So viel Einigkeit sieht man unter Notenbankern selten: Gleich drei große Zentralbanken haben in den vergangenen Tagen ihre Leitzinsen um denselben Betrag angehoben. Die US-Notenbank (Fed), die Europäische Zentralbank (EZB) und die britische Bank of England (BoE) erhöhten den Zins im Gleichschritt um 0,5 Prozentpunkte. Sie verlangsamten damit gemeinsam das Tempo ihrer Zinserhöhungen. Zuletzt hatten alle drei Zentralbanken den Leitzins jeweils um 0,75 Prozentpunkte erhöht.
Ein geringeres Tempo beim Zinsanstieg: Das ist eigentlich eine gute Nachricht für die Aktienmärkte sein. Dennoch sackte der Deutsche Aktienindex (Dax) nach der Zinsentscheidung der EZB am Donnerstag kräftig ab. Der Grund: EZB-Chefin Christine Lagarde kündigte mit deutlichen Worten weitere Zinserhöhungen im kommenden Jahr an. Die Leitzinsen müssten noch deutlich steigen, um „ein ausreichend restriktives Niveau zu erreichen“, sagte Lagarde. Die Börsen hatten dagegen auf ein Signal gehofft, aus dem man auf ein Ende der Zinserhöhungen schließen kann.
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Leitzinsen auf langjährigem Hoch
Mit den höheren Zinsen wollen die Notenbanken die Inflation in den Griff bekommen. Sie liegt noch immer auf Rekordniveau. In Deutschland betrug die Teuerung laut Statistischem Bundesamt im Dezember zehn Prozent. In Europa lag sie im November bei 10,1 Prozent. Die Zielmarke der EZB liegt bei zwei Prozent. „Wenn die Teuerung in Europa durchschnittlich fünfmal so hoch ist, wie es das EZB-Ziel vorschreibt, bleibt nur die geldpolitische Straffung“, sagt Otmar Lang, Chefvolkswirt der Targobank. Seit Juli hat die EZB daher den Zins bereits zum vierten Mal auf nunmehr 2,5 Prozent angehoben. In den USA steht der Leitzins sogar bereits bei 4,5 Prozent. Das ist so hoch wie seit 15 Jahren nicht mehr. Auch die US-Notenbank will mit dem Zinsanstieg die Teuerung auf zwei Prozent drücken. Derzeit liegt sie bei gut sieben Prozent.
Gleichzeitig müssen die Notenbanken aber aufpassen, dass sie die Wirtschaft nicht zu sehr belasten. Denn hohe Zinsen verteuern Kredite und damit auch Investitionen für die Unternehmen. Sie machen außerdem das Sparen attraktiver, bremsen so den Konsum – und damit die Konjunktur. Die Frage ist daher: Wie weit können die Notenbanken bei der Inflationsbekämpfung gehen, ohne mit zu hohen Zinsen die Wirtschaft in eine Rezession zu stürzen?
In Europa sind Leitzinsen von vier Prozent drin
Nach den deutlichen Worten der EZB-Chefin rechnen Experten im kommenden Jahr mit weiteren kräftigen Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank. „Wir müssen davon ausgehen, dass wir mindestens 100 bis 150 Basispunkte zusätzlich bekommen“, sagt Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING im Interview mit biallo.de. Das würde bedeuten, dass der Leitzins in der Eurozone bis auf 3,5 oder 4,0 Prozent steigen würde.