, was man kaufen soll. Ob Infineon, Lufthansa oder andere Unternehmen – die Bewertungen sind so niedrig wie lange nicht mehr." Die beiden genannten Werte haben in den vergangenen zwölf Monaten gut 25 bis 35 Prozent verloren. Bei anderen Dax-Unternehmen wie Bayer, Continental oder Covestro liegen die Kursverluste zum Teil noch höher.
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Börsenguru hält weitere Absturz-Gefahr für gering
Bernecker ist seit inzwischen sechs Jahrzehnten an der Börse aktiv und hatte im Gespräch mit biallo.de imFrühjahr eine Dax-Korrektur bis 11.000 Punkte angekündigt. Diese seien nun nahezu erreicht, weshalb der Routinier die Gefahr eines weiteren deutlichen Absturzes als gering erachtet. Trotz der Bremsmanöver der Zentralbanken und steigender Zinsen: "Steigende Zinsen haben noch nie zu einer Baisse geführt. Sie sind ja eine Folge, wenn die wirtschaftliche Lage gut ist." Auch der Handelskrieg mit China ("der geht so lange weiter, bis die Chinesen einlenken und ihre Märkte öffnen") oder der Finanzstreit von Italien mit der EU ("95 Prozent der Staatsschulden der EU liegen in den Händen der Italiener – das ist komplett anders als in Griechenland") sieht Bernecker nicht als große Gefahren.
"Die Deutschen haben halt immer Angst – das hat schon der römische Historiker Tacitus festgestellt. Dabei funktioniert die Wirtschaft nach Fakten", so Bernecker. Die wirtschaftlichen Fakten sprechen nach seiner Meinung derzeit dafür, den Einstieg in ausgewählte deutsche Premiumaktien zu wagen: "Es ist sehr viel Geld in den Märkten unterwegs, das eine sinnvolle Anlage sucht. Und der größte Teil wird auch weiterhin in Aktien oder Anleihen angelegt werden." Da das billige Geld der Notenbanken fehle, werde der Anstieg eher lang und vorsichtig sein: "Aber das Erholungspotenzial liegt bei 25 bis 30 Prozent. Das ist viel besser, als sein Geld auf dem Sparbuch anzulegen."
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