Seit dem 1. Juli 2017 gelten aufgrund des sogenannten Flexirentengesetzes neue Regeln zum Hinzuverdienst bei einer Frührente sowie zu Teilrenten. Die Regeln sind weniger starr als die vorher geltenden Bestimmungen und geben älteren Versicherten zwischen 61 und 65 Jahren eine Reihe von Gestaltungsmöglichkeiten. In diesem Ratgeber finden Sie zunächst die neuen Regeln kompakt dargestellt. Je nachdem, welche Interessen Sie als Versicherte haben, gibt es unterschiedliche Varianten. Darüber hinaus behandelt dieser Ratgeber auch das Verhältnis von Betriebsrente und Teilrente; denn die Nutzung einer Teilrente birgt gegebenenfalls Risiken für die Betriebsrente.
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Die neuen Regeln zu Hinzuverdienst und Teilrente
Wer vor der Regelaltersgrenze eine Altersrente beansprucht, kann nicht unbegrenzt hinzuverdienen. Um den vollen Rentenanspruch zu erhalten, sind Hinzuverdienstgrenzen zu beachten. Andernfalls wird die Rente nur noch als Teilrente gewährt. Mit Hinzuverdienst bezeichnet das Gesetz Arbeitsentgelt von Arbeitnehmern (§14 SGB IV) und Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit (§15 SGB IV). Zinseinnahmen und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung spielen keine Rolle. Die Regelungen zur Anrechnung des Hinzuverdienstes gelten nur so lange, bis das reguläre Rentenalter erreicht wird. Ab diesem Zeitpunkt wird aus dem vorgezogenen Altersruhegeld automatisch (und ohne Antrag) die reguläre Altersrente. Hierbei spielt der Hinzuverdienst keine Rolle. Allerdings kann auch dann noch eine Teilrente gewählt werden (statt einer Vollrente).
Hinzuverdienstgrenzen
Die bis zum 30. Juni 2017 geltenden starren Hinzuverdienstregelungen wurden durch das Flexirentengesetz zum 1. Juli 2017 aufgehoben. Bis zu diesem Zeitpunkt galt: Wer ein vorgezogenes Altersruhegeld bezog, durfte nur bis zu 450 Euro im Monat verdienen und zweimal im Jahr das Doppelte - also 900 Euro. Gab es einen Cent mehr, so erhielten Rentner nur noch zwei Drittel der Rente ausgezahlt. Bei höheren Zuverdiensten reduzierte sich die Rente in Stufen auf die Hälfte bzw. ein Drittel des vollen Betrags oder es wurde gar keine Rente mehr gezahlt. Statt dieses Stufenmodells gilt nun ein gleitendes Anrechnungsverfahren. Zudem kommt es nicht mehr auf das monatliche Arbeitseinkommen an, es zählt vielmehr das Einkommen innerhalb eines Kalenderjahres. Die jährliche Hinzuverdienstgrenze liegt nun bei 6.300 Euro brutto. So viel kann man auf jeden Fall zu einem vorgezogenen Altersruhegeld hinzuverdienen, ohne dass es zu einer Rentenkürzung kommt. Ob man die 6.300 Euro in einem oder zwei Kalendermonaten oder verteilt über ein ganzes Kalenderjahr verdient, spielt keine Rolle. Da es sich hier um eine Jahresgrenze handelt, gilt diese auch, wenn jemand innerhalb eines Kalenderjahres nur noch kurze Zeit ein vorgezogenes Altersruhegeld bezieht, weil er dann die reguläre Altersgrenze erreicht. Die 6.300-Euro-Grenze wird auch in diesem Fall nicht auf Monate heruntergerechnet. Das über 6.300 Euro hinausgehende Brutto-Einkommen wird zu 40 Prozent auf die Brutto-Jahresrente angerechnet.
- Beispiel: Ein 63-jähriger Rentner verdient innerhalb eines Jahres zusätzlich zu seiner Rente 12.000 Euro brutto. Dies sind (12.000 - 6.300 =) 5.700 Euro mehr als anrechnungsfrei erlaubt ist. 40 Prozent dieses Betrags werden auf die Rente angerechnet. Dies sind 2.280 Euro. Pro Monat macht dies (2.280 : 12 =) 190 Euro. Um diesen Betrag wird seine Rente gekürzt. Er bezieht also nur eine Teilrente.
In Einzelfällen kappt zudem ein sogenannter Hinzuverdienstdeckel die Rente. Dieser spielt allerdings nur bei sehr hohen Arbeitseinkünften neben der Rente eine Rolle.
Spitzabrechnung zum 1. Juli des Folgejahres
Ob überhaupt und wie viel vom Zuverdienst die Rentenversicherung auf die Rente anrechnet, wird zunächst auf Grundlage einer Prognose errechnet. Auch beim Einkommen stimmen Prognosen fast nie hundertprozentig - etwa wegen Überstunden oder weil es zwischenzeitlich zu tariflichen Lohnerhöhungen gekommen ist. Deshalb folgt auf Basis der kompletten Gehaltsabrechnung(en) eines Kalenderjahrs zum 1. Juli des Folgejahrs eine spitze Abrechnung – auf den Cent genau. Stellt sich bei dieser Spitzabrechnung heraus, dass das Arbeitseinkommen höher war als prognostiziert, so kommt es nachträglich zu einer Rentenkürzung -und umgekehrt. Dabei kann es nachträglich auch zu einem Wegfall der Rente kommen. Die Betroffenen werden in diesem Fall rückwirkend so gestellt, als ob sie keine Rente bezogen hätten. Später müssen die Betroffenen dann erneut Rente beantragen. Diesen neuen Antrag behandelt die Rentenversicherung dann genauso wie einen Erstantrag.
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Verschiedene Kombinationen von Arbeitseinkommen und Rente
Abhängig von den Zielen der Versicherten, ergeben sich durch das Teilrentenmodell unterschiedliche Optionen. In diesem Ratgeber spielen wir drei Varianten durch:
- Variante 1: nur Interesse an einer (temporären) Aufbesserung der Rente
- Variante 2: Interesse an einem gleitenden Übergang in den Ruhestand und zugleich an einer Rentenoptimierung
- Variante 3: reines Interesse an einer vorteilhaften steuerlichen Gestaltung
Variante 1: Interesse an kleinem temporären Hinzuverdienst
Für Frührentner sind nach wie vor nur gering bezahlte Jobs bei der Rente völlig anrechnungsfrei. Die Regelung hat sich allerdings geändert. Früher durften Bezieher eines vorgezogenen Altersruhegeldes 450 Euro monatlich ohne Probleme hinzuverdienen. Dann waren weder Abzüge von der Rente noch vom Arbeitsentgelt zu befürchten. Nun sind innerhalb eines Jahres 6.300 Euro Hinzuverdienst erlaubt, ohne dass die Rente niedriger ausfällt. Auf einen Monat umgerechnet sind das 525 Euro. Das sieht aber nur auf den ersten Blick erheblich günstiger aus. Denn wer heute die neue Freigrenze ausschöpft und jeden Monat 525 Euro brutto zu seiner Frührente hinzuverdient, muss auf jeden Fall Abgaben zahlen. Bei der Minijob-Regelung hat sich nämlich nichts geändert. Hier gilt weiterhin die niedrigere 450-Euro-Grenze, bis zu der keine Sozialabgaben und Steuern gezahlt werden müssen.
Bei einem 525-Euro-Job fallen aber Sozialbeiträge an – allerdings verminderte, da es sich um eine Beschäftigung in der sogenannten "Gleitzone" handelt. Zudem ist die Beschäftigung steuerpflichtig. Ob überhaupt und wie viel Steuer anfällt, hängt natürlich von der Konstellation des Einzelfalles ab.
Bei einem Frührentner-Ehepaar mit Rentenbezügen von monatlich insgesamt 3.000 Euro kann die Steuer bei einem zusätzlichen Brutto-Hinzuverdienst in Höhe von jährlich 6.300 Euro schon mit 1.000 Euro zu Buche schlagen.