Die konstant guten Performancewerte in den vergangenen Monaten scheinen sich auszuzahlen: Der Frankfurter Robo-Advisor Ginmon hat AnfangJuni rund sechs Millionen Euro von seinen bisherigen Gesellschaftern und dem neuen Investor BCS Financial Group eingesammelt. Im Interview mit biallo.de verrät Ginmon-Gründer und CEO Lars Reiner, was er mit dem frischen Kapital vorhat und wie Anleger sich in Zeiten von Corona am besten aufstellen.
Herr Reiner, zuerst einmal Glückwunsch! Sie haben die Marke von 100 Millionen Euro beim verwalteten Kundenvermögen geknackt und einen neuen Investor an Land gezogen. Von Krise scheint bei Ihnen derzeit wenig zu spüren zu sein. Was meinen Sie?
Lars Reiner: Teil, teils. Natürlich zieht eine weltweite Gesundheitskrise nicht einfach so an uns vorbei. Auch wir haben uns organisatorisch neu aufgestellt. Dazu kam, dass die weltweiten Kurseinbrüche zwischenzeitlich auch einen Effekt auf die Kundenportfolios hatten. Als Vermögensverwalter haben wir die Betreuung mit Webinaren und Live-Calls hochgefahren, um auf den erhöhten Gesprächsbedarf der Kunden einzugehen. Manche waren sehr besorgt, andere wiederum wollten die Kurseinbrüche zum Zukaufen nutzen.
Wir haben durch die Krise aber auch klare Vorteile für uns erzielt. Unsere Anlagestrategie hat sich als sehr krisenresistent erwiesen. Im Gegensatz zu manch anderem Anbieter haben wir unsere Strategie konsequent beibehalten. Wir fahren eine antizyklische Strategie mittels Faktor-Investing. Wenn die Kurse steigen, dann verkaufen wir eher Titel, und wenn die Kurse fallen, kaufen wir verstärkt nach. Das hat sich in der Corona-Krise als extrem vorteilhaft erwiesen, weil wir ab Mitte März signifikant Aktien nachgekauft haben, was sich im April und Mai dann positiv auf die Performance ausgewirkt hat. Unterm Strich ist für die Kunden deutlich mehr hängengeblieben.
Dennoch hinken Sie dem Spitzenfeld im Moment etwas hinterher. Dabei landeten Sie 2019 in unserem Performance-Vergleich gleich viermal auf dem Siegertreppchen und erzielten den ersten Platz in der ausgewogenen Strategie. Wie ist das zu erklären?
Lars Reiner: Wir investieren in den Size- und in den Value-Faktor. Das heißt, wir investieren mit dem Size-Faktor in kleine Unternehmen und dem Value-Faktor in niedrig bewertete Unternehmen. Diese Aktien zeigen sich in Krisenzeiten generell etwas volatiler als andere Titel. Unter den Value-Unternehmen finden sich auch die Kolosse der Wirtschaft, die eine große Mitarbeiterzahl und hohe Investitionsbeträge vorweisen und die in der Krise oftmals nicht so agil sind, aber in besseren Zeiten wiederum sehr gut skalieren. Wir wollen nicht den Anlageklassen hinterherlaufen, die gerade jetzt gut laufen, sondern wie bereits erwähnt, ziehen wir unsere antizyklische Strategie mit Faktor-Investing konsequent durch und lassen uns auch nicht von kurzfristigen Kursschwankungen beeinflussen. Die Statistik gibt uns Recht: Size und Value zahlen sich langfristig aus.
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Lars Reiner, Gründer und CEO Ginmon.
Wie haben Ihre Kunden auf die erste Verkaufswelle im März reagiert?
Lars Reiner: Da waren wir selbst überrascht, was die Zahlen anging. Zum einen hat jeder fünfte Kunde von uns Ende März zusätzlich Geld eingezahlt, wo die Mehrheit der Marktteilnehmer eigentlich sehr panisch reagiert hat. Zum anderen haben nur sehr wenige Kunden ihr Geld abgezogen und gekündigt. Damit hat sich die Kritik, der sich Robo Advisor immer ausgesetzt sahen, als nicht gerechtfertigt herausgestellt. Es hieß ja immer: Wenn eine Krise wie in 2008 kommt, dann verlieren die digitalen Vermögensverwalter gut die Hälfte ihrer Kunden, weil sie nicht so gut "Händchen halten" können wie ein physischer Vermögensverwalter. Wir können nun mit Recht behaupten, dass wir das eben sehr gut getan haben! Es waren nur knapp über ein Prozent, die das Handtuch geworfen haben. Das ist deutlich weniger, als wir selbst erwartet hatten. Von daher waren wir schon positiv überrascht.
Das "Social Distancing" dürfte Ihnen als digitaler Vermögensverwalter auch in die Hände gespielt haben.
Lars Reiner: Stimmt, wir konnten mit unserem Geschäftsmodell auch dort punkten, wo traditionell eher Privatbanken mit persönlichem Kontakt zum Zug kommen. Wenn sich zum Beispiel ein sehr wohlhabender Kunde bislang bei einer Privatbank besser aufgehoben fühlte, weil ihm das persönliche Gespräche vor Ort wichtig war, haben wir jetzt auch von solchen Kunden das Feedback bekommen, dass sie mit wöchentlichen Live-Calls und Beratung per Telefon mindestens genauso gut informiert werden. Wir haben zwar nicht die Marmorböden und Holzpaneele an der Wand, aber in Zeiten von Corona braucht man die auch nicht.
Wodurch zeichnet sich Ihre Technologieplattform aus?
Lars Reiner: Das sind eigentlich zwei Dinge: Zum einen ist Apeiron die führende Technologieplattform für die digitale Vermögensverwaltung. Wir investieren beständig einen Großteil unserer liquiden Mittel in diese Technologie und festigen damit unsere Position als Innovator und Pionier in diesem Bereich. Die automatisierte Steueroptimierung zum Jahresende ist eine Funktion, die wir als erster Anbieter auf den Markt gebracht haben und die für jeden Kunden zum Jahresende ungenutzte Freistellungspotenziale identifiziert. Dadurch werden automatisch die richtigen ETFs zum richtigen Zeitpunkt im richtigen Volumen verkauft und dann wieder direkt zurückgekauft. Somit schaffen wir quasi aus dem Nichts einen Mehrwert, der den Leuten meist verlorengeht, weil keiner die Muße hat, sich das selbst auszurechnen. Das ist auch hochgradig kompliziert, da das deutsche Steuergesetz mit "First In – First Out" sehr komplex ist. Insofern sehen wir uns schon als Technologieführer. Wir sind zwar, zumindest noch nicht, der größte digitale Vermögensverwalter in Deutschland, aber wir sind der, der am meisten in die Technologie investiert.
Und das Zweite?
Lars Reiner: Das Zweite ist, dass in diese Plattform bereits die angesprochene Antizyklik eingebaut ist. Das ist das, was uns von anderen großen Anbietern im Markt unterscheidet, die rein prozyklisch arbeiten, indem sie zum Beispiel erst während der Krise – also nicht vor der Krise – Aktien abgebaut und seitdem auch nicht wieder erhöht haben. Als wir zum Beispiel Ende März hohe Aktienquoten hatten und unser größter Wettbewerber aus München die Aktienquoten reduziert hat, da sahen wir bei dem ein oder anderen Kunden zunächst wie die Doofen aus. Nach dem Motto: Schaut mal, die Märkte sind im Turnaround, die Welt geht unter und ihr greift ins fallende Messer! Da fühlt es sich natürlich erst mal wohler an, bei jemandem zu sein, der die Aktienquote von 80 auf 20 runterfährt als bei jemandem, der in dem Moment massiv zukauft. Das ist genau das Problem mit der Antizyklik: Sie ist unglaublich schwer emotional durchzuhalten! Als Mensch und Privatanleger ist das so gut wie unmöglich. Und deshalb ist die automatisierte Plattform so wichtig. Sie schafft Vertrauen, indem sie immer bewiesen hat, dass sie konsequent so handelt, wie es statistisch gesehen richtig ist. Und die Erträge sieht jetzt jeder in seinem Portfolio. Bei uns sind die Kunden fast schon wieder auf dem Level von vor der Krise, während sie bei anderen Anbietern fast noch am Tiefpunkt herumnagen, weil sie mit einer minimalen Aktienquote aus dem Loch gar nicht mehr herauskommen.