Nach den deutlichen Kursverlusten in den Jahren 2019 und 2020 stehen Marihuana-Aktien derzeit wieder auf der Watchlist von Investoren.
Mittlerweile können an heimischen Börsenplätzen drei Cannabis-ETFs gehandelt werden, wenn auch mit äußerst geringem Handels- und Fondsvolumen.
Im Jahresverlauf gleichen die Kurse von Marihuana-Aktien einer wilden Achterbahnfahrt. Wer hier investiert ist, braucht starke Nerven und sollte nicht alles auf eine Karte setzen.
Am 2. November 2010 stand in Kalifornien die sogenannte Proposition 19 zur Abstimmung. Alle stimmberechtigten Bürger des Westküstenstaates hatten im Rahmen eines Volksentscheides darüber zu befinden, ob der Anbau und Verkauf von Rauschhanf zu Konsumzwecken legalisiert werden sollte. Letztlich entschieden jedoch 54 Prozent der Bürger im Rahmen der Abstimmung dagegen, weshalb Kaliforniens damaliger Gouverneur Arnold Schwarzenegger sich nicht weiter mit dem Thema befassen musste.
Einige Jahre später sollte es schließlich soweit sein: Im Jahr 2016 führte eine weitere Volksabstimmung, die Proposition 64, zum Erfolg. Seit Januar 2018 ist der Marihuana-Konsum in Kalifornien offiziell legalisiert. Mittlerweile ist Cannabis in 17 von 50 US-Bundesstaaten entkriminalisiert. Vor allem viele Start-ups, die man auch abseits des Silicon Valley sehr häufig entdeckt, haben schnell eine Marktlücke ausgemacht und sich auf den Anbau sowie Vertrieb von Rauschhanf spezialisiert.
Biallo News
Wollen Sie in Sachen Finanzen auf dem Laufenden bleiben? Dann abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter!
Cannabis gedeiht an der Börse
Doch wie in allen potenziellen neuen Wachstumsbranchen benötigen die Unternehmen am Anfang zunächst einmal Risikokapital. Ist dieser Schritt erfolgreich verlaufen und die Firmen haben sich erfolgreich am Markt platziert, geht es um weiteres Wachstum. Das dafür notwendige Kapital holen sich die Unternehmen dann ganz traditionell an der Börse.
Und gerade hier gab es in den vergangenen Jahren seit der Cannabis-Legalisierung in Kalifornien eine regelrechte Goldgräberstimmung. Nicht wenige Analysten sehen in Hanf sogar das Potenzial für neues Gold. Professor Michael A. Popp, CEO der Bionorica SE, warnte bereits 2018 im Gespräch mit biallo.de vor einem zu euphorischen Markt – daran dürfte sich bis heute unserer Ansicht nach nicht viel geändert haben, wenn man sich die Berichterstattung in den Wirtschaftsmedien genau anschaut.
Cannabis-Titel werden insbesondere in den USA wesentlich stärker thematisiert als traditionelle Branchentitel. Bei allem Enthusiasmus sollten Anleger nicht überstürzt handeln und sich die verschiedenen Anlageoptionen genau anschauen, denn wie immer steckt auch hier der Teufel im Detail. Zudem haben viele Marihuana-Aktien nach ihrem Höhenrausch vom Frühjahr 2019 deutlich Dampf abgelassen: In der Spitze belaufen sich die Kursverluste bis Oktober 2020 auf mehr als 80 Prozent. Neuengagements drängen sich unserer Meinung nach erst auf, wenn sich der jüngste Aufwärtstrend der vergangenen neun Monate nachhaltig bestätigt.
Die "Big Four" unter den Cannabis-Aktien
Bemerkenswert ist, dass die Cannabis-Unternehmen mit der höchsten Marktkapitalisierung gar nicht in den USA, sondern im hohen Norden Kanadas beheimatet sind. Selbst vielen erfahrenen Börsianern, welche sich eher mit klassischen Industriegiganten wie Unilever, Siemens oder BASF beschäftigen, sagen die wohlklingenden Namen der Marihuana-Economy wenig.
Im Folgenden ein kurzer Überblick über die weltweit größten Cannabis-Unternehmen nach Börsenbewertung:
Canopy Growth Aktie
Im Jahr 2014 gegründet und in Ontario ansässig, ist Canopy Growth mit einer Börsenbewertung von aktuell knapp 12 Milliarden kanadischen Dollar (CAD), umgerechnet rund acht Milliarden Euro, der größte Player in der Branche. Canopy Growth produziert medizinisches Cannabis und ist in den vergangenen Jahren – auch dank zahlreicher Akquisitionen – kräftig gewachsen.
Im abgelaufenen Geschäftsjahr, das am 31. März 2021 endete, konnte Canopy den Umsatz zwar um 38 Prozent auf 607 Millionen CAD steigern. Unterm Strich wurde der Verlust allerdings von 1,39 auf 1,67 Milliarden CAD ausgeweitet. Auch im laufenden Jahr sind keine schwarzen Zahlen in Sicht.
Bei den Produkten des Konzerns handelt es sich um Cannabis in getrockneter Form, als Kapsel oder Cannabis-Öl. Ein Großaktionär ist der US-Getränkekonzern Constellation Brands, welcher unter anderem die Biermarke Corona vertreibt und rund 37 Prozent an Canopy hält.
Die Aktie von Canopy Growth liegt auf Zwölf-Monats-Sicht in Euro gerechnet 37 Prozent im Plus.
Tilray Aktie
Tilray aus dem kanadischen Bundesstaat British Columbia ist an der US-Technologiebörse Nasdaq derzeit mit rund acht Milliarden US-Dollar (umgerechnet 6,75 Milliarden Euro) bewertet. Der Konzern hat sich auf die THC-Produktion spezialisiert, forciert aber auch die Marihuana-Forschung.
Der ehemalige deutsche Außenminister Joschka Fischer sitzt bei Tilray seit Anfang 2019 im internationalen Beirat „für die Umsetzung einer offensiven, weltweiten Wachstumsstrategie“. Zudem gibt es Vertriebskooperationen mit dem europäischen Pharmakonzern Novartis. Nach der Fusion mit dem kanadischen Wettbewerber Aphria ist Tilray in diesem Jahr zum größten Cannabis-Produzenten der Welt aufgestiegen. Die Aktionäre beider Unternehmen haben den Zusammenschluss im Frühjahr abgesegnet.
Laut Analysedienst Factset Research wird für das laufende Geschäftsjahr (Ende: 31. Mai 2022) ein Umsatz von gut 840 Millionen US-Dollar erwartet, der Nettoverlust soll bei gut 80 Millionen US-Dollar liegen. Für das darauffolgende Geschäftsjahr liegen die Konsensschätzungen für den Umsatz bei gut einer Milliarde US-Dollar und einem Verlust von sieben Millionen US-Dollar.
Die Tilray-Aktie hat in den vergangenen zwölf Monaten in Euro gerechnet rund 140 Prozent Performance erzielt, allerdings hat sich der Wert im Frühjahr zwischenzeitlich gedrittelt.
Cronos Group Aktie
Die kanadische Cronos Group ist der drittgrößte Player weltweit. Die Börsenbewertung liegt aktuell bei rund vier Milliarden CAD (umgerechnet 2,7 Milliarden Euro). Cronos konzentriert sich auf die Bereiche Cannabis-Forschung sowie Technologie- und Produktentwicklung. Im Jahr 2019 stieg der US-Tabakkonzern Altria bei Cronos mit 1,8 Milliarden US-Dollar ein. Die Beteiligung kommt aktuell auf 42 Prozent.
Cronos fokussiert sich vor allem auf den amerikanischen Markt. Hier setzt das Unternehmen auch auf sogenannte "CBD infused products", also kosmetische Produkte, die mit Cannabidiol (CBD versetzt sind. Kürzlich hat sich Cronos darüber hinaus mit "Ginko Bioworks" zusammengetan, um die Kommerzialisierung von kultivierten Cannabinoiden voranzutreiben.
Im abgelaufenen Geschäftsjahr (Ende: 31. Dezember 2020) konnte Cronos den Umsatz auf knapp 63 Millionen CAD nahezu verdoppeln, der Nettoverlust betrug allerdings rund 98 Millionen CAD. Im Vorjahr stand noch ein durch den Altria-Einstieg bedingter Sondergewinn in Höhe von knapp 1,55 Milliarden CAD zu Buche. Laut Factset Research rechnen Analysten im laufenden Jahr im Schnitt mit einem Umsatz von 75 Millionen CAD und einem Nachsteuerverlust von mehr als 230 Millionen CAD.
Auf Zwölf-Monats-Sicht liegt die Cronos-Aktie gut 32 Prozent im Plus.
Aurora Cannabis Aktie
Gemessen an der Marktkapitalisierung (2,2 Milliarden CAD) ist Aurora Cannabis mit Hauptsitz im kanadischen Edmonton der weltweit viertgrößte Hanfbauer und fällt ebenfalls in die Kategorie Wachstumsaktie. Gegründet 2006, produziert Aurora neben Tilray (Aphria) und dem Berliner Start-up Demecan auch in Deutschland. Am Produktionsstandort Leuna sollen bald eine bis eineinhalb Tonnen Cannabis pro Jahr produziert werden. Eigentlich hätte die Produktionsstätte bereits im vergangenen Jahr in Betrieb gehen sollen, doch wegen Corona hat es Verzögerungen auf Behördenseite bei den notwendigen Zertifizierungen gegeben.
Im Geschäftsjahr 2020 (Ende: 30. Juni) hat Aurora den Umsatz um knapp 14 Prozent auf rund 279 Millionen CAD steigern können. Unterm Strich betrug der Verlust allerdings 3,3 Milliarden CAD nach rund 300 Millionen CAD ein Jahr zuvor. Für das kürzlich zu Ende gegangene Geschäftsjahr 2021 liegen die Schätzungen laut Factset Research bei einem Umsatz von rund 249 Millionen CAD und einem Verlust von gut 600 Millionen CAD. Auch im nun angelaufenenen Geschäftsjahr wird ein dreistelliger Millionenverlust erwartet.
Die hohen Verluste, die Aurora im vergangenen Jahr eingefahren hat, haben auch auf die Aktie gedrückt: In den vergangenen zwölf Monaten hat das Papier mehr als 30 Prozent verloren. Seit dem Allzeittief im Oktober 2020 bei 3,15 Euro beträgt das Kursplus allerdings knapp 140 Prozent.
Cannabis-ETFs auf dem Vormarsch
Fondsanbieter spezialisieren sich beim Thema ETFs immer mehr, um sich von den Wettbewerbern abzuheben und gleichzeitig neues Wachstumspotenzial für Investoren zu erschließen. Gleichwohl sind Cannabis-ETFs nach wie vor ein vergleichsweise exotisches Investment. Nur wenige Anbieter bedienen dieses Segment und der Fokus liegt – wie auch nicht anders zu erwarten – auf dem US-Markt.
An deutschen Börsenplätzen werden derzeit drei Cannabis-ETFs gehandelt. Aufgrund der geringen Fondsgrößen und Handelsvolumina sollten Anleger die sogenannten Spreads im Auge behalten, also die Spanne zwischen Kauf- und Verkaufskurs. Diese können in turbulenten Börsenphasen wie im Börsencrash 2020 je nach Börsenplatz auch schnell prozentual zweistellig ausfallen, was man über die Performance erst wieder reinholen muss.
Diese Cannabis-ETFs sind in Deutschland handelbar
ETF
Fondsvolumen
Performance 1 Jahr
Performance 2 Jahre
Performance 3 Jahre
Rize Medical Cannabis and Life Sciences UCITS ETF
48 Mio. Euro
78,21 %
–
–
HANetf The Medical Cannabis and Wellness UCITS ETF
37 Mio. Euro
75,59 %
–
–
Horizons Marijuana Life Science Index ETF
357 Mio. Euro
62,20 %1
-38,85 %1
–
Quelle: eigene Recherche / Mountainview Data GmbH; Performance in US-Dollar zum Stichtag 30. Juni 2021 auf KAG-Basis; Angaben ohne Gewäh
1Performance in Euro auf Schlusskurs-Basis von Tradegate
Bei Wertpapieren geht es zunächst immer um die Frage, mit welchem Ziel man investiert und welches Risiko man dafür eingehen will. Cannabis-Unternehmen können unserer Ansicht nach durchaus eine attraktive Wachstumsanlage sein, bergen jedoch auch nicht zu unterschätzende Risiken.
Die weitere Entwicklung in den USA hängt von einer liberalen Drogenpolitik ab und die ist natürlich keineswegs garantiert. Gibt es beispielsweise in Staaten, die von Gouverneuren der eher liberalen demokratischen Partei regiert werden einen Regierungswechsel zu den konservativen Republikanern, könnte der Cannabis-Boom dort schnell wieder am Ende sein.
Zudem sollte man sich als langfristiger Investor nicht von momentanen „Hypes“ blenden lassen, denn ob aus Marihuana auf lange Sicht wertvolle Produkte für die Pharma-Industrie werden (die sich auch dauerhaft hochpreisig am Markt verkaufen lassen) ist ebenso nicht sicher.
Nichtsdestotrotz sehen Experten derzeit großes Wachstumspotenzial für die Branche. Die Analysten von Morningstar etwa gehen davon aus, dass sich der Markt bis 2030 fast verzehnfachen wird.
Wer einsteigen möchte, sollte Cannabis-Aktien oder ETFs als Beimischung zu einem breit gestreuten Anlagemix nutzen. Ausschließlich in ein Marihuana-Unternehmen beziehungsweise entsprechende Indexfonds zu investieren, ist aufgrund des Risikos und unsicheren Zukunftsentwicklungen nicht empfehlenswert, schon gar nicht wenn die Anlage der Altersvorsorge dient.
Biallo-Tipp
Am THC-Boom zu partizipieren ist auch ohne eine direktes Investment in Cannabis-Produzenten möglich. Nicht selten halten große bekannte Konzerne wie Altria oder Constellation Brands entsprechende Beteiligungen an Cannabis-Firmen. In vielen Fällen sind die Aktien dieser Konzerne bereits Teil großer global anlegender Indexfonds. Wer beispielsweise einen MSCI World ETF im Depot hat, investiert mit einem geringen Anteil auch indirekt in die Cannabis-Branche.
Björn König ist bei biallo.de Experte für Kapitalmarktanlagen. Als Investmentanalyst schrieb er bislang unter anderem für die deutsche Ausgabe von "The Motley Fool", einem der bekanntesten US-amerikanischen Finanzanlageberater für Privatinvestoren. Seine Interessenschwerpunkte liegen insbesondere im Bereich Einzelaktien und Indizes mit Fokus auf dem US-amerikanischen und deutschen Kapitalmarkt. Auch privat ist er seit vielen Jahren erfolgreicher Investor und gibt seine vielfältigen Erfahrungen gerne an interessierte Anleger weiter. Björn König studierte Politikwissenschaften und Germanistik an der Ruhr-Universität Bochum sowie der Universität zu Köln.