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Aktienhandel

Grenke und Wirecard: Wie Leerverkäufer mit Kursstürzen Geld machen

Sebastian Schick
Chefredakteur
Aktualisiert am: 22.10.2020

Auf einen Blick

  • Erst Wirecard, dann Grenke – sogenannte Leerverkäufer verdienen viel Geld mit dem Kursverfall einer Aktie. 
  • Der Leasing-Anbieter Grenke konnte die Vorwürfe, die dem Absturz vorausgingen, nun entkräften. Das hat die Leerverkäufer zum Rückzug veranlasst.
  • Die sogenannten Shortseller handeln mit Wertpapieren, die ihnen gar nicht gehören. Stattdessen leihen sie die Aktien aus.
  • Leerverkäufe ohne Wertpapierleihe sind in der EU verboten. Doch es gibt auch Möglichkeiten, Aktien zu handeln, ohne die Wertpapiere im Depot zu haben.
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Das erwartet Sie in diesem Artikel

  1. Shorties bekommen kalte Füße
  2. Wette auf den Kursverfall einer Aktie
  3. Ungedeckte Leerverkäufe sind verboten
  4. Hintertüren beim ungedeckten Leerverkauf

Erst nahmen sie den Zahlungsdienstleister Wirecard ins Visier, dann den Leasinganbieter Grenke: Sogenannte Leerverkäufer haben zuletzt immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. Grenke war Mitte September vom britischen "Shortseller" Fraser Perring eine aufgeblähte Bilanz und zu hoch ausgewiesene Kassenbestände vorgeworfen worden. Anleger befürchteten daraufhin den nächsten Bilanzskandal – ähnlich wie bei Wirecard. Die Grenke-Aktie stürzte binnen drei Tagen um mehr als die Hälfte ab.

Nun haben Sonderprüfer erste Berichte zu den Zahlungsmitteln des Unternehmens vorgelegt. Demnach stellte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG fest, dass es für mehr als 99 Prozent der Guthaben von Grenke bei Geschäfts- und Zentralbanken auch Belege gebe, teilte Grenke mit. Der Vorwurf, es gebe einen wesentlichen Teil der Mittel in der Bilanz gar nicht, sei damit entkräftet. Auch sonst hätten die bisherigen Prüfungen "keine Auffälligkeiten im Geschäftsmodell und der Geschäftsorganisation" ergeben. 

 

Shorties bekommen kalte Füße

Die Meldung vom Dienstag zeigt offenbar Wirkung: Die "Shorties" haben sich erst mal zurückgezogen. Mittlerweile beläuft sich die Leerverkaufsquote bei der Grenke-Aktie laut Bundesanzeiger nur noch auf 0,81 Prozent – nach rund vier Prozent Mitte September. Allerdings berücksichtigt der Bundesanzeiger lediglich Leerverkaufsquoten von über 0,5 Prozent, Quoten darunter werden nicht ausgewiesen. 

Der Baden-Badener Leasing-Anbieter Grenke verdient sein Geld vor allem mit dem Verleih von IT und anderen Technologie-Produkten an kleine und mittlere Unternehmen. Daneben betreibt das Unternehmen auch Bankgeschäfte.

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Zur Erinnerung: Vor dem Fall Grenke hatten Leerverkäufer im Juni für Wirbel gesorgt, als sie auf einen fallenden Aktienkurs des Zahlungsdienstleisters Wirecard spekulierten. Tatsächlich stürzte die Aktie regelrecht ins Bodenlose: Der Kurs fiel an einem Tag von gut 100 Euro auf rund 35 Euro – ein Minus von mehr als 65 Prozent. Zuvor war bekannt geworden, dass bei dem Unternehmen 1,9 Milliarden Euro verschwunden waren.

 

Wette auf den Kursverfall einer Aktie

Doch wie genau funktionieren Leerverkäufe? Anleger wetten damit auf den Kursverfall einer Aktie. Sie handeln dabei mit Wertpapieren, die ihnen nicht gehören. Stattdessen leihen sie sich die Aktien gegen eine Gebühr und verkaufen sie anschließend. Nach einer bestimmten Zeit kaufen sie die Papiere wieder ein und geben die geliehenen Papiere zurück. Sinkt bis zu diesem Rückgabedatum der Kurs, bekommen sie das Wertpapier günstiger, als sie es verkauft haben. 

Die Differenz ist der Gewinn der Shortseller – abzüglich einer Leihgebühr. "Diese richtet sich unter anderem danach, wie volatil die Aktie und wie hoch die Nachfrage ist, das Papier zu leihen", sagt Andreas Lipkow, Spezialist für Aktienhandel bei der Comdirect Bank*. Bei der Wirecard-Aktie etwa war die Leihe zeitweilig sehr teuer, weil viele Händler auf einen Kursverfall setzten und das Papier leihen wollten.

Wer es allerdings schaffte, bis zum 18. Juni – dem Tag des Kurssturzes – Wirecard-Aktien zu leihen, sie dann zu verkaufen und nach dem Kursverfall wieder zurückzukaufen, der machte mit jeder Aktie einen stattlichen Gewinn. Der Leerverkäufer muss dabei dieselbe Stückzahl an Aktien wieder zurückgeben, die er geliehen hat. Dabei handeln die Shortseller ihre Wertpapiere oft in Zeiträumen von wenigen Tagen. Das muss aber nicht immer der Fall sein: "Je nach Strategie kann ein Leerverkauf auch einmal ein Jahr dauern", sagt Experte Lipkow.

 

Ungedeckte Leerverkäufe sind verboten

Ein Leerverkauf, dem eine Leihe des Wertpapiers zugrunde liegt, heißt "gedeckter Leerverkauf". Daneben gibt es "ungedeckte Leerverkäufe". Sie sind eine verschärfte Form des Short Sellings: Die Verkäufer haben in diesem Fall die Wertpapiere noch nicht einmal geliehen. Möglich ist das, weil im Handel mit Aktien in Deutschland die Regel "t plus 2" gilt. Das bedeutet: Wird am Tag t ein Geschäft abgeschlossen, erfolgt die tatsächliche Buchung im Depot des Anlegers erst am übernächsten Tag.

Verkauft ein Shortseller also an einem Vormittag eine Aktie und kauft sie am Abend zurück, werden beide Vorgänge erst zwei Tage später verbucht. "Der Anleger war also an diesem Tag mit diesen Aktien 'short'. Aber im Grunde merkt das keiner, weil die Positionen zum Buchungszeitpunkt wieder ausgeglichen sind", sagt Andreas Lipkow. Theoretisch kann auf diese Weise ein Vielfaches einer Aktie gehandelt werden. Weil dies auch starke Kursverwerfungen nach sich ziehen kann, sind ungedeckte Leerverkäufe in der Europäischen Union seit der Finanzkrise 2008 verboten.

 

Hintertüren beim ungedeckten Leerverkauf

Allerdings gibt es durchaus Broker wie etwa Sino, ViTrade oder Interactive Brokers, die ungedeckte Leerverkäufe zumindest innerhalb eines Tages ermöglichen. "Wenn man die Aktien allerdings länger als einen Tag halten will, organisiert der Broker eine Leihe für den Anleger", erläutert Andreas Lipkow, der selbst lange im Aktienhandel tätig war.

Darüber hinaus gebe es am Markt auch noch andere Möglichkeiten, Aktien zu handeln, ohne sie zu leihen – etwa über Derivate auf die Papiere: "Das ist eine Hintertür, über die ungedeckte Leerverkäufe ebenfalls möglich sind." So können Anleger etwa mit hochspekulativen und komplizierten Differenzkontrakten (CFDs) Leerverkäufe tätigen, ohne den zugrunde liegenden Vermögenswert zu leihen.

In jedem Fall sind Leerverkäufe ein hochriskantes Geschäft – auch, wenn sie über eine Wertpapierleihe laufen. Denn statt zu fallen, kann der Wert einer Aktie auch steigen und das letztlich unbegrenzt. Verkauft ein Anleger daher seine geliehenen Aktien, weil er auf einen Kursverfall spekuliert – und steigt der Kurs dann, muss er die Papiere unter Umständen mit großem Verlust zurückkaufen. Den plötzlichen Zwang zum Rückkauf nennt man im Börsenjargon auch "Short Squeeze". Leerverkäufe sind daher stets auch eine gefährliche Wette.

Über den Chefredakteur Sebastian Schick

nach seinem Studium für das Lehramt an Gymnasien mit der Fächerkombination Deutsch/Latein/Geschichte in Würzburg und Berlin entschied sich Sebastian Schick für den Journalismus. 2005 absolvierte er die Ausbildung zum Rundfunkjournalisten an der Akademie für Neue Medien in Kulmbach. Direkt im Anschluss volontierte er beim Deutschen Anleger Fernsehen (DAF), wo er sich in seiner zehnjährigen Laufbahn ein umfangreiches Fachwissen zum Thema Geldanlage und Börse aneignete. 2014 baute er in Kooperation mit dem Kurier Medienhaus als Chefredakteur und Moderator den österreichischen TV-Sender DAF-Austria mit auf. 2016 wechselte er zur Biallo & Team GmbH und übernahm Mitte 2017 die Redaktionsleitung. 

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