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Kreditwucher

18 Prozent Zinsen: So wird ein Ratenkredit sittenwidrig

Thomas Öchsner
Autor
Veröffentlicht am: 20.06.2023

Auf einen Blick

  • Kostet ein Ratenkredit 100 Prozent mehr als der Marktpreis, ist das Wucher, so ein neues Urteil.
  • Zur Begründung verglichen die Richter auch die Zinsen.
  • Laut Urteil muss der Kreditnehmer das Restdarlehen nicht zurückzahlen.
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Das erwartet Sie in diesem Artikel

  1. 18,40 Prozent Effektivzins
  2. Kreditnehmer bekommt hohe Restschuld erlassen
  3. Wie die Richter argumentieren
  4. Bank muss Kreditwürdigkeit sorgfältig prüfen

Wie hoch dürfen die Zinsen von Banken für einen Ratenkredit eigentlich sein? Das Landgericht Erfurt hat dazu jetzt eine wegweisende Entscheidung getroffen, die viele Bankkunden und Bankkundinnen interessieren dürfte. Demnach liegt ein wucherähnliches Geschäft vor, wenn der von einem Kreditinstitut erhobene Zins um mindestens 100 Prozent über dem marktüblichen Effektivzins liegt (Aktenzeichen 9 O 101/23). Auf die Entscheidung hatte das unabhängige Institut für Finanzdienstleistungen (iff) in Hamburg aufmerksam gemacht.

 

18,40 Prozent Effektivzins

Es geht um ein Musterbeispiel für viel zu teure Ratenkredite, die Verbraucher schlimmstenfalls in eine Schuldenfalle geraten lassen. Der Fall: Das Volumen des Kredits summierte sich auf 10.548 Euro Euro netto – bei einem Jahreszins von effektiv 18,40 Prozent. Insgesamt belief sich der Kredit inklusive aller Zinsen und Kosten auf rund 19.340 Euro. Die Laufzeit betrug fünf Jahre, die monatliche Rate 322 Euro.

In den Kredit eingeschlossen war eine sogenannte Restschuldversicherung, für diese Police waren sage und schreibe 2.852 Euro zu zahlen. Der Kreditnehmer war aber ein Arbeiter, der nach Angaben des Gerichts netto nur monatlich 2.000 Euro verdiente. Viel blieb für den Lebensunterhalt dabei nicht übrig, die Miete betrug schon 700 Euro monatlich.

 

Kreditnehmer bekommt hohe Restschuld erlassen

Eher ungewöhnlich war auch, wie der Kreditvertrag abgeschlossen wurde, nämlich im Internet über einen Marktplatz, auf dem potentielle Kreditnehmer ihren Kreditwunsch platzieren können. Das Geld für den Kredit kam von Privatanlegern, die auf hohe Zinsen hofften. Am Ende wurde der Kreditvertrag jedoch wie üblich über eine Bank abgeschlossen.

Das Landgericht gab jedoch dem Arbeiter Recht. Er muss die Restschuld in Höhe von 11.548,47 Euro nicht zurückzahlen, da der vereinbarte Zins sittenwidrig überhöht war. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig (Stand: 20. Juni 2023).

 

Wie die Richter argumentieren

Bei seiner Entscheidung orientierte sich das Gericht an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Dabei war die Frage zu klären, ob bei dem Kredit für den Arbeiter ein auffälliges Missverhältnis vorliegt zwischen den Leistungen des Kreditgebers und den vereinbarten Gegenleistungen des Kreditnehmers. Dies bejahten die Erfurter Richter. Demnach habe die Bank die wirtschaftlich schwächere Lage ihres Kunden und dessen Unterlegenheit beim Festlegen der Kreditkonditionen bewusst zum eigenen Vorteil ausgenutzt.

Die Richter verglichen dafür die Zinsen des Kredits mit den marktüblichen Zinsen. Das Ergebnis, das aufhorchen lässt: Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags im November 2017 beliefen sich laut der Statistik der Europäischen Währungsunion (EWU) für Konsumentenkredite die Zinsen für Ratenkredite mit einer Laufzeit von bis zu fünf Jahren auf 4,31 Prozent. Überschreiten die Zinsen des Vertrags aber um mindestens 100 Prozent oder um 12 Prozentpunkte die marktüblichen Zinsen, besteht nach der ständigen Rechtsprechung ein auffälliges Missverhältnis – für die Erfurter Richter ein klarer Fall: Schließlich war der effektive Zinssatz von 18,40 Prozent mehr als viermal so hoch wie der Marktzins.

 

Bank muss Kreditwürdigkeit sorgfältig prüfen

Was aus dem Urteil Bankkunden ebenfalls lernen können: Kreditinstitute sollen bei der Prüfung der Bonität von Kreditnehmern auch im Interesse der Kunden handeln. Schließlich wünscht sich der Gesetzgeber, dass möglichst keine Darlehen an Personen vergeben werden, deren finanzielles Leistungsvermögen als nicht ausreichend gilt. Genau dies wurde allerdings im vorliegenden Fall nach Ansicht des Gerichts versäumt. So habe der Kreditnehmer zum Beispiel seine Kontoauszüge nur „optional“ für die letzten 120 Tage zur Verfügung stellen sollen. Verzichte er darauf, erhalte er laut den Angaben auf dem Internet-Marktplatz lediglich nicht die „Vergünstigung“ eines „niedrigeren Zinssatzes“, die bei Vorlage von Kontoauszügen möglich gewesen wäre, so die Richter. Die Bank als Klägerin habe sogar selbst eingeräumt, dass der Kunde vermutlich bei einer anderen Bank wegen seiner unzureichenden Bonität kein Darlehen bekommen hätte.

Die Zinsen für Ratenkredite sind in den vergangenen Monaten kräftig gestiegen – und laut dem biallo.de Ratenkredit-Vergleich so hoch wie seit 14 Jahren nicht mehr. Derzeit beläuft sich der durchschnittliche Zinssatz für Ratenkredite mit einer Laufzeit von drei Jahren auf mittlerweile fast neun Prozent. Wie Sie günstige Ratenkredite finden und mit welchen Zinsen Sie rechnen müssen, zeigt unser Ratgeber zu den Kreditzinsen.

Thomas Öchsner, Jahrgang 1961, ist seit 1991 Wirtschaftsjournalist. Bei der Münchner Abendzeitung hat er als stellvertretender Ressortleiter für das Ressort „Geld“ gearbeitet. 1999 wechselte er zur Süddeutschen Zeitung. Dort war er zunächst Redakteur für Finanzen in der Wirtschaftsredaktion in München, später neun Jahre Korrespondent für Sozial- und Arbeitsthemen in der Parlamentsredaktion in Berlin. Wieder zurück in der Münchner Zentrale leitete er das Finanzteam in der Wirtschaftsredaktion. Für die SZ hat er den wöchentlichen Newsletter „SZ Geld“ und das Magazin „GELD“ entwickelt. Seit Juni 2021 arbeitet Öchsner als selbständiger Autor für die SZ, biallo.de und andere Medien. Aktuelles Buch: Ihr Vermögensturbo ab 50, Geldanlage für eine bessere Rente.

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