Geld von den Reichen zu nehmen und den Armen zu geben hört sich solidarisch an. Vor allem, wenn die Reichen im konkreten Fall Hedgefonds sind. Im Volksmund auch "Heuschrecken" genannt. Dabei handelt es sich um institutionelle Investoren, welche an der Börse mitunter durch nicht selten riskante Wetten auf spezifische Kursentwicklungen Gewinnmargen erzeugen. Hierzu "leihen" sich die Spekulanten die entsprechenden Wertpapiere gegen Gebühr und geben diese nach der Markttransaktion dem Verleiher zurück. Die Differenz zwischen Verkauf und Ankauf streicht der Hedgefonds ein. Im Fachjargon nennt sich dieses Vorgehen auch Leerverkauf.
Rechtlich gesehen sind solche Kapitalmarkttransaktionen zunächst unproblematisch, so lange es sich um "gedeckte Leerverkäufe" handelt. Der Leerverkäufer muss sich also zum Zeitpunkt des Verkaufs im Besitz der entsprechenden Wertpapiere sein beziehungsweise sie geliehen haben.
- Lesen Sie auch: Differenzkontrakte: Was sind eigentlich CFDs?
Robin Hoods an der Börse
Auf der anderen Seite steht wie so oft die Moral. Institutionellen Investoren wird oftmals vorgeworfen, durch Short-Attacken betroffenen Unternehmen und ihren Mitarbeitern zu schaden, sie sogar regelrecht ausbluten zu lassen. Nun wollten vor allem junge Trader – die "Generation Robinhood" – ein Zeichen setzen und die Hedgefonds mit ihren eigenen Waffen schlagen.
Die Youngsters verabredeten sich auf Social-Trading-Platformen wie etwa Redddit Wallstreetbets oder der Trading-App Robinhood und kauften niedrig bewertete Aktien, wie die des Videospielhändlers Gamestop oder des Kinobetreibers AMC Theatres, wodurch deren Kurse natürlich kräftig in die Höhe schossen. Hedgefonds, die auf fallende Kurse der Unternehmen gesetzt hatten, fuhren im Gegenzug kräftige Verluste ein.
Der Kampf zwischen Reddit-Tradern und Hedgefonds führte zu heftigen Marktturbulenzen, die betroffenen Aktien zeigten höchst volatile Kursbewegungen. Durch den Ansturm der Trader waren Handelsplätze wie die Hamburger LS Exchange über bestimmte Broker teilweise nur schwer oder gar nicht mehr erreichbar. Das Transaktionsvolumen war allerdings so hoch, dass es auch auf alternativen Handelsplätzen wie Tradegate nicht besser aussah. Das wiederum veranlasste den Neobroker Trade Republic, den Handel mit betroffenen Werten völlig auszusetzen. Entsprechend groß fiel der Aufschrei unter betroffenen Privatinvestoren aus. Recht schnell stand schließlich die Anschuldigung "Marktmanipulation" im Raum, weshalb sich Trade Republic schon einen Tag später ziemlich zerknirscht zeigte und sich bei den Anlegern entschuldigte.
Biallo-Tipp
Wie Experten die Lage einschätzen
Marktexperte Andreas Lipkow von der Comdirect zeigt im Gespräch mit biallo.de wenig Verständnis für die Situation, in die sich die Fonds teilweise selbst manövriert hatten: "Es ist für mich fraglich, wie sich institutionelle Investoren in eine solche Situation pressieren lassen konnten. Es kam in den vergangenen Jahren zwar immer wieder zu legendären Implosionen solcher spezialisierten Fonds, doch zogen diese meist scharfe Nachregulierungen und Gesetzesverschärfungen nach sich", sagt Lipkow. "Die Handelsmethodik Long-/ Short Equity wird wohl auch in Zukunft weiter Bestand haben. Lediglich das Ausmaß der Leerverkäufe und die Positionengrößen dürften höchstwahrscheinlich wesentlich kleiner werden. Eine langfristige Veränderung des Handelsgebarens erwarte ich somit nicht."
Finanzexperte Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg äußert vor allem Kritik an der Vorgehensweise von Trade Republic mit Blick auf die eingesetzten Handelsbeschränkungen: "Eine einseitige Leistungsbestimmung des Brokers ist inakzeptabel. Wer den Handel von Wertpapieren anbietet, darf nicht nach billigem Ermessen den Handel in ausgewählten Wertpapieren kurzerhand aussetzen, wenn zugleich die Wertpapiere an den Börsen weiter gehandelt werden", kritisiert Nauhauser. "Die Begründung von Trade Republic, man habe mit der Beschränkung Anleger vor Schaden bewahren wollen, ist fadenscheinig, weil das Geschäftsmodell von Trade Republic gerade darin besteht, riskante Wertpapiergeschäfte der Anleger abzuwickeln." So habe sich der Discountbroker in seinen AGB lediglich die Wahl der Handelspartner vorbehalten. "Einen Vorbehalt bezüglich der Annahme von Kaufaufträgen oder der Möglichkeit, einzelne Aktien vom Kauf oder Verkauf auszuschließen, können wir nicht erkennen", so Nauhauser weiter.
Der Verbraucherschützer rät betroffenen Anlegern, Schadenersatzansprüche zu prüfen. Die Geschädigten müssen allerdings nachweisen, dass sie durch die Handelsbeschränkung einen finanziellen Schaden erlitten haben. "Da uns vergleichbare Fälle bislang nicht bekannt sind, können wir keine Prognose zu den Erfolgschancen geben. Wir raten daher, Schadenersatzansprüche mit einem Anwalt abzuklären", sagt Nauhauser.
Wie äußert sich Trade Republic zu den Vorfällen?
Biallo.de hat bei Trade Republic angefragt. Ein kurzfristiges Feedback wurde uns zwar per Mail zugesagt, blieb bislang aber aus. Dafür trudelte auch bei uns die am 3. Februar an alle Kunden versendete Entschuldigungsmail ein, in der Trade Republic den Grund für den Handelsstopp nannte:
"Am Donnerstag kurz nach 7.30 Uhr ist unser Handelsplatz Lang & Schwarz Exchange (LSX) in wesentlichen Teilen ausgefallen. Hintergrund waren Überlastungen von Datenbanken eines Dienstleisters der LSX. Wir sind daraufhin auf den Ausweichhandelsplatz Tradegate Exchange gewechselt. Nach einigen Stunden führte der beispiellose Anstieg von Ordern in Werten wie GameStop oder AMC zu Verzögerungen in der Ausführung der Order. Um die Kapazitäten zu erhöhen, musste der gesamte Aktienhandel vorübergehend unterbrochen werden. Am Nachmittag begann der Handel wieder. Daraufhin kam es nochmals zu einer starken Belastung der Systeme mit mehreren tausend Ordern pro Minute."
Ein klares Dementi, dass es künftig keine weiteren Handelsbeschränkungen von Seiten Trade Republics mehr geben wird, ging aus der Mail nicht hervor. Allerdings unterstrich man deutlich den Ausbau der eigenen Infrastruktur: "Wir haben daraufhin die Kapazitäten und Lasttest nochmals stark erhöht. Gleichzeitig investieren wir massiv in die technische Infrastruktur und die Verbesserung des Angebots."
Klar und deutlich äußerte man sich hingegen bei der Konkurrenz, so zum Beispiel beim Münchener "Gratisbroker". Dessen CEO Malte Rubruck hält nicht viel von Handelsbeschränkungen durch die Plattformen selbst: "Wir verstehen unsere Rolle als Broker nicht darin, das Handeln unserer Kunden zu bewerten, sondern den Kunden eine effiziente Plattform für die Umsetzung der von den Kunden gewählten Strategie zu bieten. Den Handel aussetzen kann aus unserer Sicht nur die Börse."
Fazit
Kleine Privatinvestoren treiben US-Hedgefonds zu großen Verlusten. Man kämpft gegen das Sinnbild des Turbokapitalismus und fühlt sich dabei moralisch im Recht. Aber was ist letztendlich wirklich passiert? Private Trader haben sich in einem Internetforum verabredet, um den Kurs nahezu wertloser Aktien künstlich aufzublasen. Und was passiert mit diesen überbewerteten Titeln? Richtig, sie stürzen schnell wieder auf ihren realen Wert ab, sobald der Hype vorbei ist und die Blase platzt. Dabei verlieren nicht nur Hedgefonds, sondern am Ende vor allem Privatanleger sehr viel Geld.
Biallo-Tipp