Heiko Thieme (77) gilt unter den Börsen-Experten seit Jahrzehnten als Turbo-Optimist. Marc Faber (74) dagegen hat sich seinen Namen als Crash-Prophet gemacht. Insofern ist es bemerkenswert, dass die beiden Geldanlage-Routiniers die Lage an den weltweiten Aktienmärkten ähnlich beurteilen. "Wir sind in einer Phase, die mit Rationalität in der Bewertung nichts mehr zu tun hat", warnt Heiko Thieme im Interview mit biallo.de. Marc Faber ergänzt mit drastischer Wortwahl: "Die Märkte halten sich nicht an die Realität. Sie fliegen in den Himmel, während die Realwirtschaft in der Scheiße steckt."
Marc Faber vs. Heiko Thieme: Wie Anleger in Corona-Zeiten investieren sollten
Auf einen Blick
- Bulle Heiko Thieme und Crash-Prophet Marc Faber sind sich einig: Es wird keinen neuen Crash geben. Anleger sollten aber vorsichtig sein.
- Beide sagen: Die Aktienmärkte bleiben interessant. Sie setzen auf niedrige Bewertungen – und auf ausgewählte Werte.
- Thieme sieht den Dax zum Jahresende bei 12.000 Punkten. Für Faber sind auch Immobilien auf dem Land ein guter Tipp – und Edelmetalle.


Ein Crash ist nicht mehr in Sicht
Das sind eigentlich ideale Zutaten für einen Börsen-Crash. Den sieht allerdings nicht einmal der als großer Pessimist bekannte Marc Faber kommen: "Früher hat vor allem die Lage in der Realwirtschaft die Märkte bewegt. Jetzt sind es die Gelddruckmaschinen der Notenbanken. Und die tun alles, damit die Märkte nicht fallen", sagt Faber, der den ''Gloom, Boom & Doom Report" herausgibt.
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Im Mittelpunkt steht dabei die US-Notenbank Federal Reserve (Fed), die den Markt mit Billionen US-Dollar Liquidität geflutet hat. Das Geld muss irgendwo angelegt werden, weshalb in den nächsten Monaten ein massiver Börsen-Crash wie der zu Beginn der Corona-Krise nach Meinung der beiden Experten nicht zu erwarten sei.
Krise lockt auch neue Anleger in den Markt
"Natürlich kann es vom derzeitigen Stand einmal um zehn bis 20 Prozent nach unten gehen. Aber die Tiefststände dieses Jahres werden wir nicht mehr erreichen", ist Heiko Thieme überzeugt. Das hat nach seiner Meinung auch damit zu tun, dass viele Privatanleger in der Zeit des Corona-Lockdowns die Börse als Spielwiese für sich entdeckt haben. Dafür sprechen mehrere 100.000 neu eröffnete Depots in den vergangenen Monaten.
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"Ich habe mich Jahrzehnte meines Lebens damit beschäftigt, wie man den Deutschen eine Art Aktienkultur beibringen kann. Es ist mir nicht gelungen, aber Corona hat es geschafft", so Thieme. Das Geld der neuen Aktien-Fans strömt in den Markt und macht einen neuerlichen starken Abwärtstrend unwahrscheinlich.
Faber empfiehlt Immobilien und Edelmetalle
Aber wo kann man seine Geld in diesen unruhigen Zeiten vermeintlich sicher investieren? Der gebürtige Schweizer Marc Faber, der schon viele Jahre in Chiang Mai in Thailand lebt, empfiehlt eine Mischstrategie: "Niemand weiß, wie die Welt in fünf Jahren aussehen wird. Deshalb würde ich einen Teil in Immobilien investieren." In Deutschland empfiehlt Faber vor allem Gebiete abseits der guten Stadtlagen, wo die Preise schon sehr hoch sind: "Auf dem Land können Sie für einen Bruchteil ein tolles Haus kaufen. Corona hat gezeigt, dass man durch das Internet heutzutage von überall arbeiten kann – dieser Trend wird den Wert von Immobilien abseits der Städte steigern."
Dazu sollte etwa ein Viertel des Vermögens in Edelmetalle wie Gold, Platin, Silber oder Goldminenaktien angelegt werden. Der Rest in Anleihen von großen Unternehmen und Aktien. "Vor allem Aktien aus Schwellenländern und auch bestimmte Sektoren in Europa sind im Vergleich zu den USA sehr niedrig bewertet", so Faber. Als Beispiel nennt er die Automobilindustrie, in der traditionelle Werte wie Daimler, BMW oder Volkswagen in den letzten Zeiten massiv gesunken seien.
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Thieme: Auf günstige Gelegenheit warten
Auch Heiko Thieme liebäugelt mit Dax-Werten wie Volkwagen, BASF, Bayer, Allianz, SAP oder Infineon als potenzielle Kaufkandidaten. Dazu die Lufthansa: "Allerdings nur bei einem Kurs unter acht Euro. Generell sind die genannten Werte derzeit wieder etwas hoch bewertet und man sollte ihnen nicht nachlaufen. Es wird von jetzt bis zum Jahresende durch die erhöhte Volatilität noch Möglichkeiten geben, günstiger einzukaufen", glaubt Thieme, der in den USA mehrfach als erfolgreichster Fondsmanager ausgezeichnet wurde. Das gelte auch für Premium-Hightechwerte wie Alphabet, Amazon, Facebook, Microsoft oder Netflix. Oder auch für hochwertige Goldminen-Aktien wie Barrick Gold.
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Sollte der Dax in den nächsten Wochen und Monaten unter die Marke von 11.500 Punkten sinken, empfiehlt Thieme den Kauf eines ETFs auf den deutschen Aktienindex. Steigt er über 13.000 empfiehlt der Börsen-Bulle mit dem Lebensmotto "Der Pessimist ist der einzige Mist, auf dem nichts wächst" ein Short-Produkt auf den Dax – also ein Anlageprodukt, mit dem man auf auf sinkende Kurse setzt. Allein diese Empfehlung zeigt schon, dass wir derzeit in ganz besonderen Zeiten leben.
Erholung dürfte bis 2025 dauern
"Wir hatten in diesem Jahr gleich zwei sogenannte ‚schwarze Schwäne‘, die den Markt auf den Kopf gestellt haben. das Coronavirus und den ultimativen Ölpreis-Einbruch", sagt Thieme. Danach kam der massive Einbruch um 40 Prozent und der anschließende Anstieg von fast 60 Prozent: "Ein Gegensatz, den die Börsengeschichte noch nicht gesehen hat. Eine solche Pandemie hat in unseren Zeiten noch keiner erlebt." Die wirtschaftliche Erholung von dieser Krise wird nach seiner Meinung bis Mitte des Jahrzehnts dauern, erst ab 2025 werde das Thema überwunden sein.
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Zum Jahresende 2020 sieht Thieme den Dax bei "12.000 Punkten – plus minus 500". Langfristig sei die Aktienanlage – zum Beispiel mit einem Durchschnittsgewinn von jährlich acht Prozent im Dax – weiterhin nicht zu schlagen. "In 30 Jahren wird der Dax konservativ bei mindestens 50.000 Punkten stehen, was einem jährlichen Anstieg von nur fünf Prozent entspräche. Bei acht Prozent pro Jahr käme der Dax sogar auf 120.000 Punkte."