Security Token werden immer wieder quer durch alle Medien eine große Zukunft vorausgesagt. Doch wie steht es um die oft zitierte Finanzmarktrevolution? Schon heute ist es technisch möglich über Security Token Vermögenswerte auf der Blockchain abzubilden. Diese direkte Verknüpfung zwischen Vermögenswerten und Blockchain führt dazu, dass Betrug erschwert wird, Intermediäre entfallen und Transaktionskosten erheblich reduziert werden. Doch Security Token haben derzeit einen großen Haken: Die Praxis ist noch nicht bereit für eine breite Adaption.
Welchen Mehrwert sollen Security Token bringen?
Security Token ermöglichen einen verschlüsselten und sehr sicheren Handel von Vermögenswerten auf der Blockchain. Eine starke Verbreitung von Security Token kann potenziell die klassische Unternehmensfinanzierung und das Wertpapiergeschäft revolutionieren. Bislang sind beispielsweise Aktien von kleineren Unternehmen oder GmbHs kaum fungibel. Security Token könnten dies ändern. Zumindest technisch. Rechtlich bleibt es erstmal beim Status quo. Wie bei einer herkömmlichen Emission von Wertpapieren ist das herausgebende Unternehmen bei einem Security Token Sale genauso dazu verpflichtet ein Wertpapierprospekt oder zumindest ein Wertpapier-Informationsblatt herauszugeben.
Für den Einsatz von Security Token gibt es neben dem Finanzbereich auch Potential in vielen weiteren Branchen, zum Beispiel im Immobilien- und Kunstgeschäft. Mithilfe der Token lassen sich dort Objekte einfach abbilden und anschließend sehr leicht auf beliebig viele Investoren aufteilen. Das Blockchain-Unternehmen tZERO kooperierte im Herbst 2019 mit dem britischen Immobilienentwickler Alliance Investments, um die Luxusimmobilie "River Plaza" in Manchester zu tokenisieren. Es gibt also immer mehr bekannte Anwendungsfälle von Security Token – doch ein einheitlicher Standard und Handelsplatz fehlt nach wie vor.
Ein liquider Zweitmarkt für Security Token steht vor rechtlichen Hürden
Die große Frage, die Investoren also unter den Fingernägeln brennt, ist: Wann sind die Token endlich offiziell handelbar? "Wir sehen derzeit noch keinen wirklich funktionierenden Sekundärmarkt für Security Token. Das ist im Moment ein typisches Henne-Ei-Problem", erklärt Sven Hildebrandt, Geschäftsführer der DLC Distributed Ledger Consulting GmbH. Aber er ist sich auch sicher: "Sie werden kommen, viele Player arbeiten daran." Jedoch weiß keiner, wann das sein wird. Viele große Anbieter wie die Börse Stuttgart und namhafte ausländische Börsen hatten schon vor Monaten einen Handelsplatz angekündigt, doch die Projekte verschieben sich immer weiter nach hinten.
Zu Beginn des Jahres hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) das erste Wertpapierprospekt der Firma Bitbond genehmigt. Die Tatsache, dass mittlerweile ein weiteres Wertpapierprospekt von Security Token-Emittenten genehmigt wurde, kann als ein gutes Zeichen für die Entwicklung gedeutet werden.
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Die Gastronomiekette FR L'Osteria SE mit über 100 Filialen hat nun nach eigenen Angaben als erstes eine Mittelstandsfinanzierung über ein digitales Wertpapier herausgegeben. Über die Plattform Kapilendo sucht L'Osteria bis zu 2,5 Millionen Euro und begibt dafür eine tokenbasierte, nachrangige und unverbriefte Schuldverschreibung, die mit immerhin 6,25 Prozent verzinst wird. Ein Handel an einem liquiden Handelsplatz ist jedoch auch hier noch nicht in Sicht: "Zum aktuellen Zeitpunkt führt Kapilendo Gespräche mit verschiedenen zugelassenen Handelsplätzen und Börsen, um zukünftig eine einfache Handelbarkeit und Liquidität des Wertpapiers zu ermöglichen", erklärt Pressesprecherin Hanna Dudenhausen von Kapilendo.
Grundsätzlich profitieren Investoren nur, wenn Sie über den Handel die Security Token zu einem höheren Preis verkaufen können als sie bei der Emission zahlen. Der Markt wird also erst wirklich mit einem liquiden Zweitmarkt interessant. Eine von vielen Unternehmen unterschätzte Regulierung und fehlende Standards sind die Hauptgründe für die bestehenden Herausforderungen. Zwar hat die Bundesregierung im Herbst angekündigt, der Entwicklung von Security Token generell offen gegenüber zu stehen, aber ein konkreter Gesetzentwurf steht noch aus.
Kosten von Security Token Sales müssen sinken
Eine weitere Herausforderung sind die extrem hohen Gebühren für potenzielle Zweitmärkte. So wird ein Listing an vielen Handelsplätzen schnell einen mittleren fünfstelligen Betrag kosten. Hinzu kommen jährliche Gebühren. Das ist für Start-ups, die gerade erst Kapital eingesammelt haben, ein nicht unerheblicher Betrag. Dieses Geld wäre an anderer Stelle, insbesondere der Produktentwicklung, besser investiert. Das treibt die Gründer in eine Zwickmühle: Auf der einen Seite hätten Investoren gerne einen liquiden Zweitmarkt, auf der anderen Seite ist das Kapital einer der knappsten Ressourcen bei Start-ups.
Security Token Sales, also die Digitalisierung von Wertpapieren, werden ja gerade mit dem Anspruch beworben, Gebühren im Vergleich zum klassischen Wertpapiergeschäft drastisch zu reduzieren. Damit die Technologie erfolgreich wird, muss sie das Versprechen von niedrigeren Gebühren also noch einlösen.
Ein weiterer Grund für die langsame Adoption der neuen Technologie ist ein verbreitetes Misstrauen in die Kryptowelt. Jede Transaktion ist unwiderruflich. Eine oftmals mangelhafte Benutzerfreundlichkeit der Anwendungen im Vergleich zu einem klassischen Depot oder Onlinebanking, sorgt für Skepsis. Schließlich berichten Medien auch immer wieder von Hackerangriffen und damit großen Geldverlusten. Von Seiten der Bundesbank heißt es zum Thema Security Token, dass diese sich "weder zur Wertaufbewahrung noch als verlässliches Zahlungsmittel eignen". Das ist kein Werturteil, was das Vertrauen der Verbraucher steigern könnte.
Hildebrandt möchte mit seiner Firma Distributed Ledger Consulting ein Audit – also eine Kontrolle – von Smart Contracts anbieten, sodass die Sicherheit von Transaktionen und Geschäften auf der Blockchain erhöht wird. "Wir glauben, dass die Auditierung von Smart-Contracts einerseits die Verbraucher schützen kann, andererseits aber auch der Akzeptanz von Security-Token dienlich ist", erklärt er. In der Praxis setzten tatsächlich schon viele Unternehmen vor einem Token Sale auf eine externe Überprüfung. Jedoch gibt es auch hier bislang keinen einheitlichen Standard und sämtliche Kontrollen sind freiwillig. Das ist für Verbraucher riskant.
ITSA klassifiziert die Security Token
In vielen Ländern ist auch immer noch nicht geregelt, wie Security Token rechtlich klassifiziert werden sollen. In Deutschland entscheiden die Regulatoren derzeit im Einzelfall. Andere Länder versuchen die aufkommende Technologie einheitlich zu regulieren oder verhängen Verbote. Das Fürstentum Liechtenstein steht der neuen Technologie betont offen gegenüber und hat jetzt ein eigenes Gesetz mit dem sperrigen Namen "Gesetz über Token und VT-Dienstleister (TVTG)" auf den Weg gebracht. In Liechtenstein könnte also bald mehr Rechtssicherheit für Emittenten und Investoren herrschen. Denn solange rechtlich keine Klarheit herrscht, scheint eine weitere Verbreitung und Akzeptanz unwahrscheinlich. Bislang beschränkt sich die Beliebtheit von Token nämlich auf einige experimentierfreudige Anleger.
Passend dazu gibt es Initiativen, die Ordnung und einheitliche Standards in die Kryptowelt bringen wollen. So hat sich die Non-Profit-Organisation International Token Standardization Association (ITSA) zum Ziel gesetzt, eine international anerkannte Token-Identifikationsnummer einzuführen. Eine dadurch resultierende Klarheit im Tokenmarkt soll zu mehr Transparenz und zu reduzierten operationellen Risiken führen.
Im klassischen Aktienhandel können Sie heute ganz einfach ein Wertpapier über die WKN oder ISIN eindeutig identifizieren. Im Bereich von digitalen Token auf der Blockchain gibt es das bislang nicht. ITSA arbeitet genau dafür mit Hochdruck an einer Lösung.
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Immer mehr Unternehmen setzen zur Finanzierung auf Security Token
Hört man sich bei Unternehmen um, die einen Security Token Sale für die Finanzierung ihrer Projekte verwendet haben, so hört man trotz der aktuell noch unklaren Lage hauptsächlich positive und optimistische Stimmen. So sagte der CEO von Crowdlitoken, einem Immobilien Start-up aus der Schweiz, dass es sich für ihn um die "einfachste, kostengünstigste und zugleich für den Anleger vorteilhafteste Finanzierungsvariante handelt." Er würde diese Form der Unternehmensfinanzierung zu jedem Zeitpunkt wieder wählen.
Eine ähnlich rosige Zukunft sieht auch Hildebrandt: "In acht Jahren wird es in unseren Augen nur noch zehn Prozent 'klassische' Wertpapiere geben." Technisch sind die Möglichkeiten bereits ausgereift, eine unzureichende Regulierung und noch nicht etablierte Standards verhindern jedoch eine weitere rasante Entwicklung im Bereich der Security Token. Die Frage bleibt, wie sich Regulierung und Standards in den nächsten Jahren entwickeln werden.
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