Das Jahr 2023 hatte es in sich – wirtschaftliche Unsicherheiten und Inflation gepaart mit dem nicht enden wollenden Krieg in der Ukraine sowie der blutige Angriff der Terrormiliz Hamas auf Israel, der einen Krieg im Gazastreifen entfachte. Konjunkturelle Eintrübungen und geopolitische Konflikte sind in der Regel keine guten Vorzeichen für die Börse. Dennoch ging es an den meisten Aktienmärkten 2023 deutlich bergauf, einem starken Jahresendspurt sei Dank.
Dax mit neuem Allzeithoch
So sprang der Deutsche Aktienindex Dax am 14. Dezember 2023 erstmals in seiner 35-jährigen Geschichte kurzzeitig über die 17.000-Punkte-Marke und konnte im Gesamtjahr 2023 um bis zu 22 Prozent zulegen. Der deutlich breiter gefasste US-Index S&P 500 legte um knapp ein Viertel zu und liegt ebenfalls auf Tuchfühlung mit seinem bisherigen Rekordhoch vom Januar 2022 bei 4.818 Punkten.
Ein wesentlicher Grund für die jüngste Kursrallye ist die Hoffnung auf baldige Zinssenkungen der Notenbanken. Nachdem die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen 2022 und 2023 drastisch nach oben geschraubt hatten, um die Inflation in den Griff zu bekommen, gab es von Seiten der Notenbanken zuletzt Signale, dass es mit der Zinswende aufgrund der sinkenden Teuerungsraten bald vorbei sein könnte.
Die Aussicht auf eine Lockerung der Geldpolitik verleiht Aktien grundsätzlich Rückenwind: Zum einen könnten die Unternehmen sich dann wieder günstiger finanzieren. Zum anderen würden festverzinsliche Papiere durch Zinssenkungen an Attraktivität verlieren. Mit der Folge, dass sich Investoren wieder stärker auf renditeträchtige Aktien fokussieren, was wiederum die Aktienkurse tendenziell nach oben treibt.
Was Experten für das Börsenjahr 2024 erwarten
„Die Inflation kühlt sich ab und die Anleger bleiben optimistisch gestimmt, was einen Kurswechsel der Notenbanken in der Geldpolitik angeht“, sagt Konstantin Oldenburger, Marktanalyst beim Broker CMC Markets. Damit halte sich auch die Erwartung im Markt, dass die Fed die Zinssätze im Jahr 2024 mehrfach senken wird. „Diese Entwicklung ist allerdings längst nicht in Stein gemeißelt und wird höchstwahrscheinlich zumindest nicht in diesem Ausmaß stattfinden“, so Oldenburger.
Die Stimmung und Erwartungshaltung der Marktteilnehmer in Sachen Geldpolitik haben sich laut Oldenburger im November komplett gedreht. „Die überwiegende Mehrheit der Anleger rechnet jetzt fest mit einer ersten Zinssenkung der Fed spätestens im Sommer kommenden Jahres. Andere gehen noch weiter und gehen von einer harten Landung der US-Wirtschaft und infolgedessen einer noch aggressiveren Lockerung der Geldpolitik in 2024 aus.“ Banken und Fondsmanager rechnen damit, dass Aktienindizes wie Dax, Euro Stoxx 50 und S&P 500 im Jahr 2024 weiter steigen werden. Die Experten rechnen mit Kursgewinnen zwischen fünf und zehn Prozent.
Wie sich die Zinsen 2024 entwickeln dürften
„Am Kapitalmarkt hat sich die Meinung durchgesetzt, dass die Notenbanken die Zinsen angesichts niedrigerer Inflationszahlen früher senken werden als ursprünglich erwartet“, sagt Dr. Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege der Deutschen Bank, im Youtube-Interview mit biallo.de. Gleichwohl verweist der Experte darauf, dass die Beschäftigungsquoten derzeit sehr hoch sind und die Löhne weiter steigen. Auch sieht er aufgrund der geopolitischen Risiken Unsicherheiten bei der Energiepreisentwicklung.
Die EZB dürfte laut Stephan „auch aus Reputationsgründen“ die Inflation weiterhin bekämpfen und „wahrscheinlich erst ab Sommer 2024“ die Zinsen senken. Die Deutsche Bank erwartet in der Eurozone drei Zinssenkungen in Höhe von insgesamt 0,75 Prozentpunkten. Dadurch würde der Leitzins bis Ende 2024 von derzeit 4,50 auf dann 3,75 Prozent sinken. Der Chef-Anlagestratege der Deutschen Bank geht zudem davon aus, dass die Inflation im kommenden Jahr langsam abflaut. Wenn man jedoch in Amerika den Wohnbereich aus der Inflation herausrechne, käme man jetzt schon auf eine Teuerungsrate von lediglich 1,5 bis zwei Prozent.
Welche Unternehmen, Branchen und Regionen 2024 interessant sind
Ulrich Stephan rechnet fest damit, dass die Wirtschaft 2024 in den Schwellenländern, den sogenannten Emerging Markets, deutlich stärker wächst als in den Industrieländern. Dies gelte besonders für Indien, dessen Bruttoinlandsprodukt (BIP) seiner Einschätzung nach im kommenden Jahr um sechs bis zehn Prozent wachsen sollte gegenüber knapp fünf Prozent in China.
Für Deutschland erwartet Stephan „ein weiteres kompliziertes Jahr“, etwa im verarbeitenden Gewerbe. Der Experte rät davon ab, in energieintensive Unternehmen aus Deutschland zu investieren, da diese hohe Lasten zu tragen hätten. Auch die Schuldenbremse sowie der allgemeine Sparzwang könnten hierzulande Wachstum kosten.
Andererseits dürften Unternehmen aus hoffnungsvollen Branchen wie Technologie, Energie, Luxusgüter und Kommunikation Gewinne erzielen, die über den Erwartungen der Marktexperten liegen. So gibt es laut Stephan Nachholpotenzial für Energieunternehmen, die eine große Transformation vor sich haben. Außerdem findet der Experte europäische Finanzwerte interessant, die von den hohen Zinsen profitieren: „Wer Werte mit weniger Volatilität bevorzugt, für den könnten etwa Versicherungen spannend sein. Für mutigere Anleger könnten sich Banken eignen."
Dr. Jens Ehrhardt erwartet Korrektur am Aktienmarkt
Der renommierte Fondsmanager Dr. Jens Ehrhardt, Vorstandsvorsitzender und Gründer der DJE Kapital AG, kann sich vorstellen, dass 2024 eher ein Jahr der Anleihen als ein Jahr der Aktien wird. „Aktien könnten zunächst Anlaufschwierigkeiten haben, da die Zinsen gestiegen sind“, sagte Ehrhardt kürzlich in einem Videointerview auf dem hauseigenen Youtube-Kanal. Wenn sich die Konjunktur abschwäche, reagieren die Aktienkurse verhalten. Daher geht der Finanzexperte davon aus, dass die Aktienmärkte zeitweise moderat nach unten laufen werden. Gleichwohl sieht er im Zuge möglicher Zinssenkungen mittelfristig Aufwärtspotenzial für die Aktienmärkte.
Von den derzeit hohen Zinsen würden bei Aktien vor allem Finanzwerte durch hohe Zinseinnahmen profitieren. Andererseits leide der Immobilienmarkt unter dem hohen Zinsniveau. Bei der Titelauswahl helfe ein Blick auf die jeweilige Region. „In Asien beispielsweise gibt es niedrigere Zinsen. Vor allem China, wo es derzeit keine Inflation gibt, versucht die Zentralbank die Konjunktur zu stimulieren“, sagt Ehrhardt. Auch in Japan sei das Zinsniveau sehr gering. Anleger hätten daher die Möglichkeit, japanische Aktien angesichts des geringen Währungsniveaus günstig zu kaufen.
Ehrhardt verweist darauf, dass die Kurse von Anleihen bei baldigen Zinssenkungen steigen werden. Dies konnte man bei US-Staatsanleihen und Bundesanleihen in den vergangenen Wochen bereits beobachten. Im Anleihebereich findet er US-Staatsanleihen interessant, die nach wie vor mit hohen Renditen locken. Allerdings stelle sich dabei die Frage, wie sich der US-Dollar entwickelt. „Wenn ich einen Zins von sieben Prozent erhalte, der Dollar zugleich aber um zehn Prozent an Wert verliert, war das Investment keine gute Idee“, gibt er zu bedenken. Daher müsse man auch die Wertentwicklung des Greenbacks beobachten. „Wir sind der Meinung, dass der Dollar in nächster Zeit Gegenwind bekommt.“ Zudem notiere der Dollar derzeit auf hohem Niveau.