Das erwartet Sie in diesem Artikel
Die beiden Ansätze Value und Growth gehören zu den wichtigsten Anlagestilen am Aktienmarkt. Beide stehen stellvertretend für unterschiedliche Anlegertypen. Vorsichtige Investoren setzen eher auf solide Value-Unternehmen. Mutigere wählen stattdessen den Growth-Ansatz und investieren in Wachstums-Firmen. Wir erklären Ihnen, was hinter den beiden Strategien steckt und was die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Ansätze sind.
Was ist eine Value- und was eine Growth-Strategie?
Das englische Wort „value“ bedeutet Wert. Investoren, die der Value-Strategie folgen, setzen demnach auf werthaltige Unternehmen. Gemeint sind damit Firmen, die viele Vermögenswerte, eine gute Marktposition, hohe Renditen und eine stabile Gewinnentwicklung aufweisen. Attraktiv sind dabei vor allem jene Unternehmen, die verglichen mit anderen Marktteilnehmern an der Börse unterbewertet sind.
Das bedeutet: Der Kurs der Aktie eines Unternehmens spiegelt dessen „wahren“ Wert nicht wider – etwa weil die Anleger nicht alle Vermögenswerte berücksichtigen. Dadurch entsteht ein Kurspotenzial. Value-Investoren setzen darauf, dass die Aktie dies in der Zukunft aufholt.
„Growth“ ist dagegen das englische Wort für Wachstum. Growth- oder Wachstums-Investoren betrachten im Gegensatz zum Value-Ansatz weniger die einzelne Aktie als ganze Branchen. Sie versuchen künftige Wachstumsmärkte frühzeitig zu erkennen. Attraktiv sind vor allem diejenigen Unternehmen, die sich bereits einen hohen Anteil am Markt sichern konnten – und eine hohe Wachstumsdynamik aufweisen. Entscheidend sind dabei die Erwartungen: Titel, denen ein hohes Gewinnwachstum zugetraut wird, sichern sich die Gunst der Investoren. Dies kann sogar bei Unternehmen der Fall sein, die noch gar keine Gewinne erzielen. Die Anleger hoffen aber, dass das in der Zukunft der Fall sein wird.
Nach EZB-Zinsentscheid: wiLLBe erhöht Tagesgeldzinsen auf 3,80 Prozent
Wo liegt der Hauptunterschied zwischen Value und Growth?
Die beiden Strategien stehen stellvertretend für unterschiedliche Anlegertypen. Klassische Value-Aktien sind solide Werte aus Industriebranchen wie Handel, Banken, Automobil oder Lebensmittel. Sie sind daher eher etwas für vorsichtigere Anleger. Risikofreudigere Investoren setzen dagegen auf Wachstumsfirmen aus den Bereichen Internet oder Bio- und Gentechnologie.
Der Hauptunterschied zwischen beiden Strategien besteht demnach in der Auswahl der Aktien. Value-Investoren suchen dabei gezielt nach unterbewerteten Titeln. Sie betrachten dazu verschiedene Kennzahlen. So deutet etwa ein niedriges Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) auf eine Unterbewertung hin. Das KBV gibt den Kurs der Aktie im Verhältnis zum Buchwert an – also zum Eigenkapital, das auf eine Aktie entfällt. Ein niedriges KBV zeigt an, dass die Aktie im Verhältnis zu den Vermögenswerten der Firma günstig ist. Auch ein niedriges Kurs-Gewinn-Verhältnis (Aktienkurs im Verhältnis zum Gewinn je Aktie) und eine hohe Dividendenrendite (Dividende im Verhältnis zum Aktienkurs) können auf eine Unterbewertung hindeuten. Die Analyse dieser Kennzahlen heißt „Fundamentalanalyse“.
Im Gegensatz zu den Value-Firmen sind die Aktien von Wachstums-Unternehmen durch hohe Bewertungen an der Börse gekennzeichnet: also ein hohes Kurs-Gewinn- und Kurs-Buchwert-Verhältnis. Die Dividendenrendite ist in der Regel gering - wenn es überhaupt eine Dividende gibt. Viele Growth-Unternehmen schütten keine Gewinne aus, oder sie machen sogar Verluste. Damit ist es vor allem die Fantasie der Anleger, die Hoffnung auf Gewinne in der Zukunft, die den Kurs der Growth-Aktien steigen lässt. Das bedeutet gleichzeitig: Wird die Fantasie enttäuscht, kann der Kurs auch schnell wieder abstürzen. Die Growth-Strategie kann daher mit einigen Risiken verbunden sein.
Was haben Value und Growth gemeinsam?
In Zeiten technologischer Umbrüche, von Internet und Social Media, löst sich die Unterscheidung zwischen Value- und Growth-Titeln zunehmend auf. Damit werden auch die Übergänge zwischen den beiden Strategien fließend. So kann ein ehemals typisches Wachstums-Unternehmen zu einem Value-Investment werden, wenn es im Laufe der Zeit seine Markposition behauptet und seine Gewinne verstetigt.
„Microsoft, Amazon oder Facebook – das sind für uns mittlerweile Value-Werte“, sagt Stefan Riße, Kapitalmarktstratege bei der Fondsgesellschaft Acatis, die gezielt in Value-Titel investiert. Einem Unternehmen etwa, das stabile Gewinne erwirtschaftet, gleichzeitig jedoch stark wächst, könne man auch eine hohe Bewertung zugestehen, meint Anlagestratege Riße. So war die Google-Holding Alphabet einst ein typischer Wachstums-Wert. Mittlerweile ist das Internet-Unternehmen zum Medien-Konzern geworden – und „als solches ein typischer Value-Wert“, sagt Riße.
Einfach fürstlich: 3,66 Prozent pro Jahr – auch für Selbstständige und Unternehmen
Welche Investoren stehen für den Value- und welche für den Growth-Ansatz?
Der Vater des Value-Investing ist der US-amerikanische Aktienanalyst und Investor Benjamin Graham (1894-1976). In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war er mit Investitionen in unterbewertete Firmen erfolgreich. Graham begründete dabei auch die Fundamentalanalyse, mit deren Hilfe er erfolgversprechende Firmen identifizierte.
Einer von Grahams Schülern ist Warren Buffett. Er ist heute der wohl bekannteste Value-Anleger weltweit. Der US-Starinvestor arbeitete als Wertpapieranalyst in Grahams Broker-Unternehmen Graham-Newman. Mit einem Vermögen von mehr als 110 Milliarden US-Dollar zählt Buffett heute zu den reichsten Menschen der Welt.
Im Portfolio von Buffetts Investment-Gesellschaft Berkshire Hathaway finden sich traditionelle Value-Titel wie die Bank of America, die Lebensmittelkonzerne Coca Cola und Kraft, die Fluggesellschaft American Airlines oder der Automobilhersteller General Motors. Der Titel mit dem stärksten Gewicht im Portfolio ist allerdings der Computerkonzern Apple – eine Aktie, die man früher zweifelsohne zu den Wachstums-Aktien gezählt hätte. Auch die Aktie des Online-Riesen Amazon hat Buffett im Depot. Das zeigt: Auch ein ausgewiesener Value-Investor wie Buffett setzt mittlerweile auf ehemals typische Growth-Titel.
Das Pendant zum Value-Erfinder Benjamin Graham ist der US-Investor Thomas Rowe Price jr. (1898-1983). Er gilt als Vater des „Growth Investing“. Price gründete 1937 das Unternehmen T. Rowe Price. Die Investmentgesellschaft besteht bis heute. Unternehmensgründer Price glaubte daran, dass Anleger eine höhere Rendite erwirtschaften können, wenn sie in Firmen aus wachstumsstarken Industrien investieren.
Die Unternehmen sollten schneller wachsen als die Inflation und die Gesamtwirtschaft. Price legte daher Wert auf hohe Gewinnmargen. Die Firmen sollten aber auch gut gemanagt werden. Und: Sie sollten neue Produkte entwickeln, um auf zukunftsträchtigen Märkten eine Alleinstellung zu erlangen. Eine hervorragende Forschung war für ihn deshalb ebenfalls wichtig für den Erfolg einer Wachstumsfirma.
Value oder Growth: Welche Strategie bietet die bessere Performance?
Diese Frage lässt sich nicht allgemein beantworten. Welche Strategie erfolgreicher ist, hängt auch von den Rahmenbedingungen des Aktienmarktes ab – also etwa von der Entwicklung der Wirtschaft oder der Zinsen. So haben seit der Finanzkrise 2008 bis zum Beginn der Corona-Pandemie 2020 Wachstumswerte deutlich besser abgeschnitten als klassische Value-Aktien. Der Unterschied zwischen der Bewertung von Value- und Growth-Aktien wuchs in dieser Zeit so stark an, wie seit der Technologie-Blase Anfang der 2000er Jahre nicht mehr.
Seit Ende 2020 jedoch haben nach einer Analyse der Investmentbank J.P. Morgan Value-Aktien deutlich aufgeholt. Ein Grund dafür sind die wirtschaftlichen und zinspolitischen Rahmenbedingungen: In schwierigen wirtschaftlichen Zeiten mit hoher Inflation und steigenden Zinsen greifen Investoren eher auf solidere Unternehmen zurück, die auch in einem Abschwung stabile Gewinne versprechen. Das sind etwa Unternehmen aus den Value-Branchen Energie, Banken oder Basiskonsumgüter. Sie erwirtschaften oft auch in schwierigen Phasen gute Gewinne.
Dennoch meint Kapitalmarktstratege Riße: „Value wird so, wie es früher war, nicht mehr zurückkommen.“ Denn technologische Umbrüche wird es auch in Zukunft immer öfter geben – und immer schneller. Erfolgreich sind daher auch in den klassischen Branchen eher jene Firmen, die auf neue Technologien setzen. Das könnten Unternehmen sein, die in der Landwirtschaft mit Drohnen arbeiten, um Düngemittel einzusetzen. Auch das Thema regenerative Energien sei interessant oder etwa die Elektromobilität, meint Riße: „Es geht darum, Firmen zu identifizieren, die es verstehen, sich die technologischen Umbrüche der modernen Welt zunutze zu machen.“
In einem weiteren Beitrag auf biallo.de erklären wir Ihnen, wie das High Watermark-Prinzip funktioniert.