Amazon greift Banken an
Vor einigen Monaten erschien im Handelsblatt eine Meldung, die vermutlich auch bei deutschen Kreditinstituten für kräftige Unruhe gesorgt haben dürfte. Der US-Internet-Gigant Amazon will womöglich in Zukunft nicht nur Waren, sondern auch eigene Finanzprodukte – wie beispielsweise Girokonten und Kreditangebote – vertreiben. Wird Amazon nun eine Bank und macht mit seiner geradezu unvorstellbaren globalen Marktmacht den hierzulande alteingesessenen Sparkassen, Volks- und Geschäftsbanken das lukrative Geschäft mit Finanzprodukten streitig?
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Ganz so dramatisch wird es wahrscheinlich vorerst nicht. Dennoch will der Konzern seine zahlungskräftigen Prime-Kunden offenkundig auch in finanzieller Sicht stärker an sich binden. Das zeigt zum Beispiel eine Neuauflage der Amazon Prime Visa-Karte, welche sich ganz klar an Kunden richtet, die ohnehin bereits einen Großteil ihrer Einkäufe beim US-Branchenprimus erledigen. Ob sich der Einsatz dieser Karte jedoch wirklich für die meisten Amazon-Kunden lohnt, haben wir uns einmal genauer angesehen.
Die Konditionen im Vergleich
Amazon kooperiert bei dem Produkt wie bislang mit der Landesbank Berlin (LBB). Es handelt sich um eine Visa-Karte mit Teilzahlungsfunktion sowie eigenem Rabattsystem, die ebenfalls kontaktlose Zahlungen per NFC unterstützt. Ein Startguthaben von 70 Euro für Amazon-Einkäufe ist inklusive. Ab dem zweiten Jahr werden 19,99 Euro je Hauptkarte berechnet, die jedoch für Prime-Mitglieder vollständig entfällt. Bei erfolgreicher Ausstellung liegt der anfängliche Kreditrahmen bei 200 Euro. Mit drei Prozent beziehungsweise mindestens 7,50 Euro sind Barabhebungen jedoch teuer.
Zum Vergleich: Wer beispielsweise mit seiner Sparkassen-Girokarte an einem fremden Geldautomaten einer privaten Geschäftsbank abhebt, zahlt zumindest bei einigen Instituten nur 1,95 Euro. Bestimmte Direktbanken wie die ING-Diba oder DKB erstatten ihren Kunden Barverfügungen mit der eigenen Visa-Karte ab 50 Euro sogar vollständig. Wer sein Girokonto nicht wechseln will, kommt zum Beispiel auch mit der Barclaycard Visa oder der Santander 1plus Visa weltweit kostenfrei an Bargeld.
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Amazon Prime Visa | Barclaycard Visa | Santander 1 plus Visa | ICS World Card | |
---|---|---|---|---|
Jährliche Kartengebühr | 19,99 Euro | - | - | - |
Barverfügungen | 3 %, mindestens 7,50 Euro | Weltweit kostenlos | Weltweit kostenlos | Eurozone (exkl. Deutschland) kostenlos |
eff. Jahreszins | 14,98 % | 18,38 % | 13,98 % | 15,90 % |
Das Bonus-System
Prime-Abonnenten erhalten bei Zahlung mit der Kreditkarte insgesamt drei Prozent des Umsatzes in Form von Bonuspunkten zurück. Pro Euro Umsatz gibt es drei Punkte. Wer die Karte bei anderen Händlern nutzt, bekommt lediglich 0,5 Prozent beziehungsweise einen Bonuspunkt für je zwei Euro Umsatz gutgeschrieben. Es ist zudem möglich, die Karte auch ohne Prime-Mitgliedschaft bei Amazon-Einkäufen einzusetzen. Dann jedoch zahlen Kunden einerseits ab dem zweiten Jahr die zuvor genannten 19,99 Euro Jahresgebühr und bekommen lediglich einen Cashback von zwei Prozent in Form von Bonuspunkten.
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Potenzielle Interessenten sollten darüber hinaus beachten, dass die Erstattung nicht für alle Waren und Dienstleistungen gilt, die innerhalb der Prime-Mitgliedschaft eingeschlossen sind. Dazu zählen Prime Now, Kindle-E-Books und -Downloads, MP3s, Video-Titel, Spiele- und Software-Downloads, Appstore-Apps, Prime-Mitgliedschaften, Spar-Abo-Artikel und Vorbestellungen. Ein weiterer Nachteil: Für die oft genutzten 1-Click-Bestellungen gibt es ebenfalls keinen Bonus.
Fazit
Die Prime-Kreditkarte hat uns nicht überzeugt. Nur wer wirklich oft bei Amazon einkauft, kann durch Bonuspunkte einige Euro sparen. Auf der anderen Seite werden jedoch hohe Sollzinsen bei Teilzahlung und überdurchschnittliche Gebühren für Barverfügungen berechnet.
Eine leider mittlerweile übliche Kostenfalle: Die Karte ist bei Ausstellung standardmäßig auf Teilzahlung eingestellt. Wer also den Gesamtsaldo monatlich begleichen will, muss selbst in seinem Kundenkonto beziehungsweise per Service-Hotline tätig werden.
Vollkommen unverständlich ist für uns außerdem, warum es für die Gebühren der Prime-Mitgliedschaft sowie der Nutzung von Prime Now, Kindle-Ebooks und Downloads keine Bonuspunkte gibt. Eine Prime-Kreditkarte, mit der man bei Verwendung vieler in der Mitgliedschaft eingeschlossener Amazon-Dienste keinen Vorteil hat, macht aus unserer Sicht letztendlich wenig Sinn.