Eine steigende Verschuldung bei Unternehmen und Staaten, Investoren, die auf der Jagd nach Rendite in riskante Anlagen drängen – und die zunehmende Unsicherheit durch den Handelskonflikt zwischen den USA und China: All diese Faktoren sorgen für Skepsis beim Internationalen Währungsfonds (IWF). In seinem jüngsten Finanzstabilitätsbericht warnt der IWF deshalb vor zunehmenden Gefahren für das weltweite Finanzsystem und damit auch für das Wachstum.
Der Währungsfonds, der derzeit in New York seine Herbsttagung abhält, hat dabei vor allem die dauerhaft niedrigen Zinsen im Blick. Sie hätten zwar einerseits lange Zeit die weltweite Konjunktur angekurbelt. Auf der anderen Seite sorgten sie jedoch auch dafür, dass institutionelle Investoren wie etwa Fonds höhere Risiken eingehen müssten.
Auf der Suche nach Rendite legen sie Geld in riskanteren Papieren an. Dies führe zu "Schwächen" an den Finanzmärkten, warnte der IWF. So habe die Suche nach höheren Renditen in einigen Märkten bereits zu übertriebenen Bewertungen geführt. Diese machten das Finanzsystem anfälliger für Krisen und gefährdeten so das Wachstum.
Niedrige Zinsen und die "unkonventionelle Geldpolitik der meisten Notenbanken" hätten "die Empfindlichkeiten und mögliche Schwachstellen im Finanzsystem vergrößert", meint auch Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der Direktbank ING. "Es wird nicht einfach, wieder zu einer normalen Situation zu gelangen, ohne dabei Schocks zu verursachen", sagte Brzeski gegenüber biallo.de.
Erstklassige Anleihen werfen keine Rendite mehr ab
Laut IWF werfen mittlerweile Anleihen von Firmen und Staaten im Wert von etwa 15 Billionen US-Dollar (13,5 Billionen Euro) keine positive Rendite mehr ab. Darunter leiden zum Beispiel Lebensversicherer, die das Geld ihrer Kunden anlegen müssen. Um vorzeigbare Wertsteigerungen zu erreichen, seien sie gezwungen, vermehrt in Anlagen mit geringerer Kreditwürdigkeit zu investieren, stellt der IWF fest.
Im Falle einer Krise könne es dabei zu starken Verkäufen kommen. Dies wiederum könnte den Abwärtstrend weiter verstärken. Das Finanzsystem sei bereits "ziemlich strapaziert", gibt auch Ökonom Brzeski zu bedenken. Sollte es zu Korrekturen an den Märkten kommen, sei auch das Wachstum gefährdet.
Lesen Sie auch: Immer mehr Banken und Sparkassen kassieren Negativzinsen
Niedrigzinsen bereiten aber nicht nur großen institutionellen Anlegern Probleme. Auch Privatanleger finden in Nullzins-Zeiten nur schwer attraktive Anlagemöglichkeiten für ihr Erspartes. Hinzu kommt: Auch viele Banken tun sich wegen der Zinssituation mit dem Geldverdienen schwer. Sie reagieren darauf mit höheren Gebühren für ihre Kunden. Einen Vorteil bringen die Niedrigzinsen hingegen für Kreditnehmer. So befinden sich etwa die Bauzinsen derzeit auf einem historischen Tief. Entsprechend gut läuft das Geschäft am Immobilienmarkt.
Lesen Sie auch: Die besten Bauzinsen