Nun ist es amtlich: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat bei ihrer heutigen Ratssitzung in Amsterdam offiziell bestätigt, dass sie die Leitzinsen bei ihrem nächsten Treffen am 21. Juli zum ersten Mal seit elf Jahren anheben will – und zwar um 0,25 Prozentpunkte. Ein weiterer Zinsschritt soll dann im September folgen. Ob dieser noch deutlicher ausfallen wird, ließ die EZB offen.
Aktien- und Anleihenmärkte unter Druck
Auch wenn die Mehrheit der Ökonomen mit einem ersten Zinsschritt der EZB im Juli gerechnet hatte, sind die Aktienmärkte nach der Ratssitzung unter Druck geraten. Der deutsche Leitindex Dax etwa weitete seine Tagesverluste nach dem Zinsentscheid aus und ging bei knapp 14.200 Punkten aus dem Handel, was ein Minus von rund 250 Punkten oder 1,7 Prozent bedeutet. Zu den größten Verlierern im Dax zählten vor allem die kapitalintensiven Wachstumswerte wie Zalando, HelloFresh oder Delivery Hero mit Kursabschlägen von rund fünf bis gut acht Prozent.
Auch die Notierungen von Bundesanleihen gerieten in einer ersten Reaktion nach dem EZB-Zinsentscheid unter Druck. In der Folge kletterten die Renditen von zehnjährigen Staatsanleihen auf bis zu 1,47 Prozent – so hoch stand die Bundrendite seit gut acht Jahren nicht mehr. Zum Vergleich: Anfang März rentierten zehnjährige Bundespapiere noch im negativen Bereich.
Zinswende bei Sparzinsen bereits angekommen
Während Kreditnehmer, vor allem Häuslebauer, über das höhere Zinsniveau ächzen, scheint für Sparer endlich wieder Licht am Ende des Tunnels in Sichtweite. Denn wenn die EZB den negativen Einlagensatz im September auf null oder gar 0,25 Prozentpunkte setzt, dann wird das vielgehasste Verwahrentgelt auf dem Tagesgeld oder Girokonto spätestens ab Oktober 2022 ebenfalls der Vergangenheit angehören.
Bei der ein oder anderen VR-Bank oder Sparkasse dürften dann sogar wieder Zinsen auf Guthaben gezahlt werden. Auch das Tagesgeld könnte schon bald ein Comeback feiern. Laut Biallo-Recherche hat in den vergangenen Wochen bereits knapp ein Dutzend Banken das Verwahrentgelt abgeschafft oder die Freibeträge zumindest deutlich ausgeweitet – darunter auch große Banken wie die ING, die Sparda-Bank Hannover oder die Degussa Bank.
Biallo-Festgeld-Index im Aufwärtstrend
Auch bei den Festgeldzinsen scheint die Trendwende bereits eingeläutet zu sein. Viele heimische Anbieter haben ihre Konditionen fürs Festgeld im Mai deutlich angehoben – unter anderen die Deutsche Pfandbriefbank, die Debeka und die Creditplus Bank. Laut Biallo-Festgeld-Index sind die durchschnittlichen Festgeldzinsen bei einjähriger Laufzeit seit Mitte April vom Rekordtief bei 0,13 Prozent auf nunmehr 0,19 Prozent gestiegen.
Die Top-Anbieter im Festgeld-Vergleich von biallo.de bieten deutlich mehr als der Durchschnitt. Bei zwölf Monaten Laufzeit winken in der Spitze bis zu 1,05 Prozent, bei 24 Monaten bis zu 1,30 Prozent pro Jahr. Das beste Festgeld mit deutscher Einlagensicherung kommt aktuell von der Deutschen Pfandbriefbank (Pbb Direkt), die für zwölf und 24 Monate nun 0,50 beziehungsweise 0,80 Prozent aufruft. Direkt dahinter folgen die Isbank*, Creditplus* und SWK Bank, die für 24 Monate 0,65 bis 0,75 Prozent pro Jahr bieten. Die Creditplus zahlt ab 13. Juni bei zweijähriger Laufzeit sogar 1,0 Prozent pro Jahr und verdrängt somit die Pfandbriefbank von Platz eins unter den Anbietern mit deutscher Einlagensicherung.
Festgeld im Ausland anlegen
Wenn Sie mehr Zinsen abstauben wollen, werden Sie bei ausländischen Anbietern fündig. Allerdings müssen Sie dann auch teilweise Abstriche bei der Einlagensicherung in Kauf nehmen. Ausführliche Informationen erhalten Sie in unserem Ratgeber „Festgeld im Ausland anlegen“. Egal ob im In- oder Ausland, generell sollten Sie nie mehr als 100.000 Euro bei einer Bank anlegen. Denn nur bis zu dieser Höhe sind Ihre Sparguthaben im Entschädigungsfall gesetzlich garantiert.
Außerdem raten wir derzeit, Festgeld maximal für zwei Jahre anzulegen und das Vermögen auf unterschiedliche Laufzeiten zu verteilen – zum Beispiel auf sechs, zwölf oder 18 Monate mit der sogenannten Treppenstrategie. Das hat den Vorteil, dass Sie nicht mit Ihrem gesamten Anlagevermögen für zwei Jahre gebunden sind, sondern flexibel auf weitere EZB-Zinserhöhungen und in der Folge steigende Festgeldzinsen reagieren können, indem Sie den jeweils freiwerdenden Betrag dann zu wahrscheinlich noch besseren Konditionen anlegen können.
Festgeld gleicht Inflation nur zum Teil aus
Fakt ist: Auch wenn die Sparzinsen weiter steigen, werden Sie mit klassischen Sparprodukten angesichts der hohen Inflationsraten unterm Strich eine negative Realrendite erzielen. So rechnet die EZB im laufenden Jahr mit einer durchschnittlichen Inflationsrate von 6,8 Prozent. 2023 und 2024 werden 3,5 respektive 2,1 Prozent erwartet.
Dass die durchschnittlichen Festgeldzinsen auf absehbare Zeit über der Inflationsrate liegen werden, ist angesichts der hohen Staatsverschuldung sehr unwahrscheinlich. Daher eignen sich Tages- und Festgeld nicht für den Vermögensaufbau. Als Liquiditätssicherung sind beide Anlageformen aber nach wie vor alternativlos.