Bei welchem Anlagekriterium ist Greenwashing am leichtesten möglich?
Vogelsang: Das Problem ist, dass es für den sozialen oder ökologischen Erfolg des Investments derzeit noch keine einheitlichen Messstandards gibt. Wer herkömmliche Aktien oder Fonds kauft, orientiert sich üblicherweise an Finanzkennzahlen. Für sozialen und ökologische Return existieren keine solchen einheitlichen quantitativen oder qualitativen Kriterien. Ein Vergleich ist schwierig und mit großem Aufwand verbunden.
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Aber es lässt sich doch zum Beispiel leicht erfassen, wie viele Megawatt Ökostrom oder wie viele Hektar Bio-Ackerland durch ein Projekt hinzukommen?
Vogelsang: Auch der rein quantitative Ansatz hat seine Gefahren. Es kann durchaus sein, dass man zum Beispiel mit einer bestimmten Technologie auf dem Papier für sozialen oder ökologischen Mehrwert sorgt, aber nicht alle möglichen Konsequenzen – etwaige negative Entwicklungen – von vornherein berücksichtigt hat.
Nur ein Beispiel von vielen: Ich erinnere mich noch an ein Telemedizin-Pilotprojekt in Indien. Menschen sollten über das Internet Kontakt zu Ärzten haben. Nach einiger Zeit hat sich herausgestellt, dass die meisten die Technik nicht nutzen, weil sie direkt mit einem Arzt reden wollen.
Welche Renditeerwartungen sind realistisch?
Vogelsang: Meine Erfahrung ist, dass man für einen nachhaltigen sozialen Mehrwert gewisse Abstriche beim finanziellen Return machen muss.
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Welcher Entwicklungsbedarf besteht hinsichtlich der Marktstruktur für wirkungsorientiertes Investieren?
Vogelsang: Wir haben zum einen Mangel an investierbaren Sozialunternehmen, also Start-Ups, die Dienstleistungen zur Lösung sozialer Probleme kreieren. Zum anderen fehlt es an Unternehmen und Organisationen – wir sprechen von Intermediären – die nicht nur Geld von Investoren einsammeln und in Start-Ups leiten, sondern auch Organisationsentwicklung leisten. Vor allem weil solche Scharniere zwischen Kapital und Sozialunternehmen fehlen, hakt die Entwicklung. Diese Schaniere müssen passgenau sein.
Im Jahr 2015 zum Beispiel hat die KfW eine Co-Finance Facility für Sozialunternehmen aufgebaut. Es gab Kredite bis 250.000 Euro. Das Programm ist nach zwei Jahren eingestellt worden, weil die Nachfrage gering war. Das lag möglicherweise auch daran, dass viele Start-Ups so viel Geld gar nicht absorbieren können, für sie braucht man kleinere Ticketgrößen.
Welche Anlagemöglichkeiten kommen für Privatanleger in Betracht?
Vogelsang: Die Bandbreite ist inzwischen etwas größer geworden. Es hängt davon ab, was jemand mit dem Geld bewirken möchte. Und natürlich von der Renditeerwartung, der Risikobereitschaft und dem Anlagevolumen. Für Privatkunden bieten sich unter anderem Mikrofinanzfonds an.
Aber auch die haben zwei Seiten: Der Vorteil ist, dass es sich um ein reifes Marktsegment handelt, das es seit bald 40 Jahren gibt. Andererseits ist Mikrofinanz vielerorts nicht mehr das, was man sich darunter vorstellt, das alte romantische Bild sieht man längst nicht mehr überall.
Mikrokredite sind mehr und mehr zu Konsumentenkrediten geworden. Außerdem sind die laufenden Kosten im Vergleich zu herkömmlichen Aktien- oder Anleihenfonds teilweise recht hoch. Der Grund: Die Anbieter arbeiten teilweise in kaum erschlossenen Märkten. Entscheidungsrelevante Informationen sind oft nur vor Ort verfügbar. Der Personalaufwand ist entsprechend groß.
Herr Dr. Vogelsang, vielen Dank für das Gespräch.