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Wertpapieranlage

Diversifikation: So funktioniert die Moderne Portfoliotheorie nach Markowitz

Alexander Rudow
Autor
Aktualisiert am: 24.06.2024

Auf einen Blick

  • Bei der Strukturierung eines "optimalen" Portfolios ist das Verhältnis der Anlageklassen zueinander elementar.
  • Es gibt heute eine Vielzahl von Hilfen, um sein Vermögen nach Markowitz' Regeln effizient aufzuteilen.
  • Wer Harry Markotwitz ist und worum es bei seiner Portfoliotheorie geht, erfahren Sie in unserem Ratgeber.
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Seit der Antike machen sich Menschen Gedanken darüber, wie sie am besten mit ihrem Vermögen umgehen sollen. Im Babylonischen Talmud findet sich ein Satz zur Aufteilung in Assetklassen: "Stets teile ein Mensch sein Geld in drei Teile: ein Drittel in Grundbesitz, ein Drittel in Waren und ein Drittel in seiner Hand." Heute würde man wohl sagen: je ein Drittel in Immobilien, Aktien und Cash.

Die Talmud-Regel beruht auf Erfahrung, eine Begründung für diese Aufteilung findet man allerdings nicht. Heute wird so eine grobe Streuung nach Faustregeln "naive Diversifikation" genannt. Naiv bedeutet dabei im Ergebnis aber keineswegs schlecht, sondern einfach.

"Lege nicht alle Eier in einen Korb", so lautet eine ähnliche Faustregel aus dem Volksmund. Und der frühneuzeitliche Philosoph Erasmus von Rotterdam warnt: "Vertraue nicht all deine Waren einem einzigen Schiff an."

Der Grundgedanke hinter all diesen Merksätzen zieht sich durch die Jahrhunderte und lässt sich zusammenfassen in der Erkenntnis: Mindere dein Risiko, indem du es streust.

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Markowitz beweist wissenschaftlich den Talmud und Erasmus

Im Jahr 1952 veröffentlicht der amerikanische Ökonom Harry Markowitz die Arbeit "Portfolio Selection" im Journal of Finance. Dieser Essay ist revolutionär: Der spätere Nobelpreisträger geht darin vom Zielkonflikt zwischen Risiko und Rendite aus.

Dabei berücksichtigt er – anders als die naive Diversifikation – den erwarteten Ertrag der Anlagen und ihr Risiko sowie die Korrelation der Risiken. Das entstehende Rendite-Risiko-Profil ist dadurch messbar. Markowitz weist nach, dass das Verhältnis von Rendite und Risiko bei einem breit gestreuten Portfolio jeder einzelnen Anlage überlegen ist – und sei sie noch so gut ausgewählt. Aus diesem Ursprung reift die sogenannte Moderne Portfoliotheorie.

Zentral an ihr ist die Erkenntnis, dass die einzelnen Vermögensanlagen nicht isoliert zu beurteilen sind, sondern im Zusammenhang des gesamten Portfolios. Der Beitrag jeder Anlage zum Gesamten bemisst sich nach:

a) ihrer erwarteten Rendite,

b) ihrer Schwankung / Volatilität und

c) ihrer Entwicklung in Relation zu anderen Anlagen (Korrelation).

Das Ziel ist: mehr Rendite bei gleichem Risiko oder weniger Risiko bei gleicher Rendite. Die Eigenschaften a) – c) lassen sich nutzen, um das Ergebnis des Portfolios zu optimieren. Das Rendite-Risiko-Verhältnis ist so jeder Einzel-Investition überlegen.

Das optimale Portfolio ist effizient

Simpel formuliert: Für den Anleger ist Rendite gut und Risiko/Volatilität schlecht. Das "optimale" Portfolio gewährt maximalen Ertrag bei dem jeweiligen Risiko, das der Anleger eingehen will. So ein Portfolio ist effizient. Daraus folgt, dass es viele effiziente Portfolios gibt, von denen jedes für eine spezielle Risikotoleranz gilt. Dabei steigt das Risiko, wenn der erwartete Ertrag steigt.

Wie konstruiere ich aber so ein effizientes Portfolio? Dafür ist entscheidend, wie sich dessen Bestandteile zueinander entwickeln, wenn ein und dasselbe Ereignis eintritt: gleich gerichtet, unabhängig oder entgegengesetzt? Ein Extrembeispiel: Bei einem Crash am Aktienmarkt gehen alle Aktien weltweit nach unten.

Sie korrelieren also positiv, entwickeln sich gleich gerichtet. Staatsanleihen (höchster Bonität) dagegen korrelieren negativ mit Aktien: Typischerweise steigen die einen, wenn die anderen fallen. Allerdings korrelieren die Anlageklassen bei ausgewachsenen Weltkrisen stärker als sonst. Rohstoffe korrelieren mit Aktien weniger stark als Immobilien. Ebenso stark wie Immobilien korrelieren Aktien der Schwellenländer mit Aktien der entwickelten Welt.

Um ein effizientes Portfolio zu bilden, sollte man also darauf achten, dass die Renditen der Anlagen sich unabhängig voneinander entwickeln oder sogar negativ korrelieren. Je geringer also die Korrelation, desto besser für das Rendite-Risiko-Verhältnis und die Stabilität des Portfolios als Ganzem. Assetklassen und auch die einzelnen Anlagen sind Teamplayer im Portfolio – sie sollen nie alle gleichzeitig fallen.

Streuung: Der einzige Lunch, der gratis ist

"Diversification is the only free lunch in investing", sagt Markowitz. Anders formuliert: Die Diversifikation des Kapitals auf verschiedene Anlageklassen und Regionen kostet nichts, bringt aber einen großen Gewinn. Nämlich ein besseres Rendite-Risiko-Profil. Die Streuung des Vermögens kann das Risiko im Portfolio um ein Viertel bis ein Drittel reduzieren. Immerhin. Aber warum lässt es sich nicht ganz vermeiden?

Die Antwort: Es gibt ein Risiko, das sich auch bei optimaler Mischung der Vermögenswerte nicht "wegdiversifizieren" lässt – das systematische Risiko oder auch das allgemeine Marktrisiko. Einem Terroranschlag wie am 11. September 2001 etwa entgehen Sie nicht durch Streuung, ebenso wenig wie einem Handelskrieg, einem Erdbeben oder einem Krieg in Nahost. Zum systematischen Risiko gehören auch Änderungen der Wechselkurse und Zinssätze sowie die Inflationsrate. Das alles muss man also wehrlos hinnehmen.

Für das systematische Risiko erhält der Anleger ein Plus an erwarteter Rendite, als Ausgleich für seine Wehrlosigkeit. Je höher das Risiko, desto höher der erwartete Ertrag. Man erkauft sich also mehr Renditechancen mit mehr Risiko. Durch Streuung mindern lässt sich allerdings das unsystematische Risiko. Dazu gehören etwa Managementfehler, der Tod des Unternehmensleiters oder das Bonitätsrisiko bei Unternehmensanleihen. Diese Risiken bei einzelnen Unternehmen reduziert man, indem man auf viele setzt.

Wie hoch soll das Risiko des Portfolios sein? Das bestimmt sich aus dem Anteil der risikoarmen (relativ sicheren) Anlage am Portfolio. Wenn Sie einem diversifizierten Aktienportfolio etwa zehn Prozent Bundesanleihen beimischen, sinkt das Risiko dadurch – mischen Sie 25 oder 40 Prozent bei, entsprechend natürlich noch mehr.

Robo-Advisor sind wie ein Homo oeconomicus

Hieraus erklärt sich, warum Robo-Advisors – zusammengesetzt aus robot (Roboter) und advisor (Berater) – so erfolgreich bei der Umsetzung der Modernen Portfoliotheorie nach Markowitz sind: Bei der Aufteilung des Vermögens zu einem effizienten Portfolio gehen sie so vor, wie man sich auch das Vorgehen des Ideal-Typus "Homo oeconomicus" vorstellt – in einem streng rationalen, mathematischen Prozess, der mit den Kennzahlen von Rendite, Volatilität und Korrelation rechnet.

Die Maschine kennt keine menschlichen Abneigungen (wie: "Ich mag einfach keine Rohstoffe") oder Vorlieben ("Ich will mein Heimatland eben übergewichten"). Solche persönlichen Geschmäcker verschlechtern gewöhnlich das Ergebnis. Und solche Abweichungen vom "optimalen Portfolio" sind unnötig, weil sie sich vermeiden lassen, anders als etwa die Kosten der Geldanlage, die man nur möglichst niedrig halten kann.

Vermeidbare Fehler sind ärgerlich. Sie beruhen oft auf Selbstüberschätzung, die ihrerseits auf einer Wissensillusion (Illusion of Knowledge) basieren kann oder auf einem Übermaß an Informationen (Information Overload). Weil Menschen nun einmal kognitiv beschränkt sind, überschätzen sie sich gern und treffen entsprechend falsche Entscheidungen bei der Geldanlage.

An dieser Stelle kommen wieder die Stärken einer naiven Diversifikation wie im Talmud zum Tragen. Sie nimmt den Menschen und seine Schwächen beim Investieren mit einfachen, eindeutigen Regeln an die Hand. Denn es ist tatsächlich wichtig, sich bei der Konstruktion des Portfolios nach einer festen, langfristigen Strategie und objektiven Werten zu richten und nicht davon abzuweichen.

Die weitaus größte Bedeutung kommt den Anteilen der Assetklassen im Gesamtportfolio zu. Diese Asset Allocation (Vermögensallokation) macht den Löwenanteil der Rendite aus, weitaus mehr als die Auswahl einzelner Aktien etwa.

Was bedeutet das unterm Strich?

Was fängt der Privatanleger nun mit diesen Erkenntnissen an? Er konstruiert sich ein Portfolio aus mindestens zwei Anlageklassen: Aktien (risikobehaftet) und Tagesgeld sowie Festgeld oder Euro-Staatsanleihen guter Bonität (risikoarm). Je nach seiner Risikoneigung wählt er den Anteil der risikoarmen Investition. Für diese Kombination eignen sich Fonds besonders gut. Schon mit zwei Fonds kann man also seine Geldanlage im Sinne von Markowitz streuen.

Bei der Anlageklasse der Aktien bietet es sich an, weltweit zu streuen, und zwar inklusive der Schwellenländer. Damit kostet man den Effekt der Korrelation aus. Will man noch weitere Anlageklassen in sein Portfolio einbeziehen, bieten sich Rohstoffe und Immobilien (gegebenenfalls auch REITS) an. Entscheidend bei ihrer Beimischung ist wieder nicht der einzelne Ertrag, sondern die Korrelation mit den anderen Assetklassen.

Es gibt Multi-Asset-Fonds, die Anlageklassen standardmäßig kombinieren. So mischt der ARERO-Weltfonds Aktien, Renten und Rohstoffe im Verhältnis 60/25/15. Ähnliche Portfolio-Produkte "von der Stange" gibt es von Comstage und Xtrackers. Um passgenau die erwünschten Anlageklassen nach dem eigenen Risikoprofil, dem Alter des Anlegers und seinen besonderen Vorstellungen zusammenzustellen, kann ein Robo-Advisor dienen, der emotionslos die bestmögliche Zusammenstellung errechnet.

Letztlich gilt: Die Bildung eines Portfolios nach den Erkenntnissen von Markowitz ist keine Hexerei. Es gibt heute eine Vielzahl von Hilfestellungen für den Privatanleger, um sein Portfolio effizient zu gestalten.

Geboren 1972 in Münster/Westfalen. Bereits während seines Jura-Studiums und anschließenden Referendariats schrieb Alexander als freier Journalist für verschiedene regionale Tageszeitungen. Nach Absolvierung des zweiten Staatsexamens arbeitete er einige Zeit als Anwalt in eigener Kanzlei. Darüber hinaus war er in einer Warschauer Kanzlei tätig, wo er sich intensiv mit den deutsch-polnischen Handelsbeziehungen beschäftigte. Ebenfalls in Warschau unterrichtete er Deutsch als Fremdsprache am Österreich-Institut. 2010 entdeckte Alexander seine Leidenschaft für die Börse. Er ist glühender Verfechter der Buy-and-Hold-Strategie. Sein Depot umfasst ausgewählte Einzeltitel und ein ETF-Weltportfolio. Für biallo.de schreibt Alexander Börsen- und Aktien-Ratgeber. Dazu ist er als Lektor und freier Autor von Sachbüchern und in der Belletristik tätig.

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