Widerrufsjoker Immobilienkredit: Wann das ewige Widerrufsrecht noch gilt
Annette Jäger
Autorin
Aktualisiert am: 23.06.2021
Auf einen Blick
Aufgrund von Fehlern bei der Widerrufsbelehrung in Immobiliendarlehensverträgen können betroffene Verbraucher den Vertrag widerrufen und rückabwickeln. Das kann sich bei Verträgen mit hohen Zinsen lohnen.
Darlehensverträge mit fehlerhafter Widerrufsbelehrung, die zwischen 11. Juni 2010 und 20. März 2016 geschlossen wurden, können Verbraucher unbefristet widerrufen – auch heute noch. Für später abgeschlossene Verträge wurde die Widerrufsfrist auf ein Jahr und 14 Tage begrenzt.
Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26. März 2020 eröffnet möglicherweise weitere Widerrufsmöglichkeiten. Dem steht jedoch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entgegen. Weitere Urteile bleiben abzuwarten.
Ein Widerruf bietet sich für alle an, die vor Jahren einen Kreditvertrag zu einem deutlich höheren Zinssatz abgeschlossen haben, als dies heute möglich ist. Aber auch für jene, die ihre Immobilie verkaufen müssen und die teure Vorfälligkeitsentschädigung umgehen wollen.
Darum geht es bei der fehlerhaften Widerrufsbelehrung bei Immobilienkrediten
Jeder Verbrauchervertrag lässt sich widerrufen. Dafür gilt eine Frist von 14 Tagen. Wie der Widerruf zu erfolgen hat, muss im Vertrag beschrieben sein. In vielen Immobilienkreditverträgen von Banken und Sparkassen ist diese sogenannte Widerrufsbelehrung in der Vergangenheit jedoch nicht nach den gesetzlichen Anforderungen erfolgt. Dadurch hat die gesetzliche Widerrufsfrist nie begonnen zu laufen und kann demnach auch nicht auslaufen. Denn die Widerrufsfrist beginnt mit dem Erhalt der korrekten Widerrufsbelehrung. Aufgrund einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung haben Verbraucher somit das Recht, einen Darlehensvertrag auch noch lange Zeit nach Vertragsabschluss zu kündigen. Das kann enorme finanzielle Vorteile bringen, mitunter tausende Euro im Einzelfall.
Haben Kreditnehmer den Vertrag zum Beispiel schon vor Jahren abgeschlossen, als die Zinsen noch deutlich höher waren als heute, haben sie dadurch die Chance, den Vertrag zu widerrufen, rückabzuwickeln, einen neuen Darlehensvertrag abzuschließen und so von dem heute niedrigen Zinsniveau zu profitieren. Wollen Kreditnehmer den Vertrag ohnehin auflösen, etwa weil sie ihr Haus verkaufen müssen, können sie durch den Widerruf auch um eine eventuell anfallende Vorfälligkeitsentschädigung herumkommen. Sie müssen den Vertrag nicht kündigen, sondern können ihn einfach widerrufen und so viel Geld sparen.
Fällt eine Vorfälligkeitsentschädigung an?
Ob und in welcher Höhe bei der Kündigung einer Immobilienfinanzierung eine Vorfälligkeitsentschädigung fällig würde, können Kreditnehmer zum Beispiel mit dem kostenlosen Rechner von
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Kommt es tatsächlich zu einem Widerruf, wird der gesamte Vertrag rückabgewickelt: Der Kreditnehmer zahlt die Darlehenssumme zurück samt noch nicht geleisteter Zinsen auf die Restschuld. Die Bank erstattet alle bereits getilgten Raten samt Zinsen plus den sogenannten Nutzungsersatz. Denn die Bank hat ja mit den gezahlten Zinsen Gewinne erzielt. Der Kreditnehmer benötigt natürlich eine Anschlussfinanzierung, damit diese Zahlungen auch zu leisten sind.
Widerrufsrecht: Diese Fristen gelten beim Widerruf von Immobiliendarlehen
Widerrufsrecht bei Verträgen ab 21. März 2016
Der 21. März 2016 war ein wichtiger Stichtag. Seitdem gilt die Wohnimmobilienkreditrichtlinie: Bei einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung gilt bei Kreditverträgen, die nach diesem Stichtag unterschrieben wurden, nurmehr ein Widerrufsrecht von einem Jahr und 14 Tagen. Allerdings gibt es nicht mehr so viele fehlerhafte Verträge wie früher. Auch die Banken haben nachgebessert.
Widerrufsrecht bei Verträgen zwischen 11. Juni 2010 und 20. März 2016
Für Darlehensverträge, die in diesem Zeitraum geschlossen wurden, gilt weiterhin das sogenannte ewige Widerrufsrecht. Das Recht auf Widerruf verfällt also nicht mit einem bestimmten Stichtag. In diesen Zeitraum fallen viele Verträge mit fehlerhaften oder nicht ausreichenden Widerrufsbelehrungen. Vor allem in den Jahren 2010 bis 2013 sollen Hundertausende solcher Verträge abgeschlossen worden sein. Viele davon wurden aber auch schon in der Vergangenheit widerrufen und rückabgewickelt.
Biallo-Tipp: Noch ein weiterer Grund kann möglicherweise einen Widerruf auslösen: Im März 2018 hat der BGH eine Klausel zur sogenannten Aufrechnung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Sparkasse für unwirksam erklärt (AZ.: XI ZR 309/16). Die Klausel sei unwirksam, weil sie das Widerrufsrecht des Kunden unzulässig erschwert. Angewendet auf die Baufinanzierung hat in der Folge das Landgericht Ravensburg in einem Urteil im September 2018 (AZ.: 2 O 21/18) festgestellt, dass damit die komplette Widerrufsbelehrung in solchen Verträgen nicht korrekt ist und somit die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt.
Fazit: Auch Jahre nach Abschluss einer Baufinanzierung kann diese möglicherweise widerrufen werden. Lassen Sie Ihren Vertrag kostenlos und unverbindlich von der spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei Gansel überprüfen:
Für Verträge, die vor dem 11. Juni 2010 geschlossen wurden, ist die Widerrufsfrist bereits verstrichen. In den meisten Verträgen, die vor 2002 geschlossen wurden, war die Widerrufsbelehrung noch keine Pflicht im Vertragstext.
Biallo-Tipp: Ein BGH-Urteil vom Februar 2018 erlaubt es in speziellen Fällen dennoch, den Vertrag zu widerrufen. Nämlich dann, wenn der Vertrag zwischen November 2002 und 10. Juni 2010 im Fernabsatzgeschäft geschlossen wurde und zudem fehlerhafte Angaben enthält (Az.: XI ZR 160/17). Fernabsatzgeschäft heißt: Es gab nie einen persönlichen Kontakt zwischen Kunde und Bank. Der Kreditvertrag wurde per Telefon, Post oder E-Mail geschlossen. Direktbanken wie ING, aber auch die DSL Bank und die DKB haben in der Vergangenheit solche – oftmals fehlerhaften – Verträge geschlossen.
Übrigens
Bei einem Widerruf können auch bereits bezahlte Vorfälligkeitsentschädigungen noch zurückerstattet werden, wenn der Vertrag eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung enthielt. Dann kann der Vertrag noch nachträglich widerrufen werden und die Bank muss die Vorfälligkeitsentschädigung erstatten. Hier gilt eine Verjährungsfrist von drei Jahren.
Das hat es mit dem sogenannten Widerrufs-Joker auf sich
Die Möglichkeit des Widerrufs wird häufig als Widerrufs-Joker bezeichnet: Verbraucher erhalten damit die einmalige Chance, aus einer ungünstigen Baufinanzierung auszusteigen, deren Raten sie andernfalls noch jahrelang tilgen müssten. Vor allem bei Kreditverträgen, die schon lange laufen, kann allein die Zinsersparnis in die Tausende gehen. Nämlich dann, wenn Verbraucher den Kredit zu einer Zeit abgeschlossen haben, als ein noch deutlich höheres Zinsniveau galt als heute. Durch den Widerruf haben Häuslebauer in der jetzigen Niedrigzinsphase die Chance, einen neuen Kredit zu wesentlich günstigeren Konditionen zu erhalten. Als Joker gilt der Widerruf auch deshalb, weil Verbraucher um die teure Vorfälligkeitsentschädigungen herumkommen können: Müssen sie ihre noch nicht abbezahlte Immobilie aufgrund von Tod, Scheidung, Jobverlust oder Arbeitsplatzwechsel notgedrungen verkaufen, fällt regelmäßig eine Vorfälligkeitsentschädigung an. Eine Entschädigung für die Bank oder Sparkasse, weil der Vertrag vorzeitig aufgelöst wird. Entschädigt wird hier der Zinsverlust während der Zinsbindungsfrist. Gelingt der Widerruf des Kredits, entfällt die Vorfälligkeitsentschädigung.
Beispiele für fehlerhafte Widerrufsbelehrungen
Oft sind es einfach Formfehler, die den Banken bei der Widerrufsbelehrung unterlaufen sind. Hier einige Beispiele für Fehler, die unter Umständen einen Widerruf möglich machen könnten:
In früheren Widerrufsbelehrungen einiger Banken findet sich ein Verweis auf die "zuständige Aufsichtsbehörde". Diese Behörde muss namentlich konkret benannt sein.
Wenn Darlehensverträge mit Bausparkassen Konditionen bzw. den Zins "bis zur Zuteilung" festschreiben.
Es fehlen Angaben zur Laufzeit oder zum Kündigungsrecht.
Die Rechtsfolgen des Widerrufs sind nicht erläutert oder falsch dargestellt.
Wie eine Widerrufsbelehrung zu erfolgen hat, ist in Paragraph 355 "Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen" im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert. Die Rechtsprechung hat den dort formulierten Gesetzestext noch konkretisiert. Demnach müssen Voraussetzungen erfüllt sein, damit der Widerruf korrekt ist. Hier einige Beispiele.
Die Widerrufsbelehrung muss:
Rechte und Pflichten benennen, optisch hervorgehoben und gut erkennbar sein.
informieren, dass der Kreditnehmer den Vertrag innerhalb von zwei Wochen (14 Tagen) ohne Angaben von Gründen schriftlich widerrufen kann.
informieren, dass die Einhaltung der Frist gewahrt ist, wenn der Widerruf rechtzeitig abgesendet wurde.
informieren, dass die Widerrufsfrist zu dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Kreditnehmer auch seinen unterschriebenen Kreditvertrag in den Händen hält. So hat der Bundesgerichtshof zum Beispiel im Jahr 2002 die in vielen Musterverträgen verwendete Formulierung "Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung" als unzureichend beurteilt. Gerade bei der Benennung des Beginns der Widerrufsfrist in den Darlehensverträgen sind viele Fehler unterlaufen.
für den Kreditnehmer verständlich und nachvollziehbar sein.
eine ordentliche Anschrift der Bank oder der Sparkasse enthalten. Eine Telefonnummer oder eine Postfachanschrift genügt nicht. Denn der Kreditnehmer muss ja die Chance haben, seinen Widerruf – so wie verlangt – schriftlich adressieren zu können.
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EuGH-Urteil vom 26. März 2020: Bessere Widerrufschancen?
Wichtig: Es gibt weiterhin noch Finessen in der Rechtsauffassung, was die Widerrufsbelehrung in Verträgen betrifft. So hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) per Urteil am 26. März 2020 (Aktenzeichen C-66/19) entschieden, dass in einem Kreditvertrag die Modalitäten zur Berechnung der Widerrufsfrist genannt sein müssen. Der Verweis auf nationale Vorschriften sei nicht ausreichend. Entsprechend könnten sich neue Möglichkeiten für einen Widerruf ergeben. Dies steht jedoch einem vorangegangenem Urteil des Bundesgerichtshof (BGH) entgegen. Bereits 2016 hatte der BGH geurteilt (Aktenzeichen XI ZR 434/15), die Formulierung, dass die Widerrufsfrist "nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hat", sei wirksam. Der Widerrufsjoker wäre also keine Option Per Beschluss vom 31. März 2020 (Aktenzeichen XI ZR 581/18) erachtet dieser im vorliegenden Falle eines Immobilienkredites nationales Recht und nicht Unionsrecht als ausschlaggebend. Bei Immobiliendarlehen sei nicht die Verbraucherkreditrichtlinie maßgeblich. Entsprechend bleibe es bei den Grundsätzen des nationalen Rechts, wonach die Widerrufsbelehrung klar und verständlich sein muss. Auf die oben genannte Formulierung würde dies entsprechend zutreffen. Weitere Rechtsurteile dazu bleiben abzuwarten.
Verbraucher sollten unbedingt von einer Verbraucherzentrale oder einem spezialisierten Anwalt prüfen lassen, ob ihr Darlehensvertrag Chancen auf einen Widerruf hat.
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Für wen lohnt sich der Widerruf einer Immobilienfinanzierung?
Sind die Voraussetzungen für den Widerruf eines Immobilienkredits gegeben, kann sich dieser unter verschiedenen Voraussetzungen lohnen:
Der Kreditnehmer hat das Immobiliendarlehen bereits vorzeitig zurückgezahlt und möchte die dabei angefallene Vorfälligkeitsentschädigung zurückerhalten.
Der Verkauf der Immobilie ist geplant. Dabei soll die Restschuld durch den Verkaufserlös vorzeitig zurückgezahlt werden. Da der Kredit jedoch noch länger läuft, würde eine hohe Vorfälligkeitsentschädigung anfallen.
Der Kreditnehmer möchte vom aktuell günstigen Zinsniveau profitieren und in eine günstigere Finanzierung wechseln.
Achtung: Das Geldinstitut kann bei einem Widerruf die Rückzahlung der Kreditsumme innerhalb von 30 Tagen verlangen. Die Anschlussfinanzierung muss also unbedingt vorab gesichert sein. Darauf weisen die Verbraucherzentralen auf ihrer Internetseite hin. Ansonsten drohe die Zwangsversteigerung der Immobilie. Es kann vorkommen, dass es bei der Suche nach einer Anschlussfinanzierung Schwierigkeiten gibt. Laut den Verbraucherzentralen hätten Kreditinstitute zeitweise Darlehen verweigert, wenn sie erfahren hätten, dass der bisherige Vertrag widerrufen wurde.
Fazit: Betroffene Kreditnehmer sollten einen Widerruf nur in Begleitung eines spezialisierten Anwalts machen. Er kann die Chancen und Risiken abschätzen.
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Wird der Anwalt nach einer Erstberatung weiter tätig, etwa weil die Bank den Widerruf ablehnt, hängt sein Honorar vom Streitwert ab. Das ist in dem Fall die noch offene Darlehenssumme. Anwalts- und Gerichtkosten gehen schnell in die Tausende. Hat die Bank den Widerruf verweigert, obwohl der Kreditnehmer im Recht ist, muss die Bank die Kosten des Rechtsstreits übernehmen. Ob es sich lohnt, den Kreditvertrag auch mit dem Risiko eines langen Rechtsstreits zu widerrufen, sollte jeder für sich selbst abwägen. Verbraucher müssen sich darauf einstellen, dass ein Prozess durchaus mehrere Instanzen durchlaufen kann. Haben Kreditnehmer einmal den Klageweg bestritten, sollten sie ihn auch zu Ende gehen. Falls sie vorzeitig aufgeben, bleiben sie nämlich auf jeden Fall auf den Kosten sitzen.
Widerruf von Immobilienkrediten: Ein guter Anwalt ist wichtig
Ist die Widerrufsbelehrung tatsächlich fehlerhaft, kommt ein Widerruf des Darlehensvertrags in Frage. Leider lässt sich ein Immobilienkredit in vielen Fällen nicht so einfach durch einen Brief an die Bank oder Sparkasse rückabwickeln. Oft einigen sich Kreditgeber und Kreditnehmer zwar in einer außergerichtlichen Einigung. In vielen Fällen bieten die Banken tatsächlich an, den fehlerhaften Kreditvertrag rückabzuwickeln und in ein Darlehen mit günstigen Zinskonditionen umzuwandeln. Wenn die Konditionen insgesamt stimmen – nicht nur der Zinssatz – ist dagegen nichts zu einzuwenden.
Manchmal ist aber auch ein Rechtsstreit die Folge. Spätestens dann benötigen Verbraucher einen erfahrenen Anwalt an ihrer Seite, damit der Widerruf auch gelingt. Wichtig ist dabei, einen Anwalt zu finden, der sich mit der Materie auskennt und bereits erfolgreich Prozesse zu dem Thema geführt hat. Diese Kanzlei findet man über eine Recherche im Internet. Wer eine Rechtsschutzversicherung hat, kann in den Versicherungsbedingungen nachlesen, ob ein Rechtsbeistand in diesem Fall gedeckt ist.
Widerruf von Immobilienkrediten: Das leisten Rechtsschutzversicherer
Falls es zu einem Rechtsstreit kommt, erweist sich eine Rechtsschutzversicherung als hilfreich. Allerdings decken nicht mehr viele Versicherer den Darlehenswiderruf. Wer einen älteren Vertrag hat, hat größere Chancen auf eine Deckung als dies bei neu abgeschlossenen der Fall ist. Ob der Widerruf gedeckt ist, lässt sich in den Versicherungsbedingungen nachlesen. Versicherungsnehmer können ihren Versicherer auch einfach fragen. Eine eventuelle Deckungszusage samt Bedingungen sollten sie sich schriftlich geben lassen. Wir hatten 2018 eine Befragung der führenden Rechtsschutzversicherer durchgeführt. Das Ergebnis war facettenreich. Einige Versicherer boten die Deckung nicht mehr an. Dazu gehört die Örag, die Auxilia und die WGV. Daneben gab es Rechtsschutzversicherer, die keine Angaben machen wollten, als Erklärung wurden Zeit- oder Kapazitätsgründe genannt. Dazu gehören die Allianz, R V, die Württembergische, DMB Rechtsschutz, die Advocard und die Deurag. Und dann gab es tatsächlich die Anbieter, die den Schadensfall decken. Dazu gehörten Roland Rechtsschutz, die Debeka, die Arag, die Huk Coburg, die Huk24, die Bruderhilfe und die DAS (Stand: März 2018)
Bei allen Anbietern ist der Rechtsfall im Privat-Rechtsschutz verankert. Die Versicherer schränken ihre Deckungszusage meist ein. So besteht kein Schutz bei Finanzierungen von Neu- oder größere Umbauten. Es ist lediglich die Finanzierung der selbstbewohnten Bestandsimmobile versichert. Es muss sich also um eine gebrauchte Immobilie handeln.
Fehlerhafte Widerrufsbelehrung: Wann liegt ein Rechtsschutzfall vor?
Ein Knackpunkt in der Rechtsschutzversicherung ist immer die Frage, wann ein Rechtsschutzfall eingetreten ist. Erst dann sind Leistungen aus dem Vertrag abzurufen (außer ein Versicherer deckt auch eine anwaltliche Erstberatung ab). Der Bundesgerichtshof (BGH) hat festgelegt, dass der Rechtsfall beim Widerruf von Darlehensverträgen dann eintritt, wenn die Bank oder Sparkasse den Widerruf ablehnt (Az. IV ZR 37/07 und IV ZR 23/12). Das heißt: Der Kreditvertrag muss nicht zwingend vor Abschluss der Rechtsschutzversicherung unterschrieben worden sein. Wichtig ist, dass der Versicherungsnehmer den Widerruf selbst schriftlich formuliert und an die Bank adressiert. Und vor allem: Dass er gegenüber der Versicherung auch den abgelehnten Widerspruch der Bank als Rechtsverstoß deklariert und nicht den vor vielleicht fünf Jahren abgeschlossenen Kreditvertrag, bei dem falsch belehrt wurde. Bei unserer Abfrage äußerten sich die Rechtsschutzversicherer unterschiedlich zur Frage des Rechtsfalls. Drei Beispiele:
Nach Experteneinschätzung ist die Einschränkung der Deckungszusage der Debeka klar formuliert. Der Versicherungsnehmer wird es hier nicht so einfach haben, Rechtsschutz für einen Widerruf zu erhalten, der länger als ein Jahr zurückliegt. Die Einschränkung der Arag klingt dagegen pauschal und erscheint mit dem BGH-Urteil nicht vereinbar. Grundsätzlich gilt: Sollte ein Rechtsschutzversicherer die Deckung verweigern und als Argument anführen, dass der Darlehensvertrag vor Abschluss der Rechtsschutzversicherung erfolgte, lohnt sich ein weiteres Schreiben an den Versicherer. Darin sollte der Versicherungsnehmer klar anführen, dass der Rechtsverstoß erst mit der Ablehnung des Widerspruchs entstanden ist und dass dies mit dem BGH-Urteil so Gültigkeit hat.
Roland Rechtsschutz
"Grundsätzlich muss der Eintritt des Rechtsschutzfalls im versicherten Zeitraum liegen. Dies ist der Zeitpunkt, zu dem der Versicherungsnehmer oder der Gegner erstmalig gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften verstoßen hat oder verstoßen haben soll. Dies muss nicht der Zeitpunkt des Widerrufs des Kreditvertrages bzw. dessen Zurückweisung sein."
Debeka
"Der aktuelle Rechtsschutz-Tarif der Debeka deckt Streitigkeiten in ursächlichem Zusammenhang mit Widerrufen von Darlehensverträge nur dann ab, wenn der Widerruf nicht später als ein Jahr nach dem Abschluss des Darlehensvertrages erfolgt."
Arag
"Kein Versicherungsschutz, wenn der Kreditvertrag bereits vor Abschluss des Rechtsschutzvertrages abgeschlossen wurde."
Biallo-Tipp
Natürlich muss der Versicherer grundsätzlich nur leisten, wenn nach Abschluss des Vertrags die normalerweise übliche Wartezeit von drei Monaten verstrichen ist.
So funktioniert der Widerruf Schritt für Schritt
Vertrag prüfen: Verbraucher sollten als erstes ihren Vertrag auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung hin überprüfen lassen.
Anschlussfinanzierung sicherstellen: Liegt eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung vor, sollte sich der Kreditnehmer direkt ein Angebot einer Anschlussfinanzierung machen lassen. Denn wenn der Widerruf erfolgreich ist, ist die Darlehenssumme oft innerhalb von 30 Tagen zurückzubezahlen.
Widerruf formulieren: Den Widerruf des Darlehensvertrags kann der Kreditnehmer selbst machen: schriftlich und per Einschreiben/Rückschein. Dafür gibt es Musterschreiben, auch ein Anwalt kann beraten.
Widerruf abgelehnt: Erst wenn die Bank den Widerruf ablehnt, kommt der Anwalt ins Spiel. Dann steht ein Rechtsstreit an.
Die wichtigsten Fragen & Antworten zum Thema Widerrufsbelehrung
Woher weiß ich, ob mein Vertrag betroffen ist?
Wann eine Widerrufsbelehrung fehlerhaft erfolgt ist oder nicht, ist für den Laien kaum zu erkennen. Hier geht es um juristische Finessen. Sie sollten hier Expertenunterstützung in Anspruch nehmen. Die spezialiserte
Anwaltskanzlei Gansel Rechtsanwälte* prüft Ihren Vertrag kostenlos und unverbindlich und gibt Empfehlungen.
Wie reagiert meine Bank, wenn ich den Kredit kündigen will? Ich habe dort auch andere Konten und Verträge laufen.
Die Reaktion Ihrer Bank kann höchst unterschiedlich ausfallen. Sie kann sich kulant zeigen und Ihnen einen neuen Kreditvertrag zu guten Konditionen anbieten. Sie kann sich aber auch quer stellen und Ihnen das Leben bei künftigen, anderen Kreditverhandlungen schwer machen. Ihre bestehenden Konten einfach kündigen darf sie hingegen nicht. Ist das Verhältnis zwischen Ihnen und Ihrer Bank nachhaltig geschädigt, bleibt Ihnen als einzige Option, sich eine andere Bank zu suchen.
Was passiert, wenn ich meinen Kredit schon gekündigt habe und bereits eine Vorfälligkeitsentschädigung bezahlt habe?
Sogar bei bereits abgewickelten Darlehensverträgen kann es im Einzelfall noch zu Rückzahlungen kommen. War im einst geschlossenen Vertrag die Widerrufsbelehrung fehlerhaft, kann der Vertrag auch noch nachträglich gekündigt werden. Es wird dann auch die Vorfälligkeitsentschädigung zurückbezahlt. Sollte die Konstellation so sein, dass der Verkauf der Immobilie ansteht, Sie aber einen Widerruf des Kredits erwägen, sollten Sie zunächst alle Zahlungen leisten, auch die Vorfälligkeitsentschädigung. Erst dann gibt die Bank die Grundschuld frei. Sollte Ihr Widerruf berechtigt sein, lässt sich nachträglich immer noch alles rückabwickeln.
Erhalte ich bei einer anderen Bank auch problemlos einen Anschlusskredit?
Die Anschlussfinanzierung muss nicht stehen, bevor Sie den Kreditvertrag widerrufen. Es wäre aber gut, ein Angebot in der Tasche zu haben. Das sollte auch kein Problem sein, vorausgesetzt, es hat sich nichts an Ihrer finanziellen Situation verändert, die einen Anschlusskredit gefährden könnte, etwa Arbeitslosigkeit, eine Selbstständigkeit oder Berufsunfähigkeit. Ist dies der Fall, sollten Sie sich vor dem Widerruf eine verbindliche Kreditzusage geben lassen. Mit diesem Angebot zur Anschlussfinanzierung können Sie durchaus zu Ihrer Bank gehen und verhandeln, dass Ihre Bank den fehlerhaften Kreditvertrag umwandelt in einen neuen Vertrag mit günstigeren Konditionen.
Soll ich meine Raten weiterzahlen, auch wenn ein Rechtsstreit um den Widerruf läuft?
Unbedingt sind die Raten weiter zu bezahlen, so lange kein Rechtsurteil vorliegt und der Vertrag nicht rückabgewickelt wurde. Schließlich kann es ja auch passieren, dass Sie als Kreditnehmer vor Gericht nicht Recht bekommen. Dann würden Sie sich durch die nicht bezahlten Raten in eine missliche Lage bringen.
Was kann ich tun, wenn ich keine Rechtsschutzversicherung habe und mir die Anwaltskosten nicht leisten kann?
Die Bankkontakt AG bietet Hilfe beim Prüfen und dem Widerruf von Kreditverträgen an. Das Unternehmen verlangt ein Honorar nur im Erfolgsfall, dann fallen 40 Prozent des finanziellen Erfolgs an, heißt es. Allerdings wägen die Prozesskostenfinanzierer streng ab, ob es sich finanziell für sie lohnt, in einen Rechtsstreit einzusteigen.
Wie lange kann es dauern, bis so ein Kreditwiderruf abgeschlossen ist?
Das kommt auf den Einzelfall an. Geht alles glatt, kann alles in wenigen Wochen abgewickelt werden. Kommt es zum Rechtsstreit durch die Instanzen, kann das auch Jahre dauern.
während meines Studiums der Neueren Geschichte in München begann ich als freie Journalistin zu arbeiten, unter anderem für die Süddeutsche Zeitung. Im Jahr 2000 kam ich zu biallo.de, damals waren Versicherungsthemen für mich Neuland, über Gesundheitspolitik las ich in der Zeitung oder bekam die Auswirkungen als Patientin zu spüren. Schnell stellte ich fest, dass der unverstellte Blick von außen durchaus von Vorteil ist bei der kritischen Aufbereitung dieser Themen. Bei Biallo schreibe ich noch immer über Versicherungen, Gesundheit und Soziales. Neuland sind diese Themen heute nicht mehr.