Negativzins wird oft versteckt
Auffällig ist, dass viele Banken und Sparkassen das "Verwahrentgelt" beim Girokonto nicht in der sogenannten Entgeltinformation gemäß Zahlungskontengesetz (ZKG) ausweisen. Die Verbraucherzentrale sieht die Institute in der Pflicht. Die Geldhäuser wiederum verweisen auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin): "Ein Verwahrentgelt ist nicht Bestandteil des Bafin-Musters für die Entgeltinformation", heißt es etwa vom Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR). Und auch der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) konstatiert: "Welche Preise in die Entgeltinformation aufzunehmen sind, ist nach europäischen Vorgaben streng reglementiert."
Wie ein Bafin-Sprecher gegenüber biallo.de erklärte, sind nach dem Zahlungskontengesetz "nur die Entgelte für die repräsentativsten mit einem Zahlungskonto verbundenen Dienste aufzuführen". Eine Liste dieser Dienste und die entsprechenden Rechtsgrundlagen sind auf der Homepage der Bafin veröffentlicht. Das Verwahrentgelt zählt demnach nicht dazu, wobei die Frage bleibt, warum die Verwahrung von Einlagen kein maßgeblicher Zahlungskontendienst ist.
Immerhin: "Gemäß Artikel 3 Absatz 6 der Zahlungskontenrichtlinie ist eine Überprüfung und gegebenenfalls Aktualisierung dieser Liste der repräsentativsten mit einem Zahlungskonto verbundenen Dienste alle vier Jahre vorgesehen", heißt es von der Bafin. Demnach findet die nächste Überprüfung Mitte 2022 statt. Wir sind gespannt!
Bei unseren Recherchen ist uns zudem aufgefallen, dass gerade bei kleineren Genossenschaftsbanken und Sparkassen die Preisaushänge sowie Preis- und Leistungsverzeichnisse oft nicht online abrufbar sind. Stattdessen heißt es dann zum Beispiel: "Unseren aktuellen Preisaushang sowie das Preis- und Leistungsverzeichnis können Sie in den Geschäftsräumen unserer Zentrale und den Geschäftsstellen einsehen." Zuweilen werden die Dokumente auch online nach erfolgreichem Log-in freigeschaltet. Auch hier gibt es in Sachen Entgelttransparenz offenbar noch Verbesserungspotenzial.
Gerichtsurteile zu Negativzinsen
Es war ein Paukenschlag, als das Landgericht Berlin am 28. Oktober 2021 sein Urteil gegen die Sparda-Bank Berlin fällte (Az.: 16 O 43/21): Die Erhebung eines Verwahrentgelts sei unzulässig. Geklagt hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) gegen das Geldhaus, das per Entgeltklausel im Preisverzeichnis für ab 1. August 2020 eröffnete Konten ein Verwahrentgelt ab 25.000 Euro auf dem Girokonto und ab 50.000 Euro auf dem Tagesgeldkonto erhebt.
In der Urteilsbegründung heißt es unter anderem, dass die Verwahrung von Einlagen auf dem Girokonto keine "Sonderleistung" darstelle und daher auch nicht gesondert bepreist werden dürfe. Dies führe zu einer unangemessenen Benachteiligung der Bankkunden. Dabei spiele es auch keine Rolle, ob für ein Girokonto bereits ein Kontoführungsentgelt erhoben werde oder nicht. Beim variabel verzinsten Tagesgeldkonto könne der Zins zwar auf null sinken, dürfe aber nicht ins Negative drehen.
Das Landgericht Berlin verpflichtete die Sparda-Bank, die zu Unrecht erhobenen Beträge unaufgefordert an die betroffenen Kundinnen und Kunden zurückzuzahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Sparda-Bank Berlin legte Berufung ein. Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat weitere Klagen gegen Geldhäuser an unterschiedlichen Standorten am Laufen, über die noch entschieden werden muss.
Landgericht Leipzig sieht kein generelles Verbot von Verwahrentgelten
Das jüngste Urteil des Landgerichts Berlin unterschiedet sich deutlich von den bisherigen Urteilen zum Verwahrentgelt. Im Verfahren gegen die Sparkasse Vogtland musste die Verbraucherzentrale Sachsen vor dem Landgericht Leipzig eine Niederlage einstecken (Urteil vom 8. Juli 2021; Az.: 5 O 640/20). Konkret ging es um ein Verwahrentgelt in Höhe von 0,70 Prozent ab einem Guthaben von 5.000 Euro auf dem Girokonto.
Zwar hatte die Sparkasse Vogtland die Änderung auch als Klausel im Preisaushang aufgenommen – was für sich allein genommen ebenfalls unzulässig gewesen wäre. Allerdings sahen die Leipziger Richter den Fall anders gestrickt. Denn bei den Betroffenen handelte es sich um Neukunden und Kontowechsler, mit denen die Sparkasse Vogtland separate Vereinbarungen als "Anlage Verwahrentgelt zu Girokonto" getroffen hatte. Dies bewege sich im rechtlichen Rahmen, so die Leipziger Richter. Allerdings ist das Urteil ebenfalls noch nicht rechtskräftig, da die Verbraucherzentrale Sachsen Berufung beim Oberlandesgericht Dresden eingereicht hat.
Frühere Urteile des Landgerichts Tübingen
Das Landgericht Tübingen hatte bereits im Januar 2018 entschieden, dass bei Altverträgen das Verwahrentgelt nicht nachträglich per Klausel im Preisaushang eingeführt werden darf, und damit einer Klage der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg gegen die Volksbank Reutlingen teilweise stattgegeben (Az.: 4 O 187/17).
"Die Bank kann nicht einseitig mittels des Kleingedruckten aus einer Geldanlage einen kostenpflichtigen Verwahrungsvertrag machen", kommentierte Niels Nauhauser, Abteilungsleiter Altersvorsorge, Banken und Kredite bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, das Urteil. Bei individuellen Vereinbarungen sei dies allerdings möglich.
In einem weiteren Fall, der ebenfalls vor dem Landgericht Tübingen verhandelt wurde, klagte die Verbraucherzentrale Sachsen gegen die Volksbank Reutlingen. Dabei ging es um Minuszinsen in Höhe von 0,50 Prozent auf Girokonten. Auch hier gab das Gericht im Mai 2018 den Verbraucherschützern Recht (Az.: 4 O 225/17): "Die Erhebung von Negativzinsen im Wege eines Preisaushangs bei Einlagen auf einem Girokonto, für welches Kontoführungsgebühren erhoben werden, führt zu einer unangemessenen Benachteiligung von Bankkunden." Im Vorfeld hatten sich beide Parteien bereits auf eine Unterlassungserklärung der Volksbank Reutlingen geeinigt.
BGH-Urteil zu Kontogebühren
Bankkunden, die der Einführung eines Verwahrentgelts nicht explizit zugestimmt haben und denen trotzdem Strafzinsen berechnet wurden, können nach einem jüngsten Urteil des Bundesgerichtshofes (Az.: XI ZR 26/20) Schadenersatzansprüche geltend machen. Laut BGH können Banken nicht einfach per AGB-Änderungen Gebührenerhöhungen durchsetzen, sondern müssen zuvor ein explizites Einverständnis des Kunden einholen.
Dass die Regelung allerdings längst Makulatur ist, zeigt das Beispiel der Sparkasse Freising: Das Geldhaus drohte einem langjährigen Kunden Ende 2019 mit dem Rauswurf, weil dieser sich weigerte, eine entsprechende Vereinbarung über die Einführung von Negativzinsen zu unterschreiben. Der Kunde zog schließlich selbst die Konsequenz und wechselte die Bank. Mittlerweile kein Einzelfall mehr, denn in den vergangenen Monaten erhielten wir zahlreiche Leserzuschriften, die von ähnlichen Fällen bei anderen Banken berichteten.
Biallo-Lesetipp: Nicht nur Privatleute sind von Strafzinsen betroffen, sondern auch Gewerbetreibende, Handwerker und juristische Personen. In einem ausführlichen Artikel erklären wir, wie Handwerker und Selbstständige das Verwahrentgelt vermeiden können. Sie möchten wissen, wie es in Sachen Negativzinsen weitergeht? Dann sollten Sie unseren kostenlosen Newsletter abonnieren.