Grund für den Rückgang ist Zinsangst
Hauptgrund für den Rückgang ist die Angst vor steigenden Zinsen. Das gilt vor allem für die USA. Weil die Inflation dort zuletzt bei mehr als acht Prozent lag, hat die US-Notenbank Fed eine harte Kurswende eingeläutet. Jahrelang sei die lockere Geldpolitik der Fed ein „Garant für gute Aktienstimmung“ gewesen, so Robert Halver, Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Über ultra-niedrigen Zinsen hat die Fed die Wirtschaft mit billigem Geld versorgt. Davon profitierten die Aktienmärkte in den USA – und damit weltweit.
Um die außergewöhnlich hohe Inflation zu bekämpfen, zieht die Notenbank nun jedoch die Zinsschraube an. Anfang Mai hob sie ihren Leitzins auf ein Prozent. Experten rechnen im Juni und Juli mit zwei weiteren Zinsschritten von jeweils bis zu 0,5 Prozentpunkten. Bis Ende des Jahres, so schätzen etwa die Analysten der Commerzbank, soll der US-Leitzins bei 3,0 Prozent stehen. Und auch die Europäische Zentralbank dürfte sich demnächst von Ihrer Nullzins-Politik verabschieden. Im dritten Quartal rechnen Beobachter mit einem ersten Zinsschritt von 0,25 Prozent. Zwei weitere könnten bis Jahresende folgen.
Steigende Zinsen sind schlecht für die Börsen
Die Zinserhöhungsängste halten sich an den Börsen deshalb derzeit „hartnäckig wie Kaugummi am Schuh“, meint Robert Halver. Und das ist schlecht für die Aktienmärkte. Denn steigende Zinsen machen zum einen alternative Anlageformen wie Anleihen oder Festgeld attraktiver. Das entzieht den Börsen Nachfrage. Zum anderen verteuern sie die Kreditaufnahme für die Unternehmen und schmälern damit deren Gewinne.
Das trifft jene Unternehmen stark, die einen hohen Fremdkapitalanteil haben, und das sind vor allem Technologiefirmen. Auch deshalb haben die Kurse von Netflix, Paypal und Co. zuletzt deutlich verloren – und eben auch die Nasdaq. Hinzu kommen weitere Risiken für Konjunktur und Aktienmärkte, allen voran der Krieg in der Ukraine: Er hält die Energiepreise hoch und dämpft damit das Wachstum. Auch die Corona-Lockdowns in China sowie die weltweit nach wie vor beeinträchtigten Lieferketten in der Industrie drücken auf die weltweite Konjunktur.
Experte hält eine Rezession für wahrscheinlich
Markus Horntrich, Chefredakteur des Frankfurter Börsenbriefs, hat deshalb bereits Mitte April im Youtube-Interview mit biallo.de vor einem neuen Verkaufsdruck an den Aktienmärkten gewarnt: „Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass wir in den nächsten Monaten in eine Rezession abgleiten werden“, sagt Horntrich. „Da könnte ich mir schon vorstellen, dass wir neue Tiefs sehen werden.“ Zur Erinnerung: Das bisherige Tief im Dax infolge des Ukraine-Kriegs am 7. März lag bei rund 12.440 Punkten.
Durchaus möglich, dass diese Marke in den kommenden Tagen noch einmal getestet wird. So zeigten nach Einschätzung von Robert Halver die Indikatoren an den Aktienmärkten derzeit in Richtung „extreme Angst“. Zwar habe es im Laufe der vergangenen Wochen bereits einige Tiefs gegeben. Dennoch scheint es so, als warteten die Märkte noch „auf das finale Blutbad“, meint Halver. Eine „nachhaltige Erholung der Aktienindizes“ sei demnächst jedenfalls nicht zu erwarten.
Auf der anderen Seite halten einige Experten es für durchaus möglich, dass der Höhepunkt der Teuerung mittlerweile erreicht sein könnte. Sollte sich das in den Inflationszahlen der kommenden Wochen und Monaten bewahrheiten, dürfte sich auch die Stimmung an den Aktienmärkten aufhellen. Klar ist aber: Der Rückgang der Teuerung wird angesichts knapper Rohstoffe und eingeschränkter Lieferketten lange dauern. Und: Er hängt davon ab, wie sich der Konflikt in der Ukraine entwickelt und mit ihm die Preise auf dem Energiemarkt.
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