Als der britische Programmierer Neil Papworth im Dezember 1992 die weltweit erste SMS mit der knappen Botschaft „Merry Christmas“ versendete, hätte er sich wohl nicht träumen lassen, dass seine Kurznachricht einem Käufer einmal mehr als 100.000 Euro wert sein würde. Und schon gar nichts hätte Papworth damals mit dem Kürzel NFT anfangen können. Nun – knapp 30 Jahre nach ihrem Versand – wurde seine SMS pünktlich zu Weihnachten für 107.000 Euro versteigert, und zwar im Format eines NFT.
NFT haben sich innerhalb weniger Jahre zum digitalen Megatrend entwickelt und gerade im zurückliegenden Jahr mit enormen Verkaufserlösen für immer neue Superlative gesorgt. Die Abkürzung NFT steht für Non-Fungible Token und bezeichnet einen nicht-austauschbaren digitalen Vermögenswert. Einen NFT kann man sich als digitale Urkunde vorstellen, die bestimmte Eigentums- oder Nutzungsrechte dokumentiert.
Meistens werden NFT verwendet, um virtuelle Vermögenswerte digital zu „verbriefen“ – in der Kryptowelt spricht man von „tokenisieren“. Bei den zugrunde liegenden Werten kann es sich zum Beispiel um digitale Kunstwerke wie Designs, Videoclips oder andere Objekte handeln, die in den virtuellen Welten des Internets benutzt werden, wie etwa die Ausstattung für Spielfiguren in einem Videospiel. Aber die Einsatzmöglichkeiten von Non-Fungible Token gehen weit darüber hinaus: So lassen sich selbst die Rechte an Immobilien, einem Auto oder sogar der eigenen Arbeitskraft „tokenisieren“.
Was ist ein Token?
Ein Token ist im Kryptouniversum eine digitale Wertmarke. Die verwendete Technologie basiert auf der von Kryptowährungen bekannten Blockchain. Die Blockchain oder Blockkette wird regelmäßig aktualisiert, neue Transaktionen werden dabei protokolliert und als neuer, unveränderlicher Block an die bestehende Kette angefügt.
Da jeder so hinzugefügte Informationsblock alle vorherigen Blöcke beinhaltet und auf einer Vielzahl von verbundenen Rechnern dezentral gespeichert wird, ist eine Fälschung nahezu ausgeschlossen. Ein entscheidender Vorteil der „Tokenisierung“ liegt darin, dass die auf diese Weise digitalisierten Besitz- und Verfügungsrechte einfach zu überprüfen und nahezu grenzenlos handelbar sind.
Was bedeutet fungibel und nicht fungibel?
In der Kryptowelt gibt es grundsätzlich zwei Arten von Token: fungible („austauschbare“) Token (FT) und nicht-fungible („nicht-austauschbare“) Token (NFT). Zu den fungiblen Token gehören beispielsweise die Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ether. Hier sind alle Einheiten einer Währung standardisiert und damit untereinander vollständig austauschbar: Ein Bitcoin lässt sich gegen jeden anderen Bitcoin tauschen, genau wie bei klassischem Papiergeld ein Euro immer einem Euro entspricht.
In diesem Punkt unterscheiden sich nicht-fungible Token. Hier steht jeder Token für ein Unikat, denn jeder NFT bildet die Rechte an einem einzigartigen und damit nicht beliebig austauschbaren Vermögenswert ab: Ein digitales Kunstwerk lässt sich ebenso wenig austauschen, wie man zum Beispiel einen Picasso nicht in ein beliebig anderes Gemälde tauschen kann.
Auf den ersten Blick mag es dennoch merkwürdig erscheinen, viel Geld für ein digitales Bild oder ein animiertes GIF auszugeben, von dem man auch einfach per Screenshot eine Kopie machen oder das man aus dem Internet herunterladen könnte. Denn in der Regel sind die eigentlichen digitalen Werke wie Bilder oder animierte Grafiken weiter frei im Internet verfügbar. Tatsächlich dokumentiert der NFT aber den Besitz oder vielmehr ein bestimmtes Recht am Original, was für Sammler und Investoren wichtig ist.
Wie entstehen NFT und wie werden sie gehandelt?
Um beim Bild zu bleiben: Es macht schließlich wie im Internet auch in der traditionellen Kunst einen großen Unterschied, ob man einen echten Picasso oder nur eine hochwertige Kopie besitzt.
Zum Entstehen eines NFT braucht es daher zunächst den Besitzer des Originals, bei einem digitalen Kunstwerk ist das in der Regel der Künstler selbst. Der rechtmäßige Besitzer oder Urheber muss das digitale oder digitalisierte Werk gegen eine Gebühr auf einer virtuellen Handelsplattform hochladen – eben „tokenisieren“. Würde man dagegen einfach eine x-beliebige Kopie aus dem Internet „tokenisieren“ und als NFT veräußern, so würde das natürlich die Urheberrechte des Kunstschaffenden verletzen. Grafiken und Bilder werden in der Regel komplett als sogenannte „single NFT“ angeboten, manchmal veräußern Künstler aber auch mehrere Teile oder eine bestimmte Anzahl an signierten Kopien als „multiple NFT“. Während in Fachkreisen verschiedene rechtliche Aspekte rund um NFT noch diskutiert werden, rechnen Experten für die Zukunft mit einer zunehmenden Standardisierung.
Die meisten NFT basieren auf Blockchains, die auch für konkrete Kryptowährungen verwendet werden. Besonders beliebt ist dabei die Ethereum-Blockchain der weitverbreiteten Kryptowährung Ether. Es versteht sich von selbst, dass digitale Kunstwerke meist auch mit digitalen Zahlungsmitteln bezahlt und auf digitalen Plattformen gehandelt werden. Wer in NFT investieren oder NFT aus Interesse oder Sammelleidenschaft kaufen möchte, braucht dazu zunächst einmal ein eigenes Wallet, also eine digitale Brieftasche für Kryptowährungen. Gelistet und gehandelt werden NFT auf verschiedenen digitalen Marktplätzen wie OpenSea.io oder Crypto.com.
Eignen sich NFTs als Kapitalanlage?
Der NFT-Markt erlebte in den zurückliegenden Monaten einen regelrechten Hype. Im Fokus steht dabei die digitale Kunst. Angesichts der Rekordpreise, die manche NFT bei Auktionen erzielten, liegt es nahe, sich mit digitaler Kunst als Geldanlage zu beschäftigen. Da es sich um einen sehr jungen Trend handelt, fehlt es an längerfristigen Erfahrungswerten.
Die Befürworter von NFT als Geldanlage gehen davon aus, dass der NFT-Boom noch weit am Anfang steht und NFT daher gerade für frühe Einsteiger großes Wertpotenzial bergen. Dagegen warnen die zahlreichen Skeptiker davor, dass die teilweise astronomischen Summen, die bereits heute für animierte Grafiken oder digitale Designs bezahlt werden, eine riesige Spekulationsblase darstellen. Denn letztlich ist ein NFT kein Wert an sich, sondern ist immer nur so viel wert, wie ein Käufer dafür auszugeben bereit ist.
Allein Angebot und Nachfrage bestimmen also den Preis. Das gilt zwar zu einem gewissen Grad auch für Wertpapiere wie etwa Aktien, allerdings verbriefen diese einen Eigenkapitalanteil an einem Unternehmen und eine Teilhabe an den potenziellen künftigen Unternehmensgewinnen. Als Kapitalanlage sind NFT eine sehr spekulative Investition, die nur versierte Kenner der digitalen Kunstwelt ernsthaft erwägen sollten.
Beispiele für NFT als digitaler Besitznachweis
Der große praktische Vorteil von NFT liegt vor allem in der digitalen und sehr effizienten Handelbarkeit und Überprüfbarkeit der Besitzverhältnisse. Diese machen sich Anbieter und Nachfrager auf vielfältige Weise zu Nutzen. So gibt es beispielsweise Designer, die ihre Arbeitszeit als NFT im Internet anbieten. In der Kunstwelt bieten NFT den Künstlern neue Möglichkeiten, ihre Objekte unabhängig von Galerien einem globalen Publikum direkt anzubieten oder auch an Wiederverkäufen mitzuverdienen.
Popularität erlangten Non-fungible Token aber vor allem durch digitale Kunstwerke, die für umgerechnet Millionen von Euro verkauft wurden. So erzielte Anfang 2021 die digitale Collage „Everydays: The First 5000 Days“ des amerikanischen Künstlers Mike Winkelmann alias Beeple in einer Auktion rund 42.000 Ether, was zum Auktions-Zeitpunkt etwa 69 Millionen US-Dollar entsprach.
Anfang Dezember 2021 stellte der anonyme Online-Designer Pak mit seinem Werk „Merge“ mit einem Gesamterlös von rund 91 Millionen US-Dollar einen neuen Rekord für digitale Kunst auf. Das Besondere an dieser Auktion war, dass das Werk in zahlreiche Einheiten aufgeteilt war. Insgesamt kauften knapp 29.000 Käufer bei der Auktion mehr als 300.000 Einheiten. „Merge“ und „Everydays: The first 5000 Days“ zählen damit zu den teuersten Werken lebender Künstler überhaupt.
Wie nah Hype und Hybris bei NFT beisammen liegen, zeigt auch das Beispiel eines Werkes des berühmten britischen Streetart-Künstlers Banksy. Eine Blockchain-Firma kaufte das Banksy-Bild „Morons“ für rund 95.000 US-Dollar. Anschließend wurde das Originalwerk in einer Art virtuellem Kunsthappening verbrannt und die Rechte am digitalen Bild wurden als NFT für rund 380.000 US-Dollar versteigert. Das Banksy-Werk selbst zeigt eine Kunstauktion; auf einem Schild neben dem Auktionator ist übersetzt zu lesen: „Ich kann nicht glauben, dass ihr Idioten das wirklich kauft.“