Größte Rezession seit der Weltwirtschaftskrise
"Die US-Wirtschaft ist aufgrund ihrer Fokussierung auf Dienstleistungen besonders stark von den Quarantänemaßnahmen betroffen", sagt Carsten Klude, Chefvolkswirt und Leiter Asset-Management bei der Privatbank M.M. Warburg. Hinzu komme der rasante Verfall des Ölpreises. Auch unter ihm leiden die USA als großer Ölproduzent besonders. Klude rechnet daher mit einem drastischen Rückgang der US-Wirtschaftsleistung von fünf bis zehn Prozent im zweiten Quartal . Ähnlich sieht es Markus Steinbeis: "Die USA befinden sich in der größten Rezession seit der Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren", sagt der Anlageexperte. Deren Auswirkungen würden von den Anlegern "tendenziell unterschätzt".
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Den jüngsten Anstieg an den US-Aktienmärkten betrachten die Experten daher auch mit Vorsicht. Es sei "im Moment noch zu früh, auf eine nachhaltige Erholung zu setzen", meint Carsten Klude. So seien in nächster Zeit schlechtere Konjunkturdaten zu erwarten. Das dürfte die Aktienmärkte bremsen. Auch Markus Steinbeis rechnet "kurz- und mittelfristig mit weiteren Rückschlägen am Aktienmarkt". Erst die Aussicht auf einen wirksamen Impfstoff, könne die Lage nachhaltig ändern.
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Pandemie sorgt für digitalen Schub
Die schlechte Lage der Wirtschaft belastet auch die großen US-Technologieunternehmen. Auf der anderen Seite stützt die Pandemie die Geschäftsmodelle der Technologie-Riesen: Denn die Digitalisierung erhält dadurch einen weiteren Schub, meint etwa Stefan Riße, Kapitalmarktstratege bei der Fondsgesellschaft Acatis. "Das stärkt Microsoft genauso wie Amazon oder Netflix, die direkte Profiteure der Krise sind."
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Tatsächlich sorgt die Pandemie dafür, dass Leistungen, die auf digitaler Infrastruktur und digitalen Produkten aufbauen, weltweit derzeit rasant ausgebaut werden. Homeoffice, Video-Konferenzen, Streaming, soziale Netzwerke, kontaktloses Bezahlen, Einkaufen im Internet – von all diesen Entwicklungen profitieren nicht zuletzt die fünf großen US-Techfirmen Amazon, Apple, Facebook, Microsoft und der Google-Mutterkonzern Alphabet. Aktienstratege Riße sieht sie daher trotz der Krise "langfristig weiterhin als attraktives Investment".
Krise stärkt Monopolstellung der Tech-Riesen
Dies gelte umso mehr, als Unternehmen wie Google, Facebook oder Microsoft in ihren Geschäftsfeldern praktisch Monopole haben. "Im Bereich der Büro-Software etwa kommt man an Microsoft nicht vorbei", sagt Riße. Ähnliches gilt für Amazon – und das nicht nur beim Internethandel. Das Unternehmen beherrscht mit den Amazon Web Services (AWS) mittlerweile ein Drittel des globalen Cloud-Marktes. Dieser ist gerade in der Corona-Krise wichtig, weil Anwendungen wie Videokonferenzen oder Videostreaming in der Cloud laufen.
Tausende Firmen – darunter selbst Konkurrenten wie Apple – nutzen mittlerweile die Amazon-Cloud, anstatt sich eigene Server anzuschaffen. Dasselbe gilt für Behörden, Institutionen, Rundfunk- oder Kultureinrichtungen. "Corona", schreibt daher etwa Daniel Hanley von der US-Denkfabrik "Open Market Institute" in einem Aufsatz, "führt zu einer nahezu totalen Abhängigkeit von Amazons Cloud."
Ähnlich wie beim Cloud-Computing könnten die Folgen der Corona-Pandemie aber auch in anderen Bereichen die großen Monopolisten stärken. Denn im Vergleich zu ihren kleineren Konkurrenten verfügen sie oft über hohe finanzielle Reserven und dürften damit die Krise leichter überstehen.
So problematisch eine Monopolisierung daher gesellschaftlich und wirtschaftlich ist: Für die Aussichten der US-Technologiegrößen ist sie positiv. "Sie sichert den Unternehmen auch in Zukunft hohe Gewinnmargen", sagt Stefan Riße.
Bei Rückschlägen kleinere Beträge investieren
Künftig könnte diese Markmacht allerdings auch zu einem Problem für die Firmen werden. Zwar spielen derzeit die Bedenken gegenüber dem wachsenden Einfluss der großen US-Techriesen nur eine untergeordnete Rolle. In einer Zeit nach Corona kann sich das jedoch wieder ändern. "Es könnten Kartellverfahren und möglicherweise eine Zerschlagung drohen", meint Riße. Er rät Anlegern daher dazu, "dass Risiko stets auf mehrere Titel zu streuen". Das geht etwa mit Hilfe eines ETF auf den Sektor.
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Ohnehin raten die Experten Anlegern angesichts der Unwägbarkeiten der Corona-Pandemie zunächst zur Vorsicht. "Es ist wichtig auf eine hohe Diversifikation zu achten", sagt Carsten Klude von M.M. Warburg. Dies gelte insbesondere im Technologiesektor: Denn dort sei wegen der bereits hohen Bewertungen "die Korrekturanfälligkeit am höchsten". Es sei daher wenig sinnvoll, nur auf eine Branche oder gar einzelne Titel zu setzen. Die Anlage in den US-Technologiesektor sollte vielmehr nur einen begrenzten Anteil am Gesamtdepot ausmachen.
Anlageexperte Markus Steinbeis empfiehlt dabei, Rückschläge am Aktienmarkt zu nutzen, um immer wieder kleinere Beträge zu investieren: "So erreicht der Anleger in den kommenden Monaten sicher attraktive durchschnittliche Einstiegskurse und profitiert dann von einer nachhaltigen Erholung in den kommenden Jahren."
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