Börsen-Routinier Hans A. Bernecker sieht den Zustand der deutschen Wirtschaft im Gespräch mit biallo.de durchaus kritisch: „In Deutschland passiert zu wenig hinsichtlich neuer Trends – das ist gerade jetzt in dieser Corona-Zeit nicht gut. Jeder Trend braucht Leader mit neuen Ideen und neuen Produkten, wie es in den USA zum Beispiel Amazon ist. Das fehlt hierzulande.“ Trotzdem bleibt der Grandseigneur der deutsche Börsenszene „vorsichtig optimistisch“ für den Dax, wenn er Richtung Jahresende blickt: „14.500 Punkte könnten dann möglich sein.“
Bernecker versus Leuschel: Dax-Ziel 8.000 oder 14.500?
Auf einen Blick
- Grandseigneur Hans A. Bernecker sieht eine „vorsichtige Tendenz“ nach oben – aber zu wenig Innovationsgeist in Deutschland.
- Börsenguru Roland Leuschel sagt einen „gigantischen Finazcrash“ voraus, der nur mit 1929 zu vergleichen sei.
- Bernecker empfiehlt deutsche Automobilaktien, Leuschel Gold.
Biallo-Tipp: Jetzt bis zu zehn Prozent Dividende sichern
Leuschel: „Börsen außer Rand und Band“
Das sieht Crash-Prophet Roland Leuschel naturgemäß komplett anders. Er rechnet dann für den Deutschen Aktienindex mit einer Zahl „Richtung 8.000.“ Und fügt im Interview mit biallo.de gleich die passende Begründung hinzu: „Die Börsen sind außer Rand und Band geraten, sie sind nach herkömmlichen Maßstäben völlig überbewertet.“
Dass die wichtigsten Notenbankchefs der Welt fast grenzenlose Liquidität in die Märkte pumpen, würde früher oder später zu einem bösen Erwachen führen: „Ich habe 1986/87 den Crash richtig vorausgesagt. Aber heute ist alles noch viel schlimmer. Deswegen glaube ich, dass ein gigantischer Finanzcrash bevorsteht. Er wird nur mit 1929 zu vergleichen sein.“
Welcher „Schwarze Schwan“ – also welches unerwartete Ereignis – der Auslöser dafür sein könnte, kann Leuschel natürlich nicht genau voraussagen. In Deutschland könnten nach seiner Meinung die durch die Corona-Unterstützungsmaßnahmen des Bundes „nur aufgeschobenen“ Firmen-Insolvenzen und das nachfolgende Anwachsen der Arbeitslosenzahl für schwere soziale Erschütterungen sorgen. Weltweit sieht er die zweite Welle der Corona-Pandemie und den Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen als große Risiken. Leuschel: „Fest steht für mich, dass die Blase irgendwann platzen wird. Der Auslöser kann zum Beispiel auch ein kleiner Krieg mit globalen Wirkungen sein.“
Lesen Sie auch: Hilfe in der Corona-Krise: Kurzarbeitergeld läuft bis Ende 2021
Raus aus Aktien, rein ins Gold?
Leuschels Empfehlung für Privatanleger ist deshalb deutlich: „Man sollte aus Aktien rausgehen, weil man es jetzt noch in Ruhe tun kann. Wenn einmal Panik herrscht, ist man oft nicht mehr Herr seiner Gedanken.“ Selbst Immobilien hält Roland Leuschel für zu riskant. Sicher ist nach seiner Meinung nur eine Anlage in physischem Gold, also Barren oder Anlagemünzen. „Ich habe inzwischen 70 Prozent so angelegt“, sagt der Mann, der zusammen mit Claus Vogt Chefredakteur des kritischen und unabhängigen Börsenbriefs „Krisensicher Investieren“ ist.
Auch Hans A. Bernecker, der die Bernecker Börsenbriefe zu einer Erfolgsmarke gemacht hat, sieht für Gold ein großes Aufwärtspotenzial: „Das Kursziel liegt bis 2024 bei 3.000 Dollar.“ Das wäre nach jetzigem Stand ein Zuwachs von fast 60 Prozent in vier Jahren, also solide 15 Prozent pro Jahr. Auch bei der Kryptowährung Bitcoin – das manche als „digitales Gold“ bezeichnen – ist Bernecker mit seinem Team mit von der Partie: „Allerdings muss man hier mit Blick auf die Charttechnik agieren, weil es ein technisches Medium ist.“
Lesen Sie auch: Ist Bitcoin ein sicherer Hafen in Krisenzeiten?
Bernecker: „Comeback deutscher Automobil-Werte die beste Wette“
Mindestens genauso große Chancen sieht Bernecker allerdings ins ausgewählten Aktien. „Die Börse ist wie ein Pendel, das immer hin- und herschwingt. Deswegen wurden die Übertreibungen in den Big-Tech-Aktien schon teilweise abgebaut. Und traditionellere Werte wie IBM oder 3M werden im Gegenzug wieder interessanter werden.“
Noch größere Chancen sieht der erfahrene Börsen-Experte jedoch in deutschen Automobil-Werten wie Volkswagen, BMW oder Daimler. Die haben nach einem langen Abwärtstrend zuletzt schon wieder etwas aufgeholt, sind aber noch weit von ihren einstigen Höchstständen entfernt. „Die Comeback-Spekulation auf deutsche Automobil-Werte ist für mich derzeit die beste Wette“, so Bernecker. Diese hätten zwar im Gegensatz zu US-Leader Tesla die ersten Jahre der Elektromobilität verschlafen, würden aber gerade eine passende Strategie für das neue Trendthema entwickeln.
Laut Bernecker seien deutsche Firmen im Durchschnitt zwar konservativer als zum Beispiel Leader-Unternehmen aus den USA, „dafür arbeiten sie aber gründlicher.“ Qualität made in Germany bleibe auch in Zukunft eine Marke, weshalb auch der Dax langfristig seinen Weg nach oen trotz Rücksetzern fortsetzen werde.
Lesen Sie auch: Tesla attackiert deutsche Autobauer