Finanzmärkte

EZB: Was das neue Milliardenpaket für Anleger bedeutet

Redaktion
Redakteur
Veröffentlicht am: 11.12.2020

Auf einen Blick

  • Die Europäische Zentralbank pumpt weitere 500 Milliarden Euro in den Markt. Sie will damit die Staaten bei ihrem Kampf gegen die Corona-Krise unterstützen.
  • Die Anleihenkäufe der EZB ermöglichen es den Ländern, sich zu verschulden, ohne dafür höhere Zinsen in Kauf nehmen zu müssen. So will die Notenbank eine erneute Staatsschuldenkrise verhindern.
  • Trotz der möglichen Konjunkturerholung rechnen Experten auf absehbare Zeit nicht mit steigenden Zinsen. Für Zinsanleger bleiben die Zeiten daher hart. Die Aktienmärkte dürften jedoch profitieren.
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Bei solchen Summen reibt sich sogar Robert Halver die Augen: „Ja is‘ denn heute scho‘ Weihnachten?“, fragt sich der Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank in seinem jüngsten Marktkommentar. Halver beschäftigt sich darin mit dem Rettungsprogramm, mit dem die Europäische Zentralbank (EZB) den Euroländern bei der Bewältigung der Corona-Krise beispringt. Und tatsächlich kann es Marktbeobachtern bei den Zahlen, um die es dabei geht, schwindlig werden.

Um weitere 500 Milliarden auf nunmehr 1,85 Billionen Euro stocke die EZB ihr Programm auf, kündigte Notenbankchefin Christine Lagarde jetzt an. Das Geld soll bis 2022 in den Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen fließen. Die neuerliche, gewaltige Liquiditätsspritze soll die Staaten in die Lage versetzen, ihre Ausgabenprogramme in der zweiten Welle der Pandemie zu finanzieren und die Wirtschaft der Eurozone am Laufen zu halten.

Märkte hatten den Schritt erwartet

„Die Pandemie stellt weiter gravierende Risiken für die Gesundheit der Allgemeinheit sowie für die Wirtschaft der Euro-Zone und der Weltwirtschaft dar“, begründete Lagarde die Entscheidung der Notenbank. Die Aktienmärkte allerdings nahmen das Hilfspaket eher zurückhaltend auf. Der Deutsche Aktienindex (Dax) schloss am Donnerstag leicht im Minus. Auch am Freitag musste der Dax Verluste von bis zu zwei Prozent hinnehmen, die psycholgisch wichtige 13.000-Punkte-Marke konnte allerdings verteidigt werden.

„Der Markt hatte diesen Schritt bereits erwartet“, sagte Andrew Mulliner, Portfolio-Manager beim Vermögensverwalter Janus Henderson Investors. Überraschend sei lediglich die Ankündigung gewesen, dass die EZB ihre Anleihenkäufe bis März 2022 verlängere. „Die EZB möchte das Bild einer Zentralbank vermitteln, die die Unsicherheit für den privaten Sektor verringert. Das ist ihr gelungen“, meinte Andreas Billmeier, Analyst beim Vermögensverwalter Western Asset Management.

Euroländer können sich günstig verschulden

Tatsächlich ermöglicht die Notenbank mit ihrem gigantischen Ankaufprogramm für Staatsanleihen den Ländern der Eurozone, sich bis ins Jahr 2022 hinein zu verschulden, ohne dafür höhere Zinsen zahlen zu müssen. So hält die Notenbank derzeit etwa Bundesanleihen von mehr als 730 Miliarden Euro. Das ist rund ein Drittel der deutschen Schulden. Gleichzeitig sind deutsche Staatsanleihen zurzeit negativ verzinst. Die Renditen von zehnjährigen Papieren pendeln derzeit um die Marke von minus 0,60 Prozent. Das bedeutet: Der Bund muss weniger Geld an die EZB und andere Investoren zurückzahlen, als er ihnen geliehen hat.

Ähnlich sieht es bei anderen Ländern aus. Zwar gewährt der Markt dem EU-Sorgenkind Italien derzeit keine Minuszinsen. Allerdings erhält das Land von der EZB 210 Milliarden Euro, um damit seine gesamten öffentlichen Investitionen für die nächsten fünf Jahre zu decken – und das zu einem historisch niedrigen Zins von 0,6 Prozent bei Anleihen mit zehnjähriger Laufzeit. Die EZB mache mit ihrer Strategie „unmissverständlich klar, dass sie eine neue Staatsschuldenkrise verhindern wird“, sagt Kapitalmarktexperte Robert Halver.

Gleichzeitig versucht die Notenbank mit ihrer Liquiditätsschwemme einer Deflation entgegen zu wirken. Ein solcher anhaltender Rückgang der Preise wäre schlecht für die Erholung der Wirtschaft, weil die Konsumenten sich dann in Erwartung weiter sinkender Preise mit Käufen zurückhalten und Bargeld horten. Derzeit liegt die Teuerung in der Eurozone lediglich bei 0,2 Prozent. Die Inflation sei nach wie vor „enttäuschend niedrig“, sagte EZB-Chefin Lagarde am Donnerstag. Ziel der Notenbank ist eine Teuerungsrate knapp unter zwei Prozent.

Harte Zeiten für Zinsanleger – Aktienmärkte profitieren

Trotz der lockeren Geldpolitik rechnen Experten jedoch auf absehbare Zeit nicht mit deutlich höheren Inflationsraten – und damit höheren Zinsen der EZB. Zwar könnten durch die konjunkturelle Erholung in den nächsten beiden Jahren die Inflationserwartungen steigen und so ein „gewisser Zinssteigerungsdruck“ entstehen“, meint Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner und Reuschel. Gleichzeitig müsste die Notenbank wegen der hohen Schulden jedoch die Zinsen weiterhin niedrig halten.

Für Zinsanleger bleiben Zeiten damit weiterhin hart. Gute festverzinsliche Anlagemöglichkeiten sind nur schwer zu finden. Was aber nicht ausschließt, dass einzelne Anbieter immer wieder Kunden mit vergleichsweise hohen Zinsen locken können.

Insgesamt jedoch unterstützt die Entwicklung aber vor allem„reale Anlageklassen wie Aktien, Immobilien und Edelmetalle“, sagt Experte Mumm. Ähnlich sieht es Robert Halver: Der Kapitalmarktexperte rechnet nicht vor 2024 mit Zinssteigerungen. Die „Liquditätshausse“ bleibe daher noch eine ganze Weile bestehen. Davon profitierten die Aktienmärkte. Zwar seien die Aktien der großen US-Technologiefirmen zum Teil sehr hoch bewertet, meint Halver. Ein „Crash-Winter“ sei aber nicht zu befürchten. 

Und für 2021 verleihe die konjunkturelle Erholung auch konjunkturabhängigen Aktien wieder Schwung. Der Aufschwung am Aktienmarkt werde dadurch breiter und stabiler, Value-Titel festigten sich gegenüber den Wachstumswerten. Damit laufe der „Aktienmotor nicht mehr nur auf dem einen, dem High-Tech-Zylinder“, so Halver.

Gleichzeitig sorge das Megathema Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien für Schwung. So werden sich die USA unter dem neuen Präsidenten Joe Biden verstärkt dem Klima- und Umwelschutz widmen. Aktien aus diesem Bereich dürften dann Boden gegenüber den Technologie-Firmen gut machen. Alles in allem, so Robert Halver, stehen daher 2021 die Zeichen für die Aktienmärkte gut: „Sozusagen Weihnachten das gesamte nächste Jahr“.

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