Der "Schuldneratlas Deutschland" der Wirtschaftsauskunftei Creditreform spricht Bände: Die Überschuldung von Privatpersonen ist in Deutschland zum vierten Mal in Folge gestiegen. Derzeit sind 6,9 Millionen Menschen ab 18 Jahren überschuldet. Das sind rund 65.000 Personen mehr als im Vorjahr. Zwar fällt der Anstieg mit 0,9 Prozent geringer aus als in den Vorjahren. Allerdings gehen die Creditreform-Experten davon aus, dass die Überschuldungszahlen in den nächsten Jahren weiter ansteigen werden.
Zum Stichtag 1. Oktober 2017 lag die Überschuldungsquote bundesweit bei 10,04 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein leichter Rückgang, allerdings ist die Bevölkerung auch gewachsen. In den neuen Bundesländern (ohne Berlin) lag die Quote mit 10,42 Prozent zum sechsten Mal in Folge über dem Vergleichswert in den alten Bundesländern (9,97 Prozent).
Anstieg vor allem in den alten Bundesländern
Auffällig sei laut Creditreform allerdings, dass sich die Überschuldungsspirale im Westen weiterhin schneller drehe als im Osten. Insgesamt gelten in den alten Bundesländern derzeit knapp 5,8 Millionen Personen als überschuldet, in den neuen Bundesländern sind es gut 1,1 Millionen Menschen.
Im Gegensatz zu vergangenen Jahren beruht der aktuelle Anstieg der überschuldeten Personen auf einer gleichzeitigen Zunahme der Fälle mit hoher und geringer Überschuldungsintensität. Die Zahl der harten Überschuldungsfälle sank dagegen im Vergleich zum Vorjahr deutlich. Die Zahl der Fälle mit geringer Überschuldungsintensität nahm zu – und dies ausschließlich in Westdeutschland. Aktuell sind gut 4,2 Millionen Menschen in Deutschland "in einer dauerhaften Überschuldungsspirale".
Große regionale Unterschiede
Nach Bundesländern unterteilt findet sich die höchste Überschuldungsquote mit rund 14 Prozent in Bremen, die geringste mit knapp acht Prozent in Bayern. Die Stadt mit der höchsten Überschuldungsquote war Bremerhaven, die niedrigste Verschuldung findet man im bayerischen Landkreis Eichstätt.
Die mittlere individuelle Schuldenhöhe beträgt derzeit 30.200 Euro pro Person. Die meisten Schuldner finden sich in der Altersgruppe von 30 bis 39 Jahre. Zwar sind immer noch viel mehr Männer als Frauen überschuldet. Aber von den neuen Überschuldungsfällen entfielen 39.000 auf Frauen – meist alleinerziehende Mütter – und 26.000 auf Männer.
Wann bin ich überschuldet?
Überschuldet ist, wer permanent höhere Ausgaben als Einnahmen hat. Hauptgründe für eine Überschuldung sind laut Statistischem Bundesamt meist Arbeitslosigkeit oder unwirtschaftliche Haushaltsführung. Die Folgen: Kreditraten können nicht mehr bezahlt werden, der Dispo auf dem Girokonto ist komplett überzogen, Überweisungen sind nicht mehr möglich, Lastschriften gehen zurück.
Ändert der Schuldner nichts, kann es schnell gehen: Die Bank kündigt den Dispositionskredit und sperrt die Karten. Besonders schlimm ist es, sollte der Schuldner seine Raten für Kredit oder Baufinanzierung nicht mehr zahlen können. Dann kommt schnell die Darlehenskündigung ins Haus. Die Bank möchte ihr Geld am liebsten sofort und in einer Summe zurück. Kann der Schuldner diese Summe nicht aufbringen, werden die Sicherheiten verwertet: Bei einem hinterlegten Kfz-Brief veräußert die Bank das Auto. Bürgen werden zur Zahlung aufgefordert. Eigentum wird zwangsversteigert.
Privatinsolvenz und Restschuldbefreiung
Viele überschuldete Menschen resignieren. Sie haben sich an Mahnungen, Inkassos und Gerichtsvollzieher gewöhnt. Sie leben mit den Schulden Jahr um Jahr. Dabei könnte es auch anders gehen. Hat sich jemand in der Schuldenfalle verfangen und schafft es aus eigener Kraft nicht mehr hinaus, sollte er sich schnell professionelle Hilfe suchen.
Machen Sie einen Termin bei einem Schuldnerberater, zum Beispiel der Caritas. Allerdings müssen Sie hier mit Wartezeiten bis zu sechs Monaten rechnen. Möchten Sie das Verfahren schneller zum Laufen bringen, gehen Sie zu einem auf Privatinsolvenz spezialisierten Anwalt. "Der Schuldner kann uns einfach einen Karton mit allen Unterlagen vorbeibringen, wir kümmern uns um den Rest", sagt Jan Heckmann, ein auf Insolvenzrecht spezialisierter Anwalt in Berlin.
Vor Stellung des Antrags auf Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens findet ein außergerichtlicher Einigungsversuch mit den Gläubigern statt. Gibt es hier kein Ergebnis, kann noch ein gerichtlicher Versuch gestartet werden. Verläuft der ebenfalls ohne Erfolg, beginnt das Insolvenzverfahren. Das verläuft quasi in zwei Schritten: der Wohlverhaltensphase und der Restschuldbefreiung.
So funktioniert das Vebraucherinsolvenzverfahren
Als erstes wird ein vom Gericht bestellter Insolvenzverwalter versuchen alles zu Geld zu machen, was der Schuldner hat. Einige Gegenstände, die zur gewöhnlichen Wohnungseinrichtung zählen, sind tabu. Aber Immobilienbesitz, wertvolle Möbel oder Gemälde, Schmuck oder Zweitautos kommen unter den Hammer.
Während der Wohlverhaltensphase muss der Schuldner alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, die Schulden abzutragen. Das bedeutet zum Beispiel auch, dass Arbeitnehmer sämtliches Einkommen über der Pfändungsfreigrenze zur Schuldentilgung einsetzen müssen. In diesem Zeitraum nimmt ein Treuhänder Monat für Monat den pfändbaren Teil des Einkommens. Damit begleicht er die Verfahrenskosten, danach kommen die Gläubiger an die Reihe. Während dieses Zeitraumes kommt kein Gerichtsvollzieher. Es gilt die sogenannte Vollstreckungssperre. Der Schuldner muss sich, soweit er arbeitslos ist, um eine zumutbare Arbeit kümmern.
Ist die Wohlverhaltensphase beendet und hat der Schuldner während des ganzen Zeitraums seine Pflichten erfüllt und mit dem Treuhänder gut zusammengearbeitet, ist er von seinen Restschulden befreit – in der Regel nach sechs Jahren.
Seit dem 1. Juli 2014 hat der Gesetzgeber die Möglichkeit einer Verkürzung auf fünf Jahre eingeräumt. Und zwar dann, wenn der Überschuldete die Verfahrenskosten selbst tragen kann. Wer dazu auch noch 35 Prozent der angemeldeten Schulden innerhalb von drei Jahren begleicht, für den kann die Restschuldbefreiung bereits zu diesem Zeitpunkt erfolgen.