Wie entsteht eine Unterbewertung bei Aktien?
Der Preis einer Aktie an der Börse wird vor allem durch die Nachfrage der Anleger nach den Unternehmensanteilen geprägt. Zahlreiche Faktoren haben einen Einfluss auf diese Nachfrage, ohne dass diese den tatsächlichen Wert des Unternehmens oder dessen Leistungsfähigkeit berücksichtigen.
Beispielsweise spielen heute soziale Netzwerke eine Rolle, in denen sich Anlegerinnen und Anleger untereinander austauschen. Verkaufen viele Investoren ihre Anteilsscheine an einem Unternehmen, könnten andere Investoren diesen einfach folgen. Allerdings erfolgt der Verkauf dann nicht, weil diese Anleger die Aktie für überbewertet halten, sondern nur weil sie der Strategie der anderen Anleger folgen. Auf diese Weise können Value Aktien entstehen.
Kein Marktteilnehmer wird eine Aktie genauso betrachten wie der andere. Jeder legt also seine ganz persönlichen Einschätzungen und Prognosen zugrunde, aus denen sich wiederum ableitet, wie viel jemand zu zahlen bereit ist. Mancher wird für Aktie A lediglich 50 Euro hinlegen, andere dagegen greifen tiefer in die Tasche und sind auch bei 60 Euro noch dabei. Die unzähligen Aufeinandertreffen von Angebot und Nachfrage schließlich bestimmen den an der Börse gehandelten Preis. Er spiegelt aber nicht zwingend den inneren Wert des Unternehmens wider.
Emotionale Reaktionen von Menschen führen an der Börse schnell zu unüberlegten Handlungen. Auch schlechte Nachrichten zum Unternehmen oder gar dem Markt können zu Verkäufen führen. Das hat letztlich eine Unterbewertung der Aktie zur Folge. Denn wenn viele Anleger dem Herdentrieb folgen, sinkt der Aktienkurs.
Welche Arten von unterbewerteten Aktien gibt es?
Man kann zwischen zwei Gruppen unterscheiden: diejenigen Aktien, die zurecht billig sind und jener Block, der im Vergleich zum Wert und der Qualität des Unternehmens tatsächlich unterbewertet ist.
Sieht man sich zunächst die erste Art an, lassen sich in der Praxis zahlreiche Gründe für die scheinbare Unterbewertung festmachen. Sei es eine zu hohe Verschuldung, eine schwache Position innerhalb der Branche oder unzureichende Wachstumsaussichten. Hiervon sollten sich Investoren nicht blenden lassen und folglich nicht des Preises wegen einsteigen. Manche Aktien sind nicht grundlos gefallen und nun vermeintlich günstig. Am besten orientiert man sich am Leitspruch: "Qualität hat ihren Preis."
Worauf es Value.Investoren wirklich abgesehen haben, sind solche Anteilsscheine, die trotz zahlreicher Qualitätsmerkmale zu einem Bruchteil ihres eigentlichen Wertes notieren. Sie sind es auch, die Starinvestoren wie Warren Buffett letztlich reich gemacht haben. Wie bereits vorhin erwähnt, braucht aber auch das seine Zeit. Wer denkt, eine Unterbewertung löst sich von heute auf morgen, irrt in den allermeisten Fällen gewaltig.
Wie erkennt man Value-Aktien?
Es bedarf ausgezeichneter Kenntnis des jeweiligen Unternehmens, um dessen Wert überhaupt vernünftig einschätzen zu können. Man muss in der Lage sein, nicht nur das Geschäftsmodell bis ins kleinste Detail zu verstehen und zukünftige Risiken und Chancen einordnen zu können, sondern darüber hinaus realistische Aussagen über die zu erwartenden Cashflows der nächsten Jahre treffen. Vielfach orientieren sich investoren jedoch nur an einfachen Bewertungskennzahlen, die in den meisten Fällen aber zu kurz greifen. Zudem laufen nicht wenige Gefahr, sich zu sehr auf die Vergangenheit einer Firma zu fokussieren, anstatt den Blick auf die viel wesentlichere Zukunft zu richten.
Trotz allem gibt es auch einige leicht umzusetzende Ratschläge, die bei der Identifikation von unterbewerteten Aktien hilfreich sein können. Dazu gehört unter anderem der Tipp, nicht zu häufig in Nachrichtenportale zu blicken. Dort wird für gewöhnlich viel Meinungsmache bei gleichzeitig mangelhafter Hintergrundrecherche betrieben und die Stimmung der Investoren dadurch gezielt in eine Richtung gelenkt. Davon sollte man sich jedoch nicht leiten lassen. Viel sinnvoller ist es, sich eine eigene Meinung über eine Aktie zu bilden.
Ferner bietet es sich unter Umständen an, die Aktivitäten ranghoher Unternehmensvertreter im Auge zu behalten. Normalerweise sind sie es, die am besten über die internen Entwicklungen Bescheid wissen sollten und dementsprechend darauf reagieren können. Spezielle Websites zeichnen inzwischen die Transaktionen der Führungsriege auf, sofern diese Aktien des eigenen Unternehmens besitzen. Der umfassende Kauf seitens des CEOs oder CFOs kann etwa ein Zeichen dafür sein, dass diese die weiteren Aussichten als positiv einschätzen und von einem Anstieg des Aktienkurses ausgehen.
Zu guter Letzt ist es nicht empfehlenswert, stumpfen Regeln nachzueifern. Ob eine Aktie bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von genau zehn tatsächlich kaufenswert ist, bedarf sicherlich weiterer Untersuchungen. Auch sagt ein Buchwert von unter eins nicht automatisch aus, dass die Firma unterbewertet ist. Die Börse ist ein zu komplexes Konstrukt, um nur mit einfachen Überlegungen an die Sache heranzutreten. In einem weiteren Ratgeber erklären wir Ihnen die zehn wichtigsten Kennzahlen für Aktien und Börse.
Wichtige Finanzkennzahlen für Value-Aktien
Auch wenn gerade darauf verwiesen wurde, dass für das Auffinden qualitativ hochwertiger und zugleich preiswerter Unternehmensanteile mehr nötig ist als schlichtweg Zahlen miteinander zu vergleichen, kann diese Herangehensweise zumindest als ergänzende Komponente dienen. Vor allem die nachfolgenden Relationen werden eigens dafür gerne herangezogen.
Das Kurs-Gewinn-Wachstums-Verhältnis oder PEG
Es berechnet sich, indem das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) durch die durchschnittliche Wachstumsrate der Gewinne innerhalb eines bestimmten Zeitraums dividiert wird. Hierzu ein Beispiel: Konnte ein Unternehmen seinen Gewinn pro Aktie auf Jahressicht um 20 Prozent steigern und liegt das zugehörige KGV bei 25, so ergibt sich daraus ein Price-Earning to Growth-Ratio in Höhe von genau 1,25 (25 geteilt durch 20). Als Faustregel gilt, dass alles unter einem Wert von eins als billig einzustufen ist. Das gewählte Beispiel würde also nicht dazu zählen.
Das Kurs-Buchwert-Verhältnis oder KBV
Die Ermittlung dieses Wertes ist vergleichsweise einfach. Man teilt den aktuellen Aktienkurs durch den im Namen bereits genannten Buchwert pro Aktie und erhält somit das Ergebnis. Auch hier deutet alles unter dem pauschalen Wert von eins darauf hin, dass der Anteilsschein unterbewertet ist. Wichtige Fragen, etwa nach dem Grund des niedrigen Buchwertes, werden allerdings gänzlich ignoriert.
Verhältnis des Kurses zum freien Cashflow
Der Name liefert hier eigentlich die Berechnung. Alles, was getan werden muss, ist die Teilung der Marktkapitalisierung eines Unternehmens durch dessen freien Cashflow – also die liquiden Mittel des Unternehmens, die für Ausschüttungen und Tilgung zur Verfügung stehen. Je niedriger das Resultat, desto günstiger die Aktie, da ein Investor dann weniger Geld für mehr freien Cashflow bezahlen muss. Der Cashflow ist übrigens nicht mit dem Gewinn zu verwechseln, sondern stellt lediglich dar, wie viel Geld einer Firma zu- und abfließt.
Die Eigenkapitalrendite oder Return on Equity
Anhand dieser Kennziffer erkennt ein Anleger, wie viel Gewinn ein Unternehmen verglichen mit dem dafür zur Verfügung stehenden Eigenkapital erwirtschaftet. Verhältnismäßig geringe Aktienkurse im Zusammenspiel mit einem hohen Return on Equity sind manchmal ein Indiz für unterbewertete Aktien.
Zum Schluss noch einmal der Hinweis darauf, dass die Berechnung der vorgestellten Parameter zwar hilfreich sein kann, um einen besseren oder ersten Eindruck des Unternehmens und dessen Bewertung zu erhalten. Sich alleine darauf zu stützen, wäre bei einem Investment aber beinahe töricht.
Value-Aktien und Inflation – Was ist zu beachten?
Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Tatsächlich eine ganze Menge, auch wenn man das auf den ersten Blick gar nicht vermuten würde. Insbesondere zwei Aspekte sind dabei wichtig.
Steigende Zinsen sind für Value-Aktien vorteilhaft
Die hohe Inflation drängt die Notenbanken mehr und mehr dazu, durch Zinsanstiege gegenzulenken. Der positive Punkt besteht nun konkret darin, dass sich hinter dem Großteil der Value-Aktien etablierte Unternehmen verbergen. Diese haben ihr Wachstum oftmals ausgeschöpft und sind in finanzieller Hinsicht stark. Expansionen können meist aus eigener Kraft gestemmt werden. Wachstums- oder Growth-Unternehmen hingegen müssen sich für eine weitere Ausdehnung des Geschäftes häufig Geld leihen. Nun aber sollen auch die Kreditzinsen wieder steigen, was mit höheren Kosten für die betroffenen Firmen einhergeht. Value-Unternehmen werden diese Hürden umgehen können und sollten für Investoren deshalb im direkten Vergleich zu den Wachstumsfirmen interessanter werden.
Etablierte Konzerne geben die Inflation weiter
Hat sich ein Unternehmen auf dem freien Markt erst einmal einen gewissen Ruf aufgebaut, fällt es vergleichsweise leicht, Preiserhöhungen an die Kundschaft weiterzugeben, ohne diese direkt zu verlieren. Im Fachjargon ist dann von der sogenannten Preissetzungsmacht die Rede. Somit können die Gewinnmargen oftmals aufrechterhalten werden. Wachstumsfirmen, die Hauptkonkurrenten der Value-Aktien, stecken nicht selten noch in den Kinderschuhen und müssen sich das Vertrauen der Klientel zunächst erarbeiten. Preissteigerungen können hier gar der Anfang vom Ende sein.
In unserem Ratgeber "Value versus Growth" zeigen wir Ihnen, dass die Grenzen zwischen beiden Anlagestilen zuweilen fließend sind und dass ein ehemals typisches Growth-Unternehmen auch zu einem Value-Investment werden kann, wenn es im Laufe der Zeit seine Markposition behauptet und seine Gewinne verstetigt.