Traktoren, Mähdrescher, Häcksler oder Erntemaschinen navigieren per Satellit und steuern über ihre Lenksysteme präzise Spuren auf Feldern. Sensoren an Schleppern und angehängten Maschinen liefern dabei laufend Daten, damit genau abgestimmt gesät, gedüngt, bewässert werden kann. Drohnen versorgen Obstbauern, Winzer oder Förster zudem mit hochauflösenden Luftbildern, die zu trockene Böden zeigen oder den Zustand von Pflanzen dokumentieren. So können Teilflächen effizient überwacht und bestellt werden. „Das steigert Erträge, spart Betriebsmittel und schont Umwelt sowie Ressourcen“, erläutert Olaf Wißwedel vom Landmaschinenkonzern Claas.
Bauern setzen auf digitale Technologien
Einer Umfrage des Digitalverbandes Bitkom von 2020 zufolge vertrauen bereits 82 Prozent der derzeit 263.500 landwirtschaftlichen Betriebe hierzulande digitalen Technologien oder Anwendungen. Auch in den großen Agrar-Exportnationen USA, Niederlande, Brasilien oder China gehören GPS-gesteuerte Landmaschinen, intelligente Fütterungssysteme für Rinder oder Agrar-Apps für das Farmmanagement mittlerweile zum Standard-Equipment vieler Höfe.
„Dabei gilt die Regel, je größer der Betrieb, desto größer ist der Druck, Abläufe zu optimieren“, sagt Olaf Wißwedel. Denn während der Lebensmittelbedarf stetig steigt, geht die der Landwirtschaft zur Verfügung stehende Gesamtfläche laut Daten des Online-Portals Statista seit dem Jahr 2000 global zurück. Doch das ändert nichts an der Tatsache, dass die Agrarindustrie unseren Planeten massiv unter Druck setzt.
Umweltschutz große Herausforderung für Landwirtschaft
Berechnungen der Albert-Schweizer-Stiftung zufolge fallen alleine bei der Herstellung von einem Kilogramm Rindfleisch im Schnitt 22 Kilogramm Treibhausgase an, und es werden über 15.000 Liter Wasser sowie fast 50 Quadratmeter Fläche verbraucht. Die zunehmend intensive Herstellung von Fleisch, Kaffee, Reis oder Eiern belastet Böden, Wasser und Luft stark. Pestizide, Düngemittel und uniformes Agrarland bedrohen zudem die Arten- und Biotopvielfalt.
Für Günther Schmitt steht daher fest: „Weil Smart Farming nicht nur Ernteausfälle verringert, sondern auch Pflanzenschutzmittel sowie andere Ressourcen spart und damit die Umwelt schont, dürfte das Angebot von Produkten und Dienstleistung in den nächsten Jahren weiter kräftig steigen“, sagt der Fondsmanager des Raiffeisen-MegaTrends-Aktien, der in innovative Unternehmen etwa aus den Bereichen Klima, Wasser und Technologie investiert.
Davon geht auch Gillian Diesen von Pictet Asset Management aus: „Verbraucher verlangen immer mehr, dass Lebensmittel nachhaltig produziert werden. Wir beobachten jedoch eine höhere Transparenz und Rückverfolgbarkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette und eine bessere Nutzung von Daten, um eine effizientere Ressourcennutzung durch Precision Farming zu ermöglichen“, sagt die Produktmanagerin des Schweizer Vermögensverwalters. Webcams auf Weiden und im Stall sowie die Möglichkeit, die Produktion von Nahrungsmitteln vom Hof bis auf den Teller im Web lückenlos nachzuvollziehen, könnten also schon bald Realität werden.
Weltweiter Markt für Smart Farming wächst
Laut der Vermögensberatung von Vontobel, die einen eigenen Smart Farming & Food Index aufgelegt haben, dürfte der weltweite Markt für intelligente Landwirtschaft 2021 voraussichtlich rund 168 Milliarden Euro erreichen. 2016 hatte der Markt nach Angaben von Vontobel noch etwa 125 Milliarden Euro erwirtschaftet. Zumindest für Europa gilt: Die gemeinsame Agrarpolitik für 2021 bis 2027 bindet Direktzahlungen an Bauern auch an höhere Umwelt- und Klimaleistungen.
Da Smart Farming nachhaltige Landwirtschaft möglich macht, sollte der Absatz entsprechender Hardware, Software und Dienstleistungen nicht nur in der Europäischen Union zulegen. Gerade für Agrar-Roboter, die Steine ausgraben, Bodenproben nehmen oder Dünger gezielt streuen, sieht Jörg Dehning einen großen Markt: „In vielen Betrieben etwa in den USA, aber auch in Europa fehlen Fachkräfte. Das wird die Automatisierung und speziell den Einsatz von Robotern fördern“, meint der Smart Farming-Experte, der den Fonds Agrar & Ernährung der Vermögensverwaltung DJE Kapital AG aus Pullach managt.
Zum digitalen Bauernhof ist es ein weiter Weg
Vom Fütterungsautomat für Milchvieh und Hightech-Traktor für den Kartoffelacker zum smarten, digitalen Bauernhof ist es jedoch ein weiter Weg. So muss der Dialog zwischen Menschen und Maschine funktionieren. Erst im sogenannten Internet of Things (IoT), einem webbasierten Netzwerk von physischen Objekten (Dingen), ist die nahtlose Kommunikation zwischen Personen, Prozessen und Dingen möglich. Die ungeheure Vielzahl der Daten, die bei automatischen Abläufen anfallen, muss zudem sinnvoll verknüpft und ausgewertet werden. Sonst können Bauern das Daten-Potential nicht nutzen.
„Farming 4.0“, sagte Michael Clasen von der Fachhochschule Hannover auf der Agritechnica Ende 2019, „ist eines der Zukunftsfelder, vor denen Landwirte heute stehen“. Auf einer Messeveranstaltung der Firma Topcon Positioning erläuterte der Experte für Agrarinformatik seine Vision. Demnach würden sich „intelligente Felder“ künftig mithilfe von cloudbasierter Software selbst bestellen. Der komplette Materialzyklus, von der Aussaat bis zur Ernte, werde dabei über elektronische Marktplätze vollzogen; selbst die Beschaffung einer Sämaschine sei Teil des Kreislaufs. Neben Automatisierungstechnik, Robotik, Sensorik und Drohnentechnik zählen daher zu den Smart Farming-Bereichen auch Big Data und Künstliche Intelligenz (KI).
Landwirte befürchten auch Nachteile beim Smart Farming
Für die Bauern bietet Smart Farming aber nicht nur Vorteile wie höhere Erträge und umweltschonendere Produktion. Wie die Bitkom-Umfrage unter 500 deutschen Landwirten 2020 ergab, sehen Landwirte auch Risiken bei der Einführung digitaler Technologien. Als Nachteil werden vor allem die hohen Kosten gesehen. Das bestätigt Olaf Wißwedel: „Große Mähdrescher mit neuester Technologie zum Beispiel bedeuten eine erhebliche Investition. Erfolgreiche Landwirte müssen heute immer mehr auch gute Unternehmer sein“, sagt der Experte des westfälischen Landmaschinenkonzerns Claas.
Die Komplexität der Systeme wird als weiterer Nachteil gesehen. Tatsächlich ist die Bedienung diverser Touchscreens in Maschinen, die Programmierung und Steuerung von Drohnen, die Nutzen von Applikationen auf Smartphones oder Tablets oder auch die Auswertung der Daten für viele Landwirte eine hohe Einstiegshürde in die digitale Landwirtschaft. „Landwirte müssen sich intensiv mit der Technik beschäftigen und Mitarbeiter schulen“, bestätigt Wißwedel. Die Landwirte fürchten laut Bitkom-Umfrage allerdings auch mehr staatliche Kontrollmöglichkeiten sowie Probleme bei der IT-Sicherheit.