





Wenn Riester-Sparer erstmals ihre Riester-Rente erhalten haben, sind nicht wenige enttäuscht. So wurden laut dem 2024 vorgelegten Alterssicherungsbericht im Jahr 2022 für den Durchschnittsrentner nur knapp 132 Euro im Monat (1581 Euro im Jahr) ausbezahlt. Dieser Betrag steigt zwar von Jahr zu Jahr. So steht es im jährlichen Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung. Trotzdem fragen sich viele Riester-Sparerinnen und Sparer, die bald oder in ein paar Jahren vor der Auszahlung ihrer staatlich geförderten Altersvorsorge stehen: Lohnt sich eine lebenslange Verrentung überhaupt? Und kann ich diese nicht doch irgendwie umgehen, ohne meine Zulagen und Steuervorteile zu verlieren?
Was viele nicht wissen: Dieser Weg ist offen, wenn das angesparte Riester-Kapital komplett oder teilweise in selbst genutztes Wohneigentum investiert wird, um Schulden schneller zu tilgen, die eigene Immobilie zu sanieren oder ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen – ohne dass man vorher dafür einen Wohnriester-Vertrag abgeschlossen haben muss. „Das ist eine gute Möglichkeit, der oft unattraktiven Verrentung zu entfliehen“, sagt Thomas Hentschel, Baufinanzierungsexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Hentschel hat gerade in einem kleinen Ratgeber auf diese Alternative aufmerksam gemacht. Biallo.de beantwortet hier die wichtigsten Fragen.
Entnahmen sind für Immobilieneigentümer während der Ansparphase bis zum Beginn der Auszahlungsphase möglich. Geld lässt sich je nach Vertrag teilweise oder vollständig aus einem angesparten Riester-Guthaben entnehmen, wenn das Geld in eine selbst genutzte Wohnimmobilie fließt, und zwar entweder für den Kauf oder den Bau eines solchen Hauses oder einer solchen Eigentumswohnung. Außerdem sind Entnahmen möglich für gesetzlich definierte Umbaumaßnahmen beziehungsweise für die energetische Sanierung bis zum Beginn der Auszahlungsphase. Für vermietete Immobilien sind solche Entnahmen nicht möglich.
Im Fachjargon wird ausdrücklich von Entnahmen gesprochen, um diese Möglichkeit nicht mit der normalen Auszahlungsphase eines Riester-Vertrags zu verwechseln. Näheres geregelt ist im Paragraph 92a des Einkommensteuergesetzes (§92 EstG). Bei der Deutschen Rentenversicherung heißt es dazu auf der Homepage: „Möchten Sie Ihr Riester-Guthaben für Ihre Immobilie einsetzen, müssen Sie dazu Ihren bestehenden Riester-Vertrag nicht in einen Wohn-Riester-Vertrag umwandeln. Eine Entnahme ist aus jedem Riester-Vertrag, wie beispielsweise einer Riester-Rentenversicherung, möglich“. Laut der Verbraucherzentrale NRW sind diese weiteren Voraussetzungen zu beachten:
Wer diese Form der Entnahme in Anspruch nehmen kann, muss weder die bereits kassierten Zulagen noch gewährte Steuervorteile zurückzahlen. „Das macht diesen Weg verglichen mit der förderschädlichen Kündigung einer Riester-Rente wirklich attraktiv“, sagt Experte Hentschel. Wer nämlich seinen Vertrag zum Beispiel kurz vor der Auszahlung kündigt, um einer finanziell nicht lohnenden Verrentung und/oder etwa Kürzungen des Rentenfaktors zu entgehen, muss die gesamte Förderung zurückzahlen.
Wer ein Haus oder eine selbstgenutzte Eigentumswohnung abbezahlt, hat oft noch nach Jahrzehnten Restschulden aus dem Hypothekendarlehen einer Baufinanzierung. Diese Schulden lassen sich zu Beginn der Auszahlungsphase mit der Entnahme aus einem Riester-Vertrag ganz oder teilweise tilgen, je nachdem wie hoch die Schulden und das Riester-Guthaben ist. Wie das im Detail geht, hängt maßgeblich davon ab, wann das Hypothekendarlehen ausläuft und ob es möglich ist, dies zum passenden Zeitpunkt zu kündigen. Entscheidend ist dabei Paragraph 489 im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 489 BGB). Demnach darf ein Darlehensnehmer sein Hypothekendarlehen mit einer Zinsbindungsfrist von mehr als zehn Jahren, also zum Beispiel mit einer Laufzeit von 15 oder 20 Jahren, bereits nach zehn Jahren vorzeitig kündigen, ohne dass eine Vorfälligkeitsentschädigung für die kreditgebende Bank anfällt. Die Kündigungsfrist beträgt dabei sechs Monate.
Daraus ergeben sich zwei mögliche Szenarien:
Entspricht nun das ersparte Riester-Guthaben der Restschuld oder ist dies sogar höher, kann der Kreditnehmer die Schuld komplett tilgen. Sollte Riester-Kapital übrigbleiben, wird dies ganz normal verrentet. Hentschel rät: „Für diesen Fall sollte man auch überlegen, ob eine 30-prozentige einmalige Kapitalentnahme möglich ist und sinnvoll ist.“ Bei so einer Teilauszahlung zu Beginn der Auszahlungsphase gilt: Bis zu 30 Prozent des Gesamtkapitals können Sie bei Verträgen erhalten, die Sie von 2005 an unterschrieben haben. Nachteile: Der einmalig gezahlte Betrag verringert die monatliche Riester-Rente, da ja nur noch 70 Prozent Kapitals für die Verrentung zur Verfügung stehen. Außerdem ist die Teilauszahlung auf einen Schlag zu versteuern, dadurch kann Ihr persönlicher Steuersatz im Auszahlungsjahr deutlich nach oben gehen.
„In diesem Fall muss man prüfen, ob sich das besser koordinieren lässt, in dem man versucht, den Auszahlungszeitpunkt zu verschieben“, rät Hentschel. Dazu müsse man das Gespräch mit dem Riester-Vertragspartner suchen. Vielleicht lasse sich dann doch durch die Entnahme die Restschuld ganz oder teilweise tilgen.
Angenommen, das Hypothekendarlehen ist noch einige Jahre bis zum Ende der Zinsbindungszeit oder zur möglichen Kündigung nach § 489 BGB entfernt. Dann können Sie trotzdem Hypothekenschulden tilgen, sofern Teilentnahmen aus dem Riester-Guthaben vereinbart sind. Ebenso setzt das voraus, dass im Darlehensvertrag ein Recht auf Sondertilgung in Höhe von mindestens 3000 Euro pro Jahr festgelegt ist. Hentschel nennt dafür zwei Beispiele:
Beispiel 1: Der mögliche Auszahlungsbeginn ist das 62. Lebensjahr. Das angesparte Riester-Kapital beläuft sich auf 30.000 Euro, eine bei vielen Verträgen realistische Größe. Es besteht das Recht auf eine jährliche Sondertilgung von 6000 Euro bei dem erst in einigen Jahren kündbaren Hypothekendarlehen. „Dann kann der Kreditnehmer und Riester-Sparer fünf Jahre lang jeweils 6000 Euro bis zum vollendeten 67. Lebensjahr tilgen“, sagt der Experte. Einzige Einschränkung: In dem Riester-Vertrag muss laut Hentschel eine sogenannte Abrufoption, zum Beispiel für fünf Jahre, vereinbart sein. Dies müsse man mit dem Vertragspartner klären. Ebenso brauche man die Erlaubnis, dass das jeweilige Restguthaben auf dem Riester-Konto „stehen bleiben kann“
Beispiel 2: Bei einer Riester-Sparerin wird während der Ansparphase ihres Vertrags eine Anschlussfinanzierung nötig, weil ihre Hypothekenkredit nach 15 Jahren ausgelaufen ist. Sie hat mit 50 Jahren noch eine zu finanzierende Restschuld von 200.000 Euro. Sie kann nun das Riester-Guthaben von zum Beispiel 20.000 Euro zur Reduzierung der Restschuld auf 180.000 Euro einsetzen. Bei ihrem neuen Kredit spart sie so Zinsen und kann gegebenenfalls die Laufzeit entsprechend verkürzen.
Laut Hentschel besteht die Möglichkeit, jederzeit vereinbarte Sondertilgungsrechte zu nutzen, wenn der Riester-Vertrag Teilentnahmen zulässt. Bei Teilentnahmen müssten allerdings im Vertrag als Guthaben 3000 Euro verbleiben. „So kann man zum Beispiel auch weiter den Riester-Vertrag besparen und die Zulagen mitnehmen, um dann Guthaben für weitere Sondertilgungen aufzubauen“, sagt er.
Grundsätzlich wird die Riester-Rente in der Auszahlungsphase vollständig mit dem persönlichen Steuersatz besteuert. Dies ist der fiskalische Ausgleich für die in der Ansparphase gewährten Zulagen und Steuervorteile. Man spricht auch von der nachgelagerten Besteuerung, und diese gilt auch für die hier beschriebenen Entnahmen. Kapitalentnahmen werden deshalb aus einem Riester-Guthaben auf einem so genannten Wohnförderkonto registriert. Dabei handelt es sich um ein fiktives Konto mit dem „Vertragsguthaben“, also den Entnahmen, die auf dem Konto verzeichnet werden. Der Gesetzgeber unterstellt dabei, dass dieses – wie bei einer Verzinsung – sich jährlich um zwei Prozent erhöht. Ist dann die Auszahlungsphase des Riester-Vertrages erreicht, beginnt normalerweise die Besteuerungsphase. Der Riester-Sparer, der von seinen Entnahmen profitiert hat, muss nun den fiktiven Betrag des Wohnförderkonto mit dem individuellen Steuersatz versteuern.
Für die Besteuerung gibt es zwei Möglichkeiten:
Wenn Sie aus Ihrem Riester-Vertrag Geld entnehmen können und wollen, müssen Sie dies vorher bei der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) beantragen. Das ist die Behörde der Deutschen Rentenversicherung, die für die Auszahlung der Riester-Zulagen zuständig ist. Der Anbieter Ihres Vertrags ist drei Monate vorher zu informieren. Die ZfA erteilt dem Anbieter nach der Prüfung des Antrags per Bescheid mit, ob die Entnahme genehmigt wird. Ohne Bescheid darf der Anbieter das Kapital nicht für die Entnahme auszahlen.
Für den Antrag bei der ZfA sind diese Fristen zu beachten:
Das Antragsformular stellt die ZfA auch online zum Herunterladen zur Verfügung.
Die Verbraucherzentrale NRW rät allen Antragstellern, zusätzliche Bearbeitungszeiten bei der ZfA und dem Anbieter einzuplanen. Je nach der Anzahl der Anträge könne dies bei der ZfA zwei Monate oder mehr betragen. „Damit es keine zeitlichen Verzögerungen gibt oder gar das Datum für zum Beispiel eine Sondertilgung verstreicht, sollte der Antrag deutlich früher gestellt werden“, rät Experte Hentschel. Weitere Informationen zum Entnahmeantrag erteilt die Deutsche Rentenversicherung hier.
Wer eine Entnahme erwägt, sollte die rechtlichen Möglichkeiten und Varianten mit der ZfA klären. „Die Mitarbeiter dort sind kompetent und hilfsbereit“, sagt Hentschel. Wer sich in einer Bank beraten lassen wolle, müsse dagegen aufpassen. Da könne es passieren, dass die gewünschte „Entnahme“ missverstanden und als „Kündigung“ interpretiert wird.
In Ihren Erläuterungen zu dem Antrag macht die ZfA darauf aufmerksam, dass eine Entnahme nur möglich ist, „sofern weder Sie noch ein Mitbewohner der Wohnung für die geltend gemachten Aufwendungen bestimmte weitere öffentliche Förderungen beantragt hat beziehungsweise beantragen wird“ Dazu zählt die ZfA unter anderem Förderungen durch Zuschüsse der staatlichen Förderbank KfW und vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, aber auch eine Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen nach § 35a EStG oder für energetische Maßnahmen nach § 35 c EStG.
Wollen Sie mehr zum Thema Auszahlung der Riester-Rente wissen? Dann lesen Sie unseren Ratgeber „Riester-Rente: Wie kann ich sie mir am besten auszahlen lassen?