Jahrelang zählten offene Immobilienfonds zu den Lieblingen vorsichtiger Sparerinnen und Sparer in Deutschland. Mehr als 100 Milliarden Euro an Anlegergeld stecken in den Fonds, mit denen sich Bankkunden schon mit 25 Euro im Monat an Gewerbe- und Wohnimmobilien beteiligen können. Doch die guten Zeiten für diese früheren Verkaufsschlager sind erst einmal vorbei: Die Renditen der Fonds sind so stark gesunken, dass sich mit Festgeldangeboten derzeit locker mehr Zinsen herausholen lassen. So fragen sich jetzt viele Anlegende: Soll ich meine Anteile an offenen Immobilienfonds verkaufen? Biallo.de beantwortet Ihre wichtigsten Fragen.
Wie stark geht es mit der Wertentwicklung abwärts?
Seit der Corona-Pandemie gehen die Renditen der offenen Immobilienfonds tendenziell nach unten. In ihrer jüngsten, jährlichen Marktstudie untersuchte die Ratingagentur Scope die Renditen von 27 Fonds. 2023 belief sich die Rendite auf durchschnittlich nur noch 1,2 Prozent. Vor Corona betrug die jährliche Rendite noch durchschnittlich mehr als drei Prozent. Auch die Aussichten sind schlecht: Die Fachleute von Scope erwarten 2024 sogar „leicht negative Renditen“. Der deutsche Fondsverband BVI weist für den 31. August, den zuletzt herangezogenen Stichtag für vor einem Jahr abgeschlossene Anlagen in offene Immobilienfonds, bereits ein Minus von durchschnittlich 1,2 Prozent aus. Die Fonds bescheren den Anlegenden also Kursverluste in ihren Wertpapierdepots. Zum Vergleich: Für Festgeldanlagen waren Mitte/Ende September 2024 für Laufzeiten von sechs Monaten bis drei Jahren noch Zinsen von mehr als drei Prozent drin, wie der Biallo-Festgeldvergleich zeigt.
Was offene Immobilienfonds noch bringen
Fonds | ISIN | 1 Jahr | 3 Jahre | 5 Jahre | 10 Jahre | Fondsvolumen in Mio. Euro |
Deka-ImmobilienEuropa |
DE0009809566 |
2,6% |
2,8% |
2,8% | 2,8% | 18.329 |
Deka-ImmobilienGlobal |
DE0007483612 |
2,0% |
1,9% |
1,8% | 2,0% | 6.999 |
Deka-ImmobilienMetropolen |
DE000DK0TWX8 |
1,1% |
1,7% |
- | - | 1.766 |
Deka-ImmobilienNordamerika |
DE000DK0LLA6 |
2,3% |
2,2% |
2,2% | - | 521 |
Fokus Wohnen Deutschland |
DE000A12BSB8 |
-1,1% |
2,0% |
3,1% | - | 884 |
Grundbesitz Europa |
DE0009807008 |
-2,0% |
0,9% |
1,2% | 2,0% | 7.850 |
Grundbesitz Fokus Deutschland |
DE0009807081 |
0,1% |
1,2% |
1,7% | - | 814 |
Grundbesitz Global |
DE0009807057 |
-4,6% |
-0,3% |
0,8% | 1,5% | 3.561 |
Habona Nahversorgungsfds. Dtschl. |
DE000A2H9B00 |
0,2% |
1,7% |
0,0% | - | 142 |
HausInvest |
DE0009807016 |
2,1% |
2,3% |
2,3% | 2,3% | 17.032 |
KCD-Catella Nachhalt.Imm. Dtschl. |
DE000A2DHR68 |
-4,5% |
0,8% |
1,6% | - | 261 |
KGAL immoSubstanz |
DE000A2H9BS6 |
3,0% |
3,6% |
3,8% | - | 70 |
Leading Cities Invest |
DE0006791825 |
-11,6% |
-2,6% |
-0,4% | 1,4% | 824 |
Quadoro Sust. Real Estate Eur. Priv. |
DE000A2PFZU6 |
-1,3% |
1,3% |
- | - | 201 |
Realinvest Europa |
DE000A2PE1X0 |
0,2% |
1,7% |
- | - | 642 |
Swiss Life DE European Living |
DE000A2PF2K4 |
0,8% |
1,6% |
- | - | 986 |
Swiss Life DE Eur. RE Liv.a.Work. |
DE000A2ATC31 |
0,6% |
1,8% |
1,9% | - | 1.088 |
UBS (D) Euroinvest Immobilien |
DE0009772616 |
1,2% |
2,5% |
4,7% | 0,8% | 664 |
UniImmo: Deutschland |
DE0009805507 |
2,4% |
2,7% |
2,5% | 2,7% | 16.693 |
UniImmo: Europa |
DE0009805515 |
1,6% |
1,9% |
1,8% | 2,2% | 14.593 |
UniImmo: Global |
DE0009805556 |
0,9% |
1,3% |
0,7% | 1,6% | 3.561 |
UniImmo: Wohnen ZBI |
DE000A2DMVS1 |
-4,6% |
-0,6% |
0,3% | - | 4.785 |
Wertgrund WohnSelect D |
DE000A1CUAY0 |
1,3% |
2,8% |
3,3% | 6,4% | 431 |
WestInvest InterSelect |
DE0009801423 |
2,3% |
2,5% |
2,5% | 2,5% | 10.320 |
Quelle: Scope Fund Analysis; Stand: 30.04.2024
Wie kam es zu der Misere?
Mit dem Geld ihrer Kunden erwerben die Fondsmanager Immobilien, um aus der Vermietung, den Wertsteigerungen der Objekte und dem An- und Verkauf Erträge zu erzielen. So werden derzeit laut BVI gut 54 Prozent der verwalteten Gebäude als Büros oder Praxen genutzt, gefolgt von Objekten des Einzelhandels und der Gastronomie mit knapp 22 Prozent sowie Hotels mit fast acht Prozent. Zugenommen haben die Investitionen in Wohnungen, der Anteil mit gut fünf Prozent ist aber noch gering. Nun sind aber die Immobilienpreise in den vergangenen zwei Jahren deutlich gesunken, gerade auch in Deutschland, wo die Fonds überproportional stark investiert sind. Aber nicht nur das: Die Corona-Pandemie, das verstärkte Auslagern von Büroarbeitsplätzen ins Homeoffice, die Krise vieler Einzelhändler auf Grund des Bestellbooms per Internet, die deutlich gestiegenen Baukosten im Zuge der Inflation sowie die Geldpolitik der Notenbanken tragen dazu bei, dass die Fonds in ihren Bilanzen den Wert ihrer Immobilien herabsetzen müssen. Dieser wird quartalsweise von unabhängigen Gutachtern geprüft. So heißt es in der Scope-Studie: „In den Jahren bis 2022 wurden die Renditen der offenen Immobilienfonds größtenteils von Aufwertungen im Bestand, aber auch durch erfolgreiche Verkäufe getrieben. Dies hat sich 2023 geändert. Die Zeit der Aufwertungen der Immobilien und erfolgreichen Verkäufe auf Höchstpreisniveau ist im Gesamtbild vorbei.“ Deshalb könnten die sogenannten Wertänderungsrenditen die Wertentwicklung der Fonds nicht mehr antreiben.
Bei welchen Fonds sind die Probleme besonders groß?
Los ging es mit dem Leading Cities Invest der Fondsgesellschaft Kanam, der nach einer Abwertung durch die Gutachter binnen eines Jahres bereits fast 18 Prozent an Wert verloren hat (Stand: 18.9.24.). Noch düsterer wurde die Stimmung am Markt, als der Uni Immo Wohnen ZBI der Fondsgesellschaft Union Investment um mehr als 17 Prozent abgewertet wurde. So beläuft sich der Kursverlust des Fonds binnen eines Jahres auf derzeit mehr als 21 Prozent (Stand: 19.09.24). Dass bei diesem Fonds die Probleme besonders groß sind, ist darauf zurückzuführen, dass der Fonds überwiegend in Wohn- und nicht in Gewerbeimmobilien investiert ist. Vor allem bei Wohnimmobilien ging es aber mit den Preisen abwärts und damit auch mit den Bewertungen. Der milliardenschwere Fonds wurde jedoch als „geringes Risiko“ für „konservative“ Anleger angepriesen.
- Tipp: Sollten Sie Interesse an einem Immobilienkauf haben, lesen Sie unseren Ratgeber: „Immobilie jetzt kaufen oder noch warten?“
Warum ziehen Anleger Geld aus den Fonds ab?
In den vergangenen Monaten wurden aus den offenen Immobilienfonds in Deutschland mehr Mittel abgezogen als neu hereingekommen sind. In der Summe waren dies laut der Halbjahresstatistik des BVI binnen elf Monaten 3,1 Milliarden Euro. Das liegt nicht nur an den schlechten Nachrichten über die Fonds. Zinsanlagen wie Tages- und Festgeld, Geldmarktfonds oder Anleihen sind deutlich attraktiver geworden.
- Tipp: Wenn Sie Alternativen zur Anlage in offenen Immobilienfonds suchen, lesen Sie unsere Ratgeber zum Thema Tagesgeld, Festgeld, Geldmarktfonds und Anleihen.
Steigen jetzt immer mehr Anleger aus?
Der Ausstieg ist vor mehr als zehn Jahren erschwert worden. Der Grund: Im Zuge der Finanzkrise 2008/2009 hatten die Fondsmanager Immobilien mit zum Teil milliardenschweren Verlusten schnell verkaufen müssen. Das Geld brauchten sie, um Anleger auszahlen zu können, die die Fonds als gut verzinsten Parkplatz für ihr Geldvermögen benutzt haben. Diese führte zu einer Krise dieser Anlageform, etliche Fonds wurden liquidiert. Seit 2013 müssen Neuanleger deshalb ihre Anteile mindestens zwei Jahre halten. Wer Anteile verkaufen will und dies nicht kurzfristig im Börsenhandel schafft, ist an eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten gebunden. So haben Anlegende, die in der Niedrigzinsphase eingestiegen sind, bereits im vergangenen Jahr angefangen, Anteile zurückzugeben. Unklar ist nun, wie viele dieser Kundinnen und Kunden diese Kündigungsmöglichkeiten in jüngster Zeit genutzt haben, dies wissen nur die Fondsgesellschaften. Ali Masarwah, Geschäftsführer der Fondsplattform Envestor, warnt: Überstiegen die Rückgaben das Cashpolster, also die liquiden Mittel der Fonds, „wird es zu Fondsschließungen oder Liquidierungen kommen“.