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Die dritte grüne Revolution läuft

Wie Anleger vom Megatrend „Smart Farming“ profitieren können

Matthias Kutzscher
Autor
Aktualisiert am: 27.06.2024

Auf einen Blick

  • Weltweit müssen Landwirte mit knappen Ressourcen immer mehr Lebensmittel bereitstellen.
  • Mit „Smart Farming“ wollen Betriebe effizienter und umweltschonender produzieren.
  • Die Automatisierung und Digitalisierung der Primärindustrie bietet auch Anlegern Chancen. 
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Die Landwirtschaft steht in den nächsten Jahren vor immensen Aufgaben: Mit knappen Ressourcen muss immer mehr Nahrung produziert werden. Bis 2050 wird die Weltbevölkerung laut der Vereinten Nationen von heute 7,8 auf 9,7 Milliarden Menschen zunehmen. Gleichzeitig trifft der Klimawandel den Ackerbau. Steigende Temperaturen und Wetterextreme wie Dürreperioden werden Anbaugebiete verschieben, Wachstumsphasen von Pflanzen verändern und Mais, Soja oder Äpfel anfälliger für Krankheiten machen. Damit genug Essen nachhaltig hergestellt werden kann, braucht es optimierte Anbaumethoden und besser genutzte Flächen. „Smart Farming“ soll das möglich machen: Automatisierung und Digitalisierung der Agrarindustrie kann zum Megatrend werden – und damit auch Anlegern Chancen bieten.

Die dritte grüne Revolution läuft

Die Landwirtschaft, laut Weltagrarbericht mit rund 870 Millionen Beschäftigten global größter Wirtschaftszweig, befindet sich längst mitten in der „dritten grünen Revolution“. Nach Einführung besonders ergiebiger Nutzpflanzen ab den 1960er Jahren und der Entwicklung drei Jahrzehnte später von gentechnisch manipulierten Sorten, die etwa gegen Insekten resistent sind, setzt sich nun sukzessive die digitale Agrartechnik durch.

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Traktoren, Mähdrescher, Häcksler oder Erntemaschinen navigieren per Satellit und steuern über ihre Lenksysteme präzise Spuren auf Feldern. Sensoren an Schleppern und angehängten Maschinen liefern dabei laufend Daten, damit genau abgestimmt gesät, gedüngt, bewässert werden kann. Drohnen versorgen Obstbauern, Winzer oder Förster zudem mit hochauflösenden Luftbildern, die zu trockene Böden zeigen oder den Zustand von Pflanzen dokumentieren. So können Teilflächen effizient überwacht und bestellt werden. „Das steigert Erträge, spart Betriebsmittel und schont Umwelt sowie Ressourcen“, erläutert Olaf Wißwedel vom Landmaschinenkonzern Claas.

Bauern setzen auf digitale Technologien

Einer Umfrage des Digitalverbandes Bitkom von 2020 zufolge vertrauen bereits 82 Prozent der derzeit 263.500 landwirtschaftlichen Betriebe hierzulande digitalen Technologien oder Anwendungen. Auch in den großen Agrar-Exportnationen USA, Niederlande, Brasilien oder China gehören GPS-gesteuerte Landmaschinen, intelligente Fütterungssysteme für Rinder oder Agrar-Apps für das Farmmanagement mittlerweile zum Standard-Equipment vieler Höfe.

„Dabei gilt die Regel, je größer der Betrieb, desto größer ist der Druck, Abläufe zu optimieren“, sagt Olaf Wißwedel. Denn während der Lebensmittelbedarf stetig steigt, geht die der Landwirtschaft zur Verfügung stehende Gesamtfläche laut Daten des Online-Portals Statista seit dem Jahr 2000 global zurück. Doch das ändert nichts an der Tatsache, dass die Agrarindustrie unseren Planeten massiv unter Druck setzt.

Umweltschutz große Herausforderung für Landwirtschaft

Berechnungen der Albert-Schweizer-Stiftung zufolge fallen alleine bei der Herstellung von einem Kilogramm Rindfleisch im Schnitt 22 Kilogramm Treibhausgase an, und es werden über 15.000 Liter Wasser sowie fast 50 Quadratmeter Fläche verbraucht. Die zunehmend intensive Herstellung von Fleisch, Kaffee, Reis oder Eiern belastet Böden, Wasser und Luft stark. Pestizide, Düngemittel und uniformes Agrarland bedrohen zudem die Arten- und Biotopvielfalt.

Für Günther Schmitt steht daher fest: „Weil Smart Farming nicht nur Ernteausfälle verringert, sondern auch Pflanzenschutzmittel sowie andere Ressourcen spart und damit die Umwelt schont, dürfte das Angebot von Produkten und Dienstleistung in den nächsten Jahren weiter kräftig steigen“, sagt der Fondsmanager des Raiffeisen-MegaTrends-Aktien, der in innovative Unternehmen etwa aus den Bereichen Klima, Wasser und Technologie investiert.

Davon geht auch Gillian Diesen von Pictet Asset Management aus: „Verbraucher verlangen immer mehr, dass Lebensmittel nachhaltig produziert werden. Wir beobachten jedoch eine höhere Transparenz und Rückverfolgbarkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette und eine bessere Nutzung von Daten, um eine effizientere Ressourcennutzung durch Precision Farming zu ermöglichen“, sagt die Produktmanagerin des Schweizer Vermögensverwalters. Webcams auf Weiden und im Stall sowie die Möglichkeit, die Produktion von Nahrungsmitteln vom Hof bis auf den Teller im Web lückenlos nachzuvollziehen, könnten also schon bald Realität werden.  

Weltweiter Markt für Smart Farming wächst

Laut der Vermögensberatung von Vontobel, die einen eigenen Smart Farming & Food Index aufgelegt haben, dürfte der weltweite Markt für intelligente Landwirtschaft 2021 voraussichtlich rund 168 Milliarden Euro erreichen. 2016 hatte der Markt nach Angaben von Vontobel noch etwa 125 Milliarden Euro erwirtschaftet. Zumindest für Europa gilt: Die gemeinsame Agrarpolitik für 2021 bis 2027 bindet Direktzahlungen an Bauern auch an höhere Umwelt- und Klimaleistungen.

Da Smart Farming nachhaltige Landwirtschaft möglich macht, sollte der Absatz entsprechender Hardware, Software und Dienstleistungen nicht nur in der Europäischen Union zulegen. Gerade für Agrar-Roboter, die Steine ausgraben, Bodenproben nehmen oder Dünger gezielt streuen, sieht Jörg Dehning einen großen Markt: „In vielen Betrieben etwa in den USA, aber auch in Europa fehlen Fachkräfte. Das wird die Automatisierung und speziell den Einsatz von Robotern fördern“, meint der Smart Farming-Experte, der den Fonds Agrar & Ernährung der Vermögensverwaltung DJE Kapital AG aus Pullach managt.       

Zum digitalen Bauernhof ist es ein weiter Weg

Vom Fütterungsautomat für Milchvieh und Hightech-Traktor für den Kartoffelacker zum smarten, digitalen Bauernhof ist es jedoch ein weiter Weg. So muss der Dialog zwischen Menschen und Maschine funktionieren. Erst im sogenannten Internet of Things (IoT), einem webbasierten Netzwerk von physischen Objekten (Dingen), ist die nahtlose Kommunikation zwischen Personen, Prozessen und Dingen möglich. Die ungeheure Vielzahl der Daten, die bei automatischen Abläufen anfallen, muss zudem sinnvoll verknüpft und ausgewertet werden. Sonst können Bauern das Daten-Potential nicht nutzen.

„Farming 4.0“, sagte Michael Clasen von der Fachhochschule Hannover auf der Agritechnica Ende 2019, „ist eines der Zukunftsfelder, vor denen Landwirte heute stehen“. Auf einer Messeveranstaltung der Firma Topcon Positioning erläuterte der Experte für Agrarinformatik seine Vision. Demnach würden sich „intelligente Felder“ künftig mithilfe von cloudbasierter Software selbst bestellen. Der komplette Materialzyklus, von der Aussaat bis zur Ernte, werde dabei über elektronische Marktplätze vollzogen; selbst die Beschaffung einer Sämaschine sei Teil des Kreislaufs. Neben Automatisierungstechnik, Robotik, Sensorik und Drohnentechnik zählen daher zu den Smart Farming-Bereichen auch Big Data und Künstliche Intelligenz (KI).

Landwirte befürchten auch Nachteile beim Smart Farming

Für die Bauern bietet Smart Farming aber nicht nur Vorteile wie höhere Erträge und umweltschonendere Produktion. Wie die Bitkom-Umfrage unter 500 deutschen Landwirten 2020 ergab, sehen Landwirte auch Risiken bei der Einführung digitaler Technologien. Als Nachteil werden vor allem die hohen Kosten gesehen. Das bestätigt Olaf Wißwedel: „Große Mähdrescher mit neuester Technologie zum Beispiel bedeuten eine erhebliche Investition. Erfolgreiche Landwirte müssen heute immer mehr auch gute Unternehmer sein“, sagt der Experte des westfälischen Landmaschinenkonzerns Claas.

Die Komplexität der Systeme wird als weiterer Nachteil gesehen. Tatsächlich ist die Bedienung diverser Touchscreens in Maschinen, die Programmierung und Steuerung von Drohnen, die Nutzen von Applikationen auf Smartphones oder Tablets oder auch die Auswertung der Daten für viele Landwirte eine hohe Einstiegshürde in die digitale Landwirtschaft. „Landwirte müssen sich intensiv mit der Technik beschäftigen und Mitarbeiter schulen“, bestätigt Wißwedel. Die Landwirte fürchten laut Bitkom-Umfrage allerdings auch mehr staatliche Kontrollmöglichkeiten sowie Probleme bei der IT-Sicherheit.

Investoren können in Aktien, Fonds und ETF anlegen

Dass sich Smart Farming letztlich durchsetzt, davon ist Olaf Wißwedel dennoch überzeugt: „Die Landwirtschaft wird sich verändern und Stück für Stück digital werden. Denn ein Bauer muss immer mehr Menschen ernähren.“

Wenn Investoren vom Trend profitieren wollen, können sie direkt in Unternehmen (siehe Liste), in Fonds oder auch in börsengehandelte Indexfonds (ETF) anlegen. Themennahe Investmentfonds sind etwa der DJE Agrar & Ernährung , der Pictet-Nutrition P, der BZ Fine Agro A , der Barings Global Agriculture sowie der Amundi CPR Global Agriculture.

Der iShares Agribusiness UCITS ETF USD zum Beispiel ist ein ETF, der die Wertentwicklung des S&P Commodity Producers Agribusiness Index abbildet. Der ETF mit Basiswertung US-Dollar investiert direkt in die im Index enthaltenen Wertpapiere und bietet damit den Zugang zu Aktien der größten börsennotierten Unternehmen, die weltweit im Landwirtschaftssektor tätig sind.

Smart Farming-Aktien im Überblick

AGCO      

Das amerikanische Unternehmen produziert Maschinen und Anlagen für den Agrarsektor, vor allem Traktoren und Mähdrescher. 2019 machte der Konzern knapp 7,4 Milliarden Euro Umsatz und ein Ergebnis von 306 Millionen Euro. (WKN: 888282)

AGEagle Aerial Systems    

Die US-Firma stellt kleine unbemannte Serienfahrzeuge und Drohnen für die Präzisionslandwirtschaft her. 2019 erwirtschaftete das Unternehmen knapp 250 Millionen Euro Umsatz und einen Verlust von zwei Millionen Euro. (WKN: A2JG1L)

Bucher Industries   

Der Schweizer Maschinen- und Fahrzeugbauer stellt mit seiner Tochter Kuhn Landmaschinen für Bodenbearbeitung, Sätechnik, Düngung, Pflanzenschutz, Futterernte und Fütterungstechnik her. 2020 erwirtschaftete die Gruppe einen Umsatz von 2,5 Milliarden Euro und ein Nettoergebnis von 136 Millionen Euro. (WKN: A0EAHZ)

CNH Industrial      

Der niederländische Konzern produziert unter anderem Nutzfahrzeuge für die Landwirtschaft. Zu den Marken zählen Iveco, Case IH, Steyr, New Holland, Heuliez Bus oder Magirus. 2020 machte das Unternehmen einen Umsatz von knapp 20 Milliarden Euro und ein negatives Ergebnis von 369 Millionen Euro. (WKN: A1W599)

Corteva  

Die US-Firma produziert Saatgut, Pflanzenschutzmittel und „Smart Farming“-Technologien. Mit der „Granular“-Software und -Apps können Landwirte Input- und Erntebestände protokollieren und dabei auf Daten aus ihren Geräten zurückgreifen. 2020 erwirtschaftete das Unternehmen 11,5 Milliarden Euro Umsatz und ein Nettoergebnis von 480 Millionen Euro. (WKN: A2PKRR)

Deere & Company

Das US-Unternehmen ist einer der weltweit führenden Hersteller von Technik für die Pflege von Landwirtschaft und Grünflächen. Für 2021 wird ein Umsatz von knapp 30 Milliarden Euro und ein Nettoergebnis von 3,3 Milliarden Euro prognostiziert. (WKN: 850866)

Kubota         

Das japanische Unternehmen stellt Landwirtschaftsmaschinen sowie Anlagen für Wasseraufbereitung und -verteilung her. 2020 lag der Umsatz bei knapp 15 Milliarden Euro und das Nettoergebnis bei 1 Milliarde Euro. (WKN: 857751)

Lindsay

Die US-Firma ist auf Stahlbauprodukte spezialisiert. Dazu gehören Bewässerungssysteme für die Landwirtschaft. Für 2021 wird ein Umsatz von 412 Millionen Euro und ein Ergebnis von 32 Millionen Euro erwartet. (WKN: 904057)

Raven Industries          

Die US-Firma stellt unter anderem Präzisionsprodukte und Informationsmanagement-Tools für Landwirte her. Für 2021 wird ein Umsatz von knapp 300 Millionen Euro und ein Nettoergebnis von 19 Millionen Euro vorhergesagt. (WKN: 867419)

Trimble                        

Das US-Unternehmen stellt geodätische Messinstrumente unter anderem für die Landwirtschaft her. Angeboten werden Positionierungstechnik, Mobilfunkkommunikation und Software. 2019 betrug der Umsatz etwa 2,7 Milliarden Euro und das operative Ergebnis lag bei 347 Millionen Euro. (WKN: 882295)

Valmont Industries

Das US-Unternehmen stellt Beregnungssysteme und Wassermanagement-Lösungen für Bauern und die Präzisionslandwirtschaft her. 2019 setzte Valmont 2,3 Milliarden Euro um und erzielte ein operatives Ergebnis von 196 Millionen Euro (WKN: 858096)

Über den Autor Matthias Kutzscher

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Matthias Kutzscher ist Experte für Energie-, Internet- und Verbraucherthemen. Der Wirtschaftswissenschaftler volontierte bei der Deutschen Presse-Agentur und schrieb als Redakteur für Rheinische Post, VDI Nachrichten, den Rheinischen Merkur sowie das Magazin DM/Euro aus dem Handelsblattverlag. Als Chefredakteur verantwortete er die Nachrichtendienste Energie & Markt sowie Energie & Handel des ET Verlags. Kutzscher ist Dozent für Journalismus und Online-Journalismus an der Axel Springer Akademie, an der Europäischen Medien- und Business-Akademie, für die School for Communication and Management sowie für Media Workshop Hamburg. Große Stärke von Matthias Kutzscher ist es, komplexe Sachverhalte verständlich aufzubereiten. Dabei kombiniert er gekonnt die Vermittlung von Fakten mit lebendigem Storytelling.

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