Einigt man sich auf europäischer Ebene auf diesen deutschen Vorschlag, könnten Österreich, Belgien, Griechenland, Portugal, Slowakei, Slowenien und Spanien bei der neuen Steuer mitziehen. In anderen europäischen Ländern wie Frankreich (0,3 Prozent vom Kurswert) und Italien (0,2 Prozent) gibt es bereits ähnliche Abgaben. In Großbritannien beispielsweise beträgt sie sogar 0,5 Prozent des Kurswertes der gekauften Aktien.
Fauler Kompromiss
Bei seinen europäischen Ministerkollegen trifft der Vorschlag von Olaf Scholz auf ein gemischtes Echo. Während Frankreich die Initiative voll unterstützt, ist Österreich äußerst reserviert – zu minimal sei die geplante Bemessungsgrundlage für die Steuer und der hochspekulative Hochfrequenzhandel bleibe entgegen den Plänen der Alpenrepublik ganz außen vor.
Wie die Einnahmen aus der neuen Steuer unter den beteiligten Staaten aufgeteilt werden sollen, ist überhaupt noch nicht abschließend diskutiert worden. Ob Olaf Scholz seine eingeplanten 1,5 Milliarden Euro zur Gegenfinanzierung der ab 2021 geplanten Grundrente am Ende überhaupt realisieren kann, steht heute noch in den Sternen.
Zumindest die Kritik der Österreicher trifft voll ins Schwarze. Die Steuer nur noch auf Aktien und Fonds zu erheben, ist nach den bisherigen Planungen geradezu kleinkariert. Nach der Finanzkrise 2008 wollte die Politik vor allem die Exzesse von Hedgefonds und Großspekulanten stärker bekämpfen. 2011 legte die EU-Kommission einen Gesetzentwurf vor, der mit Hilfe einer neuen Finanztransaktionssteuer über 50 Milliarden Euro in die Brüsseler Kassen spülen sollte.
Profizocker bleiben ungeschoren
Besteuert werden sollte auch der schnelle Handel mit Wertpapieren, egal welcher Art: Hochfrequenzhandel, Day Trading und Derivatezockerei. Danach passierte jahrelang nichts, die Steuerpläne verloren sich in den Mühlen der Berliner und Brüsseler Diplomatie. Zuerst wurden Staatsanleihen aus der geplanten Bemessungsgrundlage herausgenommen – zu groß war die Befürchtung hochverschuldeter EU-Mitgliedstaten, dass sie ihre Anleihen nicht mehr unter die Leute bringen können. Die jetzt geplante Abgabe soll in den teilnehmenden Staaten gerade noch 3,5 Milliarden Euro einspielen.
Hauptgrund für den Einnahmeverlust: Die neue Abgabe lässt auch die Profis ungeschoren davonkommen, weil ihre bevorzugten Anlageinstrumente wie Optionsscheine, Futures und andere Derivate ebenfalls ausdrücklich von der Besteuerung ausgenommen werden. Geblieben ist am Ende eine minimale Aktienstrafsteuer. Und Leidtragende der neuen Abgabe sind vor allem Kleinanleger, die mit privaten Aktien- und Fondssparplänen fürs Alter und ihre Kinder sparen wollen.
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Wie Kleinsparer geschröpft werden
Die Steuerprivilegien für private Fondsparer hat die Politik bereits Anfang 2018 einkassiert. Zudem sollen Anleger ab 2021 weiter brav den Solidaritätszuschlag zahlen, obwohl die Zusatzabgabe für 90 Prozent der übrigen Steuerzahler im nächsten Jahr entfallen soll. Gerade erst beschlossen hat die GroKo weitere Beschränkungen für Anleger bei der Verrechnung von Wertpapierverlusten.
Im Koalitionsvertrag ist auch die Abschaffung der Abgeltungsteuer vorgesehen, sobald der internationale Informationsaustausch mit aktuell 108 Staaten rund um den Globus eine lückenlose Besteuerung privater Geldanlagen gewährleistet. Anleger müssten ihre Erträge dann wieder zum wesentlich höheren individuellen Steuersatz versteuern. Die Einführung der neuen Finanztransaktionssteuer wäre demnach bereits der fünfte Schlag der Großen Koalition gegen private Sparer.
Weitere Restriktionen geplant
Man könnte meinen, gerade das SPD-geführte Finanzministerium torpediert bewusst die Anstrengungen privater Sparer, aus eigener Kraft Ersparnisse zu bilden. Dazu passt auch der jüngste Vorschlag der neuen SPD-Spitze, private Wertsteigerungen von Immobilien künftig stärker zu besteuern. Damit würden neben den Wertpapieren auch private Investitionen in Immobilien von der Politik bewusst unattraktiv gemacht.
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Bislang können private Vermieter ihren Grundbesitz nach einer Haltedauer von zehn Jahren steuerfrei verkaufen. Gleichzeitig hat die GroKo gerade neue Sonderabschreibungsmöglichkeiten für neu geschaffene Mietwohnungen beschlossen, um über Steuerboni Anreize für private Investitionen am überhitzten Wohnungsmarkt zu schaffen.
Das Bündel an beschlossenen Maßnahmen und Berliner Planspielen kann man in seiner Gesamtheit einfach nur noch planlos nennen. Eine klare Linie ist schon länger nicht mehr erkennbar.
Alles schon mal dagewesen: So neu ist der Gedanke einer Finanztransaktionssteuer nicht. Von 1949 bis 1991 erhob der Bund beim An- und Verkauf von Anleihen und Aktien eine Börsenumsatzsteuer von bis zu 2,5 Prozent. Ab 1992 wurde die Abgabe wegen des niedrigen Steuerertrages abgeschafft.
Nicht beirren lassen: Anleger mit langem Atem sollten sich von den Steuerplänen aus Berlin nicht kopfscheu machen lassen. Will man für sein Erspartes eine auskömmliche Rendite erzielen, bleiben dividendenstarke Aktien und Fondsanlagen angesichts der Dürreperiode am Zins- und Anleihenmarkt weiterhin lukrativ und die neue Steuer mit 0,2 Prozent vom Kaufpreis relativ moderat. Bei einem Aktienwert von 5.000 Euro würde das Finanzamt einmalig zehn Euro fordern. Die Abgabe hat man mit soliden Dividendenzahlern schnell wieder drin.
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