Elliott-Wellen für Privat-Anleger
Das klingt alles ziemlich kompliziert. Darum hat Biallo bei einem Experten nachgefragt, ob sich Elliott-Wellen als Instrument für den Privatanleger eignen oder nur ein Mittel für kurzfristige, professionelle Trader sind. Rüdiger Maaß betreibt die Seite elliottwaver.de und bezieht dazu Stellung: "Das Elliott-Wellen-Prinzip ist für den Profi, aber auch für den Kleinanleger geeignet. Entscheidend ist nicht der Geldbeutel, sondern die Intelligenz des Anwenders. Die Voraussetzung für eine erfolgreiche Nutzung ist das Erlernen der Regeln und das Training in der Praxis. Was nutzt das Erlernen der Tennisregeln, wenn man nicht trainiert?"
Grundsätzlich seien Elliott-Wellen einfach. Maaß hebt hervor, dass sich die Wellen fraktal entwickeln: Die fünf Trend- und drei Korrekturwellen entstehen in ihrer Struktur im selben Verhältnis – egal, ob man den Kursverlauf für wenige Minuten oder Stunden beobachtet oder über Jahre und Jahrzehnte. Um die Muster zu erkennen, brauche man Erfahrung. Aber die Seite elliottwaver.de mit ihren Hilfsmitteln richte sich in erster Linie an Kleinanleger.
Zur Verdeutlichung verweist Maaß auf lang- wie kurzfristige Betrachtungen: Ein Chart des Dow-Jones-Index seit der Weltwirtschaftskrise bestätige die Existenz der fünf Trendwellen seit 1930.
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Auf Basis der Fibonacci-Folgen funktioniere eine automatisierte Berechnung der Wellen auf vielen Zeitebenen. Ein Beispiel bietet der Dax-Chart vom 7. August 2019, von 05:00 Uhr bis 15:15 Uhr – wenn rote Kerzen enden, ende der steigende Trend, wenn grüne Kerzen enden, dann ende der Abwärtstrend.
Langfristig funktioniere das beim Dax ebenso, wie hier in der Grafik von 1999 bis 2009: Die Software erkenne das Hoch im Jahr 2000. Als die roten in graue Kerzen wechselten, fiel der Dax von 7.000 auf 2.500 Punkte. Am Ende der Krise berechnete die Software grüne Kerzen.
Die Kurse stiegen bis circa 8.000 Punkte im Jahr 2007, und die Krise bis 2009 wurde automatisch erkannt. Am Ende der größten Krise der Nachkriegszeit zeigte das Handelssystem grüne Kerzen an. Der Markt stieg seither bis 13.610.
Das sagen die Verbraucherschützer
Die technische Analyse und besonders die Elliott-Wellen faszinieren durch mathematisch ausgefeilte Konzepte, die ihre volle Blüte mit der Rechenleistung moderner Computer erleben. Charttechnik wird auf der ganzen Welt angewendet und findet sich täglich in den Finanzmedien.
Allerdings hat sie auch Gegner, wie es Annabel Oelmann, Vorständin der Verbraucherzentrale Bremen, gegenüber biallo.de zum Ausdruck bringt: "Ob Klein- oder Privatanleger, auf Charttechniken allein sollte man sich nicht verlassen, egal ob kleinere oder größerer Summen anzulegen sind, auch wenn man sich gut eingelesen hat."
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Aus Verbraucherschutz-Sicht macht sie auf Gefahren aufmerksam, die immer wieder entstehen: "Wer sich gut informiert und eingearbeitet hat, muss auch Fundamentanalyse und andere Aspekte beachten. Vor allem läuft man Gefahr, nicht genug zu diversifizieren, da man sich oft nur zu wenige Einzeltitel anschaut oder analysieren kann, zumindest der "Kleinanleger".
ETFs mit 1.000 Titels sind da langfristig besser geeignet, langfristig planvoll vorzugehen." Charttechnik allein reiche jedenfalls nicht aus: "Wer zusätzlich Geld zum "Spekulieren" übrig hat, das Haus abgezahlt und die Altersvorsorge in trockenen Tüchern hat, hat vielleicht auch Spaß und Interesse daran, über die Charttechnik hinaus mehr über Aktien, Unternehmenszahlen und Wirtschaftszusammenhänge zu lernen und zu verstehen."
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Charttechnik steht oft in der Kritik der Wissenschaft
Es gibt viele Kritiker der technischen Analyse an sich, wie zu Beginn erwähnt. Professor Martin Weber schreibt in seinem Buch "Genial einfach investieren": "Da malen also erwachsene Männer mit Bleistift und Lineal die Kursverlaufslinien von Wertpapieren mit Wimpeln, Trendlinien und alle möglichen anderen Figuren, in der Erwartung, auf diese Weise schnellstmöglich reich zu werden."
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Die Empirie zeige, dass es in der Vergangenheit nicht gelungen sei, durch Anlageentscheidungen auf der Basis von Chartanalysen systematisch mehr zu verdienen als der Durchschnittsanleger.
"Da nach heutiger Erkenntnis die Kursverläufe eines individuellen Wertpapiers in aller Regel zufällig sind, schadet es nichts, aber es nützt natürlich auch nichts, wenn man Kauf- und Verkaufsentscheidungen mittels der Chartanalyse fällt – man könnte jedoch genauso gut jeden Morgen seine Oma befragen oder den Milchmann ... oder eben den Kaffeesatz."
Eine Folgerung sei, dass Kursverläufe kein Gedächtnis haben. Die früheren Renditen einer Aktie würden nichts darüber aussagen, ob das Papier morgen steige oder falle. Weber kommt zu dem Schluss: "Sehen wir den Tatsachen ins Auge: Die Kursverläufe von Aktien und Aktienindizes sind nicht prognostizierbar."