Was können Anleger im Börsencrash tun?
Wenn ein Crash da ist, scheint für Anleger die Welt unterzugehen. Angst geht um, Panik. In solchen Momenten gilt: Ruhe bewahren, unbedingt. Jeder Aktiencrash geht vorbei, und dann geht es wieder nach oben. Man sollte niemals einzelne Aktien verkaufen, weil es am gesamten Markt kracht, und auch breite Aktien-ETFs sollte man halten, weil sie langfristig nach oben streben.
Für die nötige Gelassenheit ist ein langfristiger Ansatz wichtig: Buy & Hold. Oft ist es an der Börse das Beste, gar nichts zu tun. Man kann allgemein Rücksetzer auch dazu nutzen, um Aktien nachzukaufen. Das sollte aber immer nach einem System geschehen, nie aus dem Impuls heraus. Etwa bei minus zehn, 20 und 30 Prozent vom Hoch. Wie gut der Cost-Average-Effekt im "Corona-Crash" funktioniert hat, erklären wir im Youtube-Video.
Was fühlt Finanzexperte und Bestseller-Autor („Schatz, ich habe Aktien gekauft! Wie Sie die Angst vor der Börse verlieren und Ihr Geld vermehren.“) Christian Thiel bei einem Crash? Thiel ist überzeugter Anhänger von Buy & Hold und investiert nur langfristig. Kennt auch er die Unsicherheit, die bei abstürzenden Kursen um sich greift? "Aber ja", sagt er. "Es ist kein angenehmes Gefühl." Und was tut er dagegen? "Ich mache dann zunächst einmal Folgendes: Erstens schaue ich nicht hin. Das kann ich auch anderen Anlegern nur raten. Wozu soll es gut sein, sich diese hässlichen roten Zahlen anzuschauen? Zweitens mache ich einen Plan, wann und wie ich in der Krise nachkaufe. Nur wer nachkauft, kann eine Krise zu seinem Vorteil nutzen. Jetzt sind Aktien billig." Soll man einen Crash gar zum Market-Timing nutzen? "Wer sich zutraut, das Ende zu erkennen, der kann dann gerne kaufen. Nach meiner Erfahrung schafft das von einer Million Menschen ungefähr einer."
Deshalb kauft Thiel nach den erwähnten prozentualen Marken nach. "Psychologisch ist das Kaufen in fallende Kurse hinein am einfachsten. Wenn die Kurse wieder steigen, dann fällt es den meisten Menschen schwerer." Thiel nennt den "Corona-Crash" eine "Mega-Korrektur", in der er nachgekauft hat. "Mit der Erfahrung wächst auch der Mut. Zudem hilft Wissen. Je steiler es bergab geht, desto steiler geht es anschließend wieder nach oben." Kennt Thiel also keine Angst mehr an der Börse? "Ganz ehrlich: Was ich wirklich fürchte, das ist eine "lost decade" wie wir sie in den 1970er Jahren hatten. Oder dann wieder von 2000 bis 2009. Das könnte auch für mich und meine Nerven unangenehm werden. Wobei meine Nerven ja auch deshalb so gut sind, weil ich das Geld, was im Markt liegt, nicht brauche."
Und wie beruhigt man sich beim Gedanken an ein "verlorenes" Jahrzehnt? "Was tatsächlich hilft, das ist Wissen über die Börsenhistorie. Ken Fisher mit seinem 'Little Book of Market Myths' ist da eine große Hilfe." Noch ein abschließender Tipp? "Meide die Börsenmedien. Wenn es schlecht läuft, verbreiten sie Pessimismus. Sie verstärken damit unsere Panik. Besonnene Beobachter der Börse haben dann dort keine Chance."
In zwei weiteren Artikeln auf biallo.de erklären wir Ihnen was eine Rezession genau ist und welche Aktien der Krise trotzen können.
Wie ETF-Anlagestratege Gerd Kommer im Börsencrash agiert
Dr. Gerd Kommer ist ist eine eine Koryphäe in Finanzsachen: Bestseller-Autor, Investment-Banker, Vermögensverwalter (Gerd Kommer Capital*) und Finanzberater. Er folgt einem langfristigen, passiven Buy & Hold-Ansatz auf wissenschaftsbasierter Sicht. Kennt er bei sich auch Unsicherheit, wenn die Börsen crashen? "Ja, ab einem starken Downturn in meinem Depot von, sagen wir, 20 Prozent setzt auch bei mir ein Unbehagen ein, das dann allmählich nagender wird, je weiter es runter geht. Bei weniger als 20 Prozent eigentlich nicht. Dafür kenne ich den Aktienmarkt zu gut."
Und wie beruhigt Kommer seine Psyche? "Ich versuche dann, mich mit Gedanken und Fakten wie den folgenden zu beruhigen: '20 Prozent Einbruch im globalen Aktienmarkt, das hat's in den letzten 120 Jahren rund 15 Mal gegeben, das ist völlig normal' oder 'Bei allen anderen Asset-Klassen gibt’s das auch – bei Immobilien, bei Gold, bei Anleihen, bei Kryptowährungen, es wär Dir deswegen sowieso passiert' oder 'Früher oder später siehst du wieder Gewinne im Depot' oder 'Du brauchst das Geld ja jetzt nicht, warum regst du dich auf?' "
Schließlich hat ein Aktiencrash für einige Anleger sogar Vorteile: "Dann zwinge ich mich, noch an all die jungen Leute zu denken, die altersbedingt noch nicht viel investiert haben, und die sich nun über günstige Einstiegskurse freuen können. Wenn man jung ist, sollte man jeden Tag für einen starken Crash bei Aktien und Immobilien beten, weil man davon wahrscheinlich finanziell profitiert, selbst dann, wenn man schon zum Beispiel 10.000 Euro investiert hat."
Jedenfalls lässt ein Börsencrash auch einen Gerd Kommer nicht kalt:"„Nein, ein bloßes Achselzucken ist es auch bei mir nicht, jedenfalls dann nicht, wenn's wirklich deutlich runter geht. Gegenüber einem normalen Privatanleger hab ich zusätzlich noch den Nachteil, dass ich mich in solchen Momenten auch frage, wie es jetzt meinen Mandanten geht, die ja auch so investiert sind wie ich, wenn auch nicht alle mit einer so hohen Aktienquote."
Die Vergangenheit lehrt: Auf einen Börsencrash folgt Erholung
Für das Verhalten in einem Börsenkrach kann man sich ein Zitat des Unternehmers und Fondsmanagers John Templeton als Orientierung nehmen: "The four most expensive words in the English language are 'this time it’s different.' " In einer Phase von Panik an den Börsen denkt man leicht, dass diesmal alles anders ist als zuvor, dass die alten Verhaltensregeln nicht mehr gelten. Ein Trugschluss. Darauf weist bereits hin, dass der "Corona-Crash" sich im Nachhinein gar nicht als Börsenkrach erwiesen hat. Was lässt sich aus vergangenen Crashs lernen?
Betrachten wir sechs wirkliche Crashs seit 1900. Gerd Kommer hat auf seinem Blog berechnet, wie die Kennzahlen bei Einbrüchen des globalen Aktienmarktes aussehen, die einen maximalen Verlust von 45 Prozent oder mehr aufweisen.
- Erster Weltkrieg und Spanische Grippe: Dieser Crash dauerte von Ende 1916 bis Mitte 1920 (Tiefpunkt). In diesen knapp vier Jahren fielen die US-Börsen um 45 Prozent.
- Große Depression ab 1929: Dieser Börsenkrach begann Mitte 1929 und erreichte den Tiefpunkt Mitte 1932. In diesen knapp drei Jahren fielen die US-Börsen um 79 Prozent. Das war der stärkste Verlust an den Aktienmärkten in den vergangenen 120 Jahren.
- Zweiter Weltkrieg: Dieser Crash dauerte von Anfang 1937 bis Anfang 1942, mehr als fünf Jahre. Dies war der längste Zeitraum aller Crashs, den die Aktienkurse bis zum Tief brauchten. Die US-Börsen fielen um 47 Prozent.
- Ölkrise: Dieser Börsenkrach dauerte von Anfang 1973 bis Ende 1974, knapp zwei Jahre. Bis zu diesem Tief verloren die Aktien der Weltbörsen 47 Prozent.
- Dotcom-Blase: Dieser Crash dauerte von Anfang 2000 bis Mitte 2002, rund zweieinhalb Jahre. Bis zum Tiefpunkt verloren die Aktien der Welt 49 Prozent.
- Subprime-Krise: Der große Finanzcrash dauerte von Ende 2007 bis Anfang 2009, gut ein Jahr. Die Weltbörsen gaben um 55 Prozent nach.
- Im Schnitt dauerte ein Crash knapp drei Jahre. Die Aktienmärkte verloren durchschnittlich 54 Prozent.
Das liest sich gruselig. Doch wie sah es nach den Crashs aus?
- Zwei Jahre nach dem Tiefpunkt erreichten die Aktienbörsen eine kumulierte Rendite von 74 Prozent, wenn man den Durchschnitt der sechs Crashs bildet. Der niedrigste Gewinn nach 24 Monaten betrug 38 Prozent (Ölkrise), der höchste 149 Prozent (Große Depression).
- Fünf Jahre nach dem Tiefpunkt erreichten die Aktienbörsen eine kumulierte Rendite von durchschnittlich 138 Prozent. Der niedrigste Gewinn nach 60 Monaten betrug 42 Prozent (Ölkrise) der höchste 309 Prozent (Große Depression).
Die Sonne geht also immer wieder auf. Und mehr noch: Sie scheint hinterher meist sogar noch heller.
JP Morgan rät: "Kaufe immer am Allzeithoch!"
Ein populärer Börsenspruch lautet: "Buy the dip!" Kaufe also bei einem Einbruch. Das kann man bei einem Crash so handhaben, wenn man langfristig denkt und weiß, dass die Märkte auf lange Sicht steigen. Man kann aber auch anders vorgehen und bei All-Time-Highs kaufen. So empfiehlt es etwa die Großbank JP Morgan in einer Studie.
Denn die Regel lautet: Auf ein Allzeithoch folgt nicht etwa ein Tief, sondern ein neues Allzeithoch. Ein guter Punkt für Investments. Langfristig gesehen ist die Börse ein Ort für Menschen mit begründetem Optimismus: "Investiere immer am Allzeithoch", rät JP Morgan also. Wie die Bank vorrechnet, haben solche Optimisten die Skeptiker übertrumpft, die zu allen anderen Zeitpunkten investiert haben. Warum aber sollte das so sein? Es widerspricht den oft zu hörenden Warnungen, dass die Aktienmärkte schon zu hoch gestiegen seien.