Das indirekte Vergleichswertverfahren
Falls nicht genügend Verkaufsdaten vorhanden sind, müssen zusätzlich Ersatzfaktoren in die Berechnung einbezogen werden. Ein zusätzlicher Gesichtspunkt ist die Mikrolage, bei der es besonders auf die schnellverfügbare Infrastruktur, aber auch auf die Grundversorgung und gegebenenfalls belastende Faktoren wie Lärm ankommt. Weiterhin kommen folgende Faktoren zur Bewertung infrage:
- Grundriss von Wohnung oder Haus
- Grundstücksausrichtung
- Nutzungsmöglichkeiten des Grundstücks oder Gebäudes
- Außenanlage bei Häusern, Belichtung
Daneben gibt es noch weitere Quellen zur Ermittlung des Verkehrswertes. Diese beziehen sich dann nicht konkret auf das Objekt, sondern werden aus allgemeinen Faktoren abgeleitet. Am häufigsten genutzt werden:
- Immobilienmarktberichte
- Bodenrichtwerte
- Verkaufsdaten aus Bieterverfahren
- Aktuelle Inserate in Verkaufsbörsen
Immobilienmarktberichte geben Auskunft über die Situation und Wertentwicklung von Immobilien in einer Stadt, Region oder einem Kreis wieder. Aus ihnen lassen sich Rückschlüsse zu Wertsteigerungen oder Wertverlusten gewinnen. Die Bodenrichtwerte werden vom Gutachterausschuss der Kommune oder des Kreises anhand von Kaufpreisdaten ermittelt, in größeren Städten auch in Form einer Bodenrichtwertkarte. Hieraus lassen sich dann bestimmte Lagen (schwach, mittel, gut) erkennen. Das ist insbesondere in größeren Städten von Bedeutung. Weiterhin sind Daten aus Bieterverfahren wichtig. Hierbei wird eine Immobilie in Form einer Auktion verkauft, sprich bei einer Immobilienversteigerung. Das ist eine Alternative zum klassischen Immobilienverkauf und bedeutet, dass der Meistbietende den Zuschlag erhält. Es läuft ähnlich wie bei einer Zwangsversteigerung ab, ist aber eine private Auktion. Auch aktuelle Verkaufsinserate in Verkaufsbörsen können hilfsweise für das Vergleichswertverfahren mit herangezogen werden. Das Problem hierbei ist allerdings, dass der tatsächliche Verkaufspreis damit noch nicht feststeht.
Eine Sonderform des Vergleichswertverfahrens ist das Zielbaumverfahren oder auch Wohnwertverfahren genannt. Hierbei wird anhand des indirekten Vergleichswertverfahrens unter Berücksichtigung von Baumängeln der (Rest-)Wert einer Immobilie ermittelt. Das Zielbaumverfahren nutzt dabei den Vergleich zu anderen Immobilien, die diesen Mangel nicht aufweisen und kommt mittels eines Punktesystems zu einem Ergebnis. Dieses Ergebnis lässt sich dann monetär zu anderen Vergleichsimmobilien ermitteln.
Abgrenzung vom Vergleichswertverfahren zum Sachwertverfahren
Das Sachwertverfahren ist ebenfalls üblich zur Hausbewertung. Bezugsgrößen der Methode sind der aktuelle Bodenwert und der Bauwert. Ein weiterer Faktor ist das Gebäudealter. Die Berechnung ist komplizierter, da ein Bauwert erst kalkuliert werden muss. Er gibt den Wert an, den das Gebäude hat, wenn es heute errichtet würde. Prozentual hiervon wird das Gebäudealter abgezogen. Man geht dabei von einem maximalen Gebäudewert von 80 Jahren aus, falls nicht zwischenzeitlich modernisiert worden ist. Dies Verfahren eignet sich auch bei der Wertermittlung gewerblich genutzter Gebäude. Der Haken bei diesem Verfahren ist, dass die Marktsituation bei der Wertermittlung nur indirekt durch die Entwicklung bei den Bodenwerten und bei der Baupreisentwicklung berücksichtigt wird. Das Ergebnis ist daher nicht so präzise wie beim Vergleichswertverfahren für die selbst genutzte Immobilie. Daher findet das Sachwertverfahren meist Anwendung, wenn das Vergleichswertverfahren wegen zu geringer Verkäufe gleichwertiger Immobilien nicht zielführend nutzbar ist. Dies gilt beispielsweise bei sehr individuell gestalteten Eigenheimen.
Weiterhin von Bedeutung für die Wertermittlung von Immobilien ist das Ertragswertverfahren. Wie der Name schon sagt, wird dabei der Ertrag einer Immobilie bewertet, die Basis dafür bilden die Mieteinnahmen. Daher findet dies Verfahren bei selbst genutzten Immobilien auch keine Anwendung. Allenfalls bei gemischt genutzten Immobilien, wenn neben der Eigennutzung auch ein Teil des Gebäudes vermietet wird, bietet sich das Ertragswertverfahren ergänzend zum Vergleichswertverfahren an.
Die Grenzen des Vergleichswertverfahrens
Ein Vergleichswertverfahren hat seine Grenze, wenn nicht genügend Objekte in einem Gebiet (Lage, Gemeinde) verkauft wurden. Das heißt etwa fünf Objekte innerhalb eines Jahres. Je weniger Objekte, desto geringer auch die Aussagekraft. Nicht nur die Lage sind hier zu nennen, sondern auch die Art der Immobilie. So ist der Wert einer Villa in einem Arbeiterstadtteil über dieses Verfahren grundsätzlich schwierig zu ermitteln. Auch für individuell erstellte Häuser ist das Verfahren nicht immer das Beste. Hinzukommen auch die allgemeinen Probleme bei Festlegung eines Wertes. Eine Bruchbude in einer guten Lage oder das immer zeitgemäß in Schuss gehaltene Haus sind eine Herausforderung für die Wertermittlung. Das Vergleichswertverfahren ist hingegen sehr gut geeignet, den richtigen Wert zu ermitteln, wenn die Immobilie oder das Grundstück nicht aus dem „Rahmen“ fällt.
Auch andere Punkte machen eine Bewertung von Häusern meist schwierig. Beispielsweise ein Haus auf einem Erbbaugrundstück oder falls Wegerechte eingeräumt werden müssen. Es handelt sich dadurch um belastete Grundstücke, die in ihrem Wert gemindert sind. Hier kann kaum zur Wertermittlung das Vergleichswertverfahren herangezogen werden. Denn dadurch würde ein Vergleich zwischen belasteten und unbelasteten Grundstücken und Gebäuden stattfinden. Allerdings kann die Wertminderung vom ermittelten Durchschnittpreis beim Vergleichswertverfahren abgezogen werden, um so zu einem realistischen Verkehrswert zu kommen. Dabei gilt dann, dass der Abschlag nicht größer als etwa 30 bis 35 Prozent sein soll, damit das Vergleichswertverfahren seine Gültigkeit behält. Dies ist insbesondere auch dann wichtig, falls außerdem indirekte Vergleichswertverfahren zur Ermittlung des Haus- oder Wohnungswertes herangezogen wurden.
Beispiel für die Berechnung des Immobilienwertes nach dem Vergleichswertverfahren
Nach dem Vergleichswertverfahren werden ähnliche Immobilien ermittelt, alle weisen einen Kaufpreis zwischen 200.000 bis 230.000 Euro aus. Hieraus lässt sich dann relativ einfach ein unterer Wert von 200.000 Euro als Vergleichswert feststellen. Auch die örtlichen Gutachterausschüsse gehen bei der Wertermittlung häufig so vor. Anpassungen des Wertes nach oben oder unten kann es noch bei deutlich schlechterem oder deutlich besserem Erhaltungszustand geben. Das heißt, der obere Wert gilt für eine im Zustand gute Immobilie, der untere Wert für eine mittelmäßige Immobilie mit Renovierungsaufwand.
- Wohnung 90 qm
- Baujahr 1986
- 2. OG/Dachgeschoss
- Zustand: baujahrtypisch
- Ausstattung gut/zeitgemäß
- Stellplatz vorhanden
- Keller vorhanden
- Wohnung zum Verkauf
Aufgrund von Vergleichsobjekten ergibt sich ein Vergleichswert von 2.300 Euro je Quadratmeter. Dies ergibt einen vorläufigen Marktwert (Immobilienwert) von 207.000 Euro bei 90 Quadratmetern. Um zum endgültigen Marktwert zu kommen, müssen noch die individuellen Merkmale der Wohnung berücksichtigt werden. In diesem Fall verfügt die Wohnung über eine zwei Jahre alte Heizung und ebenso alte Fenster. Dies sind zwei Merkmale, die in dieser Form bei den Vergleichswohnungen nicht vorhanden sind und zu einer Preissteigerung führen. Die genaue Berechnung hängt normalerweise von der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von Heizung und Fenstern ab. Da die Vergleichswohnungen ebenso über Heizungen und Fenster verfügen, ist diese Berechnung nicht ganz zielführend, der reine Abschreibungswert wäre zu gering. Bei Investitionskosten für Heizung und Fenster von 22.000 Euro und einer Abnutzung von zwei Jahren, kann in diesem Fall ein Mehrwert von 50 Prozent berücksichtigt werden. Dies entspricht 11.000 Euro. Damit beläuft sich der Marktwert nach dem Vergleichswertverfahren auf 218.000 Euro.
Wichtig zu wissen: Der ermittelte Wert nach dem Vergleichswertverfahren ist nicht automatisch auch der Preis der Immobilie. Dieser kann durchaus auch noch höher oder niedriger liegen, je nachdem wie gefragt die Immobilie tatsächlich ist. Beim Verkauf der Immobilie wird man jedoch den ermittelten Wert als Kaufpreis nehmen.
Bewertungsportale setzen auf das Vergleichswertverfahren
Die Bewertung von Immobilien durch Onlineportale beruht meist auf dem Vergleichswertverfahren. Diese Vergleichswertrechner zeigen anhand der gemachten Angaben einen Wert oder eine Wertspanne an. Gerade wenn nur ein Wert angezeigt wird, sind die Erläuterungen wichtig. Eine Wertspanne ist eigentlich besser. So zeigt beispielsweise PriceHubble eine Spanne an, in der sich der realistische Wert bewegt. Der untere gilt beispielsweise für eine Wohnung, die als renovierungsbedürftig gilt, der obere Wert für Objekte, die in einem so guten Zustand sind, dass man dort praktisch sofort einziehen könnte.
Die Wertermittlungsportale für Immobilien sind meist kostenlos, zumindest für den groben Überblick. Dennoch sind die Portale nicht immer dazu geeignet, den wirklichen Wert einer Immobilie festzustellen. Zum einen gibt es das Problem vernachlässigter Immobilien, die schnell im Wert zu hoch bewertet werden, oder die Immobilien sind individuell gestaltet und fallen aus dem normalen Bewertungsschema raus. Um dann zu einem realistischen Verkaufspreis zu kommen, muss ein Gutachten eingeholt werden. Eine Alternative beim Verkauf sind erfahrene örtliche Immobilienmakler, die auch individuelle Häuser oder Wohnungen meist gut einschätzen können. Eine andere Möglichkeit zur Wertermittlung sind Kurzgutachten von einem Sachverständigen, die meistens für einen Verkauf ausreichen. Die Kosten bewegen sich meist in einem unteren dreistelligen Eurobereich.
Wenn ein Wertermittlungsportal nicht ausreicht
Es gibt Situationen da reicht das beste Wertermittlungsprotal nicht aus. Dies trifft auf folgende Fälle zu:
Es sind immer zwei Parteien, die mit der Immobilie verbunden sind. Bei der Scheidung geht es nicht nur darum, wer diese weiter bewohnt, es geht um die Wertfeststellung im Finanzausgleich beider Parteien. Gerade bei der Scheidung gibt es noch ein weiteres Problem: Die Weiterfinanzierung muss geklärt werden. Daher betreffen Scheidungen häufig auch die Baufinanzierung.
Ein weiterer Fall betrifft Schenkung oder Erbschaft. Auch hier ist es wichtig, dass die Erben für den nötigen Finanzausgleich über den Wert informiert werden. Ein anderer Fall sind spezielle Immobilien, hierzu zählen Erbbauhäuser oder Grundstücke mit Wegerecht. In beiden Fällen sind erst umfangreiche Berechnungen notwendig, um den Wert zu bestimmen.
Sowohl im Rahmen einer Scheidung wie auch bei einer Erbschaft/Schenkung ist ein Wertgutachten über diese Immobilie notwendig, um Streitigkeiten zu vermeiden. Diese Wertgutachten können nur durch zugelassene Gutachter durchgeführt werden. Die Kosten sind vom Arbeitsaufwand abhängig. Mit rund 1.000 Euro sollte gerechnet werden, umfangreiche Gutachten können deutlich teurer sein.