Märkte hatten den Schritt erwartet
„Die Pandemie stellt weiter gravierende Risiken für die Gesundheit der Allgemeinheit sowie für die Wirtschaft der Euro-Zone und der Weltwirtschaft dar“, begründete Lagarde die Entscheidung der Notenbank. Die Aktienmärkte allerdings nahmen das Hilfspaket eher zurückhaltend auf. Der Deutsche Aktienindex (Dax) schloss am Donnerstag leicht im Minus. Auch am Freitag musste der Dax Verluste von bis zu zwei Prozent hinnehmen, die psycholgisch wichtige 13.000-Punkte-Marke konnte allerdings verteidigt werden.
„Der Markt hatte diesen Schritt bereits erwartet“, sagte Andrew Mulliner, Portfolio-Manager beim Vermögensverwalter Janus Henderson Investors. Überraschend sei lediglich die Ankündigung gewesen, dass die EZB ihre Anleihenkäufe bis März 2022 verlängere. „Die EZB möchte das Bild einer Zentralbank vermitteln, die die Unsicherheit für den privaten Sektor verringert. Das ist ihr gelungen“, meinte Andreas Billmeier, Analyst beim Vermögensverwalter Western Asset Management.
Euroländer können sich günstig verschulden
Tatsächlich ermöglicht die Notenbank mit ihrem gigantischen Ankaufprogramm für Staatsanleihen den Ländern der Eurozone, sich bis ins Jahr 2022 hinein zu verschulden, ohne dafür höhere Zinsen zahlen zu müssen. So hält die Notenbank derzeit etwa Bundesanleihen von mehr als 730 Miliarden Euro. Das ist rund ein Drittel der deutschen Schulden. Gleichzeitig sind deutsche Staatsanleihen zurzeit negativ verzinst. Die Renditen von zehnjährigen Papieren pendeln derzeit um die Marke von minus 0,60 Prozent. Das bedeutet: Der Bund muss weniger Geld an die EZB und andere Investoren zurückzahlen, als er ihnen geliehen hat.
Ähnlich sieht es bei anderen Ländern aus. Zwar gewährt der Markt dem EU-Sorgenkind Italien derzeit keine Minuszinsen. Allerdings erhält das Land von der EZB 210 Milliarden Euro, um damit seine gesamten öffentlichen Investitionen für die nächsten fünf Jahre zu decken – und das zu einem historisch niedrigen Zins von 0,6 Prozent bei Anleihen mit zehnjähriger Laufzeit. Die EZB mache mit ihrer Strategie „unmissverständlich klar, dass sie eine neue Staatsschuldenkrise verhindern wird“, sagt Kapitalmarktexperte Robert Halver.
Gleichzeitig versucht die Notenbank mit ihrer Liquiditätsschwemme einer Deflation entgegen zu wirken. Ein solcher anhaltender Rückgang der Preise wäre schlecht für die Erholung der Wirtschaft, weil die Konsumenten sich dann in Erwartung weiter sinkender Preise mit Käufen zurückhalten und Bargeld horten. Derzeit liegt die Teuerung in der Eurozone lediglich bei 0,2 Prozent. Die Inflation sei nach wie vor „enttäuschend niedrig“, sagte EZB-Chefin Lagarde am Donnerstag. Ziel der Notenbank ist eine Teuerungsrate knapp unter zwei Prozent.
Harte Zeiten für Zinsanleger – Aktienmärkte profitieren
Trotz der lockeren Geldpolitik rechnen Experten jedoch auf absehbare Zeit nicht mit deutlich höheren Inflationsraten – und damit höheren Zinsen der EZB. Zwar könnten durch die konjunkturelle Erholung in den nächsten beiden Jahren die Inflationserwartungen steigen und so ein „gewisser Zinssteigerungsdruck“ entstehen“, meint Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner und Reuschel. Gleichzeitig müsste die Notenbank wegen der hohen Schulden jedoch die Zinsen weiterhin niedrig halten.
Für Zinsanleger bleiben Zeiten damit weiterhin hart. Gute festverzinsliche Anlagemöglichkeiten sind nur schwer zu finden. Was aber nicht ausschließt, dass einzelne Anbieter immer wieder Kunden mit vergleichsweise hohen Zinsen locken können.