Betriebliche Altersversorgung

Warum Betriebsrenten kaum steigen – das sind die Gründe 

Thomas Öchsner
Autor
Veröffentlicht am: 19.12.2025

Auf einen Blick

  • Die durchschnittliche Betriebsrente beläuft sich auf 535 Euro monatlich, wobei Frauen mit 382 Euro deutlich weniger erhalten als Männer mit 696 Euro. 
  • Millionen Betriebsrentner erhielten zuletzt oft nur ein Prozent Erhöhung pro Jahr, trotz der deutlich höheren Inflation.  
  • Warum die Erhöhungen so mager ausfallen dürfen und was sich dagegen tun lässt, erfahren Sie in dieser Analyse. 
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Viele Betriebsrentner in Deutschland sind verärgert. Sie vielleicht auch? Während die gesetzliche Rente in diesem Jahr erneut deutlich gestiegen ist, sieht die Lage bei der betrieblichen Altersversorgung oft ganz anders aus. Ruheständler mit einer zusätzlichen Betriebsrente fragen sich, warum ihre Zusatzrente kaum oder gar nicht höher wird, obwohl die Lebenshaltungskosten seit Jahren anziehen und höhere Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlen sind. Nur, warum ist das so? Biallo.de beantwortet für Sie die wichtigsten Fragen. 

Wie viel gibt’s als Betriebsrente überhaupt?  

Allzu üppig fallen Betriebsrenten meist nicht aus. 2023 haben knapp ein Drittel der Menschen im Alter ab 65 Jahren eine Rente aus einer betrieblichen Altersversorgung (BAV) erhalten. Dies geht aus Umfragedaten der Studie "Alterssicherung in Deutschland" hervor. Demnach belief sich die durchschnittliche Höhe einer Bruttorente aus der BAV 2023 auf monatlich rund 535 Euro. Frauen erhielten mit 382 Euro allerdings deutlich weniger als Männer mit 696 Euro pro Monat. Gut die Hälfte aller Betriebsrentner und Betriebsrentnerinnen bezieht eine Betriebsrente von mehr als 300 Euro. Diese Zahlen stehen im "Alterssicherungsbericht 2024" des Bundesarbeitsministeriums. Auch in Zukunft werden viele Arbeitnehmer eine Betriebsrente erhalten. Laut der Regierungsanalyse verfügen über gut die Hälfte der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten über eine betriebliche Altersversorgung (BAV), das sind mehr als 18 Millionen Arbeitnehmer. 

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Was ärgert die Betriebsrentner gerade?  

Es gibt zwei große Ärgernisse: 

Ärgernis Nummer eins sind die Abzüge. Gesetzlich Krankenversicherte müssen von der Auszahlung ihrer monatlichen Betriebsrente die vollen Beiträge an die Kranken- und Pflegeversicherung abführen, jedenfalls oberhalb eines Freibetrags bei der Krankenversicherung und einer Freigrenze bei der Pflegeversicherung (mehr dazu lesen Sie in unserem Ratgeber: "Doppelt abkassiert: Wenn die Krankenkasse bei der Betriebsrente zweimal zulangt") 

Bei Ärgernis Nummer zwei geht es um die Frage, wie oft und um wie viel Betriebsrenten erhöht werden. Die meisten Betroffenen beklagen sich darüber, dass ihre Betriebsrente jährlich nur um ein Prozent erhöht wurde. Dieser kleine Aufschlag sei gemessen an den Steigerungen der gesetzlichen Rente "ein Witz", schrieb ein Leser an den Autor dieses Textes. Dies verursache "viel Frust". Außerdem sei es sogar möglich, dass die Betriebsrente sinkt, wenn die Beitragserhöhungen in der Kranken- und Pflegeversicherung das jährliche ein Prozent Plus bei der Betriebsrente übersteigen. Andere beklagten 2die minimalen bis ganz ausbleibenden Erhöhungen" und den damit verbundenen "erheblichen Kaufkraftverlust" ihrer Betriebsrente, die mit der Entwicklung der Inflation nicht mithalten könne. Tatsächlich ist die jährliche Inflationsrate laut dem Inflationsrechner des Statistischen Bundesamts von 2000 bis 2024 um 58 Prozent hochgeschossen. Würde im selben Zeitraum eine Betriebsrente von 300 Euro um jeweils ein Prozent steigen, kämen am Ende knapp 381 Euro heraus. Das entspricht einer Erhöhung von etwa 27 Prozent, also etwa die Hälfte weniger als der Anstieg der Verbraucherpreise. Zum Vergleich: Die gesetzlichen Renten sind seit dem Jahr 2000 bis Ende 2024 für Rentner im Westen um brutto 58,3 Prozent, im Osten sogar um 82 Prozent gestiegen.

Wie ist die Erhöhung von Betriebsrenten grundsätzlich geregelt?  

Das steht im Betriebsrentengesetz, und zwar in Paragraf 16. Dort ist geregelt, wie die Arbeitgeber die Betriebsrenten anpassen müssen. Dabei haben die Unternehmen beziehungsweise die Pensionskassen, Versicherungen oder Pensionsfonds aber einen großen Spielraum, ob und um wie viel sie erhöhen. 

Variante 1: Alle drei Jahre prüft der Arbeitgeber, ob die Leistungen aus der BAV anzupassen sind. Er kann dabei, so der Wortlaut des Gesetzes, "nach billigem Ermessen" entscheiden.  

Variante 2: Variante 1 entfällt, wenn der Arbeitgeber sich verpflichtet, "die laufenden Leistungen jährlich um wenigstens eins vom Hundert anzupassen", also um ein Prozent pro Jahr zu erhöhen. Der Ein-Prozent-Modus gilt zum Beispiel für die VBL, die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder. Das ist die größte deutsche Zusatzversorgungskasse für Beschäftigte im öffentlichen Dienst mit 1,5 Millionen Betriebsrentnerinnen und ‑rentnern. 

Beide Varianten sind nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (aba) für alle fünf Wege der BAV offen (Direktversicherungen, Pensionskassen, Pensionsfonds, Direktzusage und Unterstützungskassen), unabhängig davon, ob allein der Arbeitgeber, allein der Arbeitnehmer oder beide gemeinsam die Beiträge in der Einzahlphase bezahlt haben.  

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Warum können Arbeitgeber die Erhöhung der Betriebsrente ganz oder eher mickrig ausfallen lassen?  

Anita Hashemi, Rechtsanwältin bei der Kanzlei AfA (Arbeitsrecht für Arbeitnehmer), sagte der Süddeutschen Zeitung: "Der Paragraf 16 ist ein Gummiparagraf. Er lässt den Arbeitgebern bei einer möglichen Erhöhung viel Spielraum." Das legt schon ein Blick ins Gesetz nahe. Demnach muss der Arbeitgeber eine mögliche Erhöhung der Betriebsrente zwar prüfen. "Es gibt aber keinen gesetzlichen Zwang, die Betriebsrente zu erhöhen", sagt Arbeitsrechtlerin Hashemi. Außerdem sind bei der Prüfung nicht nur "die Belange des Versorgungsempfängers", also der Betriebsrentner, sondern auch "die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers" zu berücksichtigen. "Und gerade diese schwammige Formulierung kann der Arbeitgeber für sich nutzen, um das Gesetz zu seinen Gunsten auszulegen", so die Juristin.  

Laut Gesetz ist dieser "Anpassungsprüfungspflicht" Genüge geleistet, wenn die Erhöhung der Betriebsrente "nicht geringer ist als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes für Deutschland" oder der Anstieg "der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens im Prüfungszeitraum". Doch auch daran muss sich der Arbeitgeber nicht unbedingt halten. "Die Erhöhung kann auch geringer ausfallen als der entsprechende Anstieg der Inflationsrate oder der Nettolöhne, wenn die wirtschaftliche Lage des Unternehmens nicht mehr hergibt", sagte Hashemi. Häufig werde aber Variante zwei genutzt, also die jährliche Erhöhung um ein Prozent. "Dies gilt als Escape-Klausel. Die Arbeitgeber müssen sich dann nicht mit der Prüfung alle drei Jahre herumschlagen."

Welche Möglichkeiten hat der Arbeitgeber noch?   

Auch bei der aba heißt es, es gebe "eine ganze Reihe von Möglichkeiten, wie der Arbeitgeber die recht aufwendige und streitanfällige Anpassungsprüfungspflicht ‚abwählen‘ kann".  

Beispiel eins: Werden zum Beispiel für die Zahlung der Betriebsrente aus einer Pensionskasse oder einer Direktversicherung sämtliche Überschussanteile verwendet, "braucht man nicht mehr alle drei Jahre zu prüfen", heißt es bei dem Verband. Die Überschussbeteiligung sind Gewinne, die der Träger der Betriebsrente zusätzlich erwirtschaftet hat. Man kann diese Beteiligung mit einem Bonus vergleichen, den es zusätzlich zu den vertraglich festgelegten Zinsen und Garantien obendrauf gibt.  

Beispiel zwei: Der Arbeitgeber hat eine Beitragszusage mit Mindestleistung erteilt. Dabei wird den Betriebsrentnerinnen und ‑rentnern eine bestimmte Mindestleistung in Höhe der (unverzinslich) eingezahlten Beiträge abzüglich der Beiträge für einen bestimmten Risikoausgleich zugesichert. "In diesen Fällen steigt die Betriebsrente nur dann, wenn Überschussanteile anfallen oder die tatsächlichen Erträge die eingezahlten Beiträge übersteigen", heißt es bei der aba. In der Auszahlungsphase kann es also Rentenerhöhungen geben, oder auch nicht, je nachdem, wie gut etwa der Versicherer gewirtschaftet hat. Ein zusätzlicher Anspruch auf eine jährliche Erhöhung der Rente um ein Prozent bestehe dann aber nicht.  

Dass sich an dieser Systematik etwas ändert, ist äußerst unwahrscheinlich, trotz des Ärgers unter den Betriebsrentnern: So wird bei der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung grundsätzlich auf die Gesetzeslage verwiesen: Demnach orientieren sich die gesetzlichen Renten an der Lohnentwicklung, die Betriebsrenten nicht. "Wir sehen keinen Anlass, an diesem Grundprinzip etwas zu ändern", heißt es deshalb bei der aba. 

Was können Betriebsrentner tun, wenn die Betriebsrente gar nicht oder aus ihrer Sicht unzureichend erhöht wird?  

Hat sich der Arbeitgeber für die Ein-Prozent-Regelung entschieden, müssen sich Betriebsrentner und -rentnerinnen damit abfinden. "Dagegen vor Gericht zu klagen, wird keinen Erfolg haben", sagte Rechtsanwältin Hashemi der SZ. In allen anderen Fällen rät sie, sich genau anzuschauen, warum der Arbeitgeber die Betriebsrente nicht oder in geringerem Umfang als im Gesetz angedacht erhöht. "Oft wird ohne nähere Begründung auf die wirtschaftliche Lage verwiesen."

Betriebsrentner, die sich damit nicht zufriedengeben wollen und davon überzeugt sind, dem Unternehmen gehe es doch wirtschaftlich gut, sollten schriftlich zeitnah Widerspruch einlegen. Wird der Widerspruch erwartungsgemäß abgelehnt, bleibe nur der Weg zum Arbeitsgericht. "Spätestens dort müssen Unternehmen dann schon detaillierter begründen, wie ihre wirtschaftliche Lage ist und warum keine oder nur eine geringe Erhöhung der Betriebsrente möglich ist", sagte Hashemi. 

Wollen Sie mehr zum Thema Betriebsrente wissen? Dann lesen Sie unseren Ratgeber: "Doppelt abkassiert: Wenn die Krankenkasse bei der Betriebsrente zweimal zulangt"

Thomas Öchsner, Jahrgang 1961, ist seit 1991 Wirtschaftsjournalist. Bei der Münchner Abendzeitung hat er als stellvertretender Ressortleiter für das Ressort „Geld“ gearbeitet. 1999 wechselte er zur Süddeutschen Zeitung. Dort war er zunächst Redakteur für Finanzen in der Wirtschaftsredaktion in München, später neun Jahre Korrespondent für Sozial- und Arbeitsthemen in der Parlamentsredaktion in Berlin. Wieder zurück in der Münchner Zentrale leitete er das Finanzteam in der Wirtschaftsredaktion. Für die SZ hat er den wöchentlichen Newsletter „SZ Geld“ und das Magazin „GELD“ entwickelt. Seit Juni 2021 arbeitet Öchsner als selbständiger Autor für die SZ, biallo.de und andere Medien. Aktuelles Buch: Ihr Vermögensturbo ab 50, Geldanlage für eine bessere Rente.

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