Arbeitnehmer sollten sich in jedem Fall von der Schwerbehindertenvertretung beraten lassen – falls es eine solche in ihrem Betrieb gibt.
Schwerbehinderung beantragen: Weitere Tipps für die Antragstellung
"Angaben zu Ihrer Gesundheitsstörung"
Abgefragt werden im Antrag länger als sechs Monate andauernde körperliche, geistige oder seelische Gesundheitsstörungen. Diese Fragen können Sie beantworten, ohne medizinische Fachbegriffe zu benutzen. Hier wird also keine Auskunft über "Insuffizienzen" oder "Angina pectoris" verlangt. Herzinfarkt oder Herzprobleme, Durchblutungsstörungen, Rheuma, Zuckerkrankheit oder Krebs könnten Sie hier also eintragen.
- Hinweis: Die Angaben sollten Sie mit Ihrem Hausarzt (beziehungsweise mit dem Facharzt), auf dessen Arztbericht / Befunde Sie sich bei Ihrem Antrag stützen, abstimmen.
Gesundheitsstörungen, die für die Beurteilung des Grades der Behinderung (GdB) keine Rolle spielen (Beispiel: eine "normale" Kurzsichtigkeit) oder die nicht klar zu belegen sind, sollten Sie gar nicht erst anführen.
Sind Sie erwerbstätig?
Danach wird gefragt, weil für erwerbstätige Antragsteller/innen, deren Schwerbehinderung noch nicht festgestellt ist, besondere Regelungen zum Kündigungsschutz und zum Verfahren gelten. Bei Erwerbstätigen wird die Bearbeitung des Antrags beschleunigt.
Welche "Merkzeichen" auf dem Schwerbehindertenausweis beantragen Sie?
Wenn Sie sich nicht sicher sind, brauchen Sie hier gar nichts anzukreuzen. Das Versorgungsamt vergibt später – wenn der Antrag bewilligt wird – die Merkzeichen entsprechend Ihren Behinderungen, unabhängig davon, was Sie angekreuzt haben.
Entbindung von der Schweigepflicht
In jedem Fall sollten Sie Ihren Arzt oder Ihre Ärzte von der Schweigepflicht entbinden. Im Antragsformular ist dazu eine formelle Schweigepflichtentbindung vorgesehen, die unterschrieben werden muss beziehungsweise bei der "Ja" angekreuzt werden muss. Die Entbindung von der Schweigepflicht gilt übrigens nicht für Ihren Arbeitgeber – dieser erfährt nichts von Ihrer Antragstellung. Die Entbindung gilt nur für Ärzte und andere schweigepflichtige Personen, die der Antragsteller im Antragsformular selbst angegeben hat.
Schwerbehinderung beantragen: Wenn der Antrag abgelehnt wird
Der Bescheid des Versorgungsamtes ist mit einem Rechtsmittelbehelf versehen. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats Widerspruch erhoben werden.
Widerspruch einlegen
Es reicht zunächst ein formloses Schreiben an das ausstellende Amt: "Gegen den Bescheid vom ... erhebe ich hiermit Widerspruch. Die schriftliche Begründung folgt."
Zugleich sollte man verlangen, alle ärztlichen Zeugnisse und Gutachten sowie die abschließende Stellungnahme des versorgungsärztlichen Dienstes in Kopie zugesandt zu bekommen, die den Bescheid begründet haben. So kann man kontrollieren, ob überhaupt alle Ärzte vom Amt angeschrieben wurden und ob die Ärzte alle Befunde berücksichtigt haben. Wurden Ärzte nicht berücksichtigt, so ist das schon ein Widerspruchsgrund.
Die detaillierte Begründung des Widerspruchs sollte man mit seinem Hausarzt besprechen. In jedem Fall sollte man sich auch bei der Gewerkschaft, einem Sozialverband (VdK oder SoVD) oder einem privaten Rentenberater beraten lassen. Wenn die Widerspruchsfrist bereits abgelaufen ist, kann jederzeit ein neuer Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter gestellt werden.
Antrag auf Gleichstellung mit Schwerbehinderten stellen
Unter Umständen lehnt das Versorgungsamt den Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter ab, erkennt aber einen Grad der Behinderung von mindestens 30 Prozent zu. In diesem Fall gibt es eine für Arbeitnehmer interessante Sonderregelung: Der Betroffene kann nach Paragraf 2 Absatz 3 des neunten Sozialgesetzbuchs einen Antrag auf "Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen" stellen.
Welche Vorteile gelten bei einer Gleichstellung mit Schwerbehinderung?
Die wichtigste Konsequenz: Für den Arbeitnehmer gilt dann der besondere Kündigungsschutz für Schwerbehinderte. Darüber hinaus kann der Betroffene (beziehungsweise ein Betrieb, der sie/ihn einstellt) dann auch von Lohnkostenzuschüssen der Arbeitsagentur profitieren.
Belege für eine behinderungsbedingte Gefährdung des Arbeitsplatzes
Beschäftigte, die eine Gleichstellung erreichen wollen, müssen Anhaltspunkte für eine behinderungsbedingte Gefährdung des Arbeitsplatzes belegen können. Zum Beispiel:
- wiederholte oder häufige Fehlzeiten,
- behinderungsbedingt verminderte Arbeitsleistung,
- dauernd verminderte Belastbarkeit,
- Abmahnungen im Zusammenhang mit behinderungsbedingt verminderter Leistungsfähigkeit,
- auf Dauer notwendige Hilfeleistungen anderer Mitarbeiter.
Vorteile bei der Jobsuche
Auch für Arbeitslose kann ein Gleichstellungsantrag Vorteile bringen. Arbeitgeber können nämlich, wenn sie die Betroffenen einstellen, besondere Zuschüsse der Arbeitsagenturen erhalten.
Besonderer Kündigungsschutz auch für Gleichgestellte
Wird der Antrag auf Gleichstellung bewilligt, so gilt für Arbeitnehmer der besondere Kündigungsschutz für Schwerbehinderte. Das bedeutet vor allem: Vor einer Kündigung müssen Arbeitgeber beim Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung beantragen. Dieses prüft auch, welche Alternativen zur Kündigung bestehen. Dieses komplizierte Verfahren schreckt viele Arbeitgeber vor der Kündigung Behinderter ab.
Wichtig allerdings: Wer erst kurz vor oder nach Erhalt der Kündigung die "Gleichstellungskarte" zieht, steht nicht unter dem Kündigungsschutz. Dieser gilt nämlich nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 1.März 2007 nur dann, wenn der Antrag auf Gleichstellung mindestens drei Wochen vor der Kündigung gestellt wurde (Az.: 2 AZR 217/06).
Nachteilsausgleich bei Schwerbehinderung
Menschen mit Schwerbehinderung können als Nachteilsausgleich eine Reihe von Rechten und Hilfen bekommen.
Zusatzurlaub bei Schwerbehinderung
Schwerbehinderte Arbeitnehmer (aber nicht Gleichgestellte) haben einen Anspruch auf fünf zusätzliche Urlaubstage. Die Urlaubstage kommen zum Grundurlaub dazu, der den schwerbehinderten Beschäftigten laut Arbeits- oder Tarifvertrag beziehungsweise nach gesetzlichen Bestimmungen ohnehin zusteht.
Wiedereingliederungshilfen / Hilfsmittel
Die Agenturen für Arbeit fördern die Einstellung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen durch Geldleistungen an Arbeitgeber. Vor allem die Integrationsämter geben begleitende Hilfen im Arbeitsleben, durch die die Beschäftigung der Betroffenen gesichert wird. So können beispielsweise Hebehilfen oder besondere Arbeitsstühle finanziert werden.
Schwerbehindertenrente: Vorzeitiger Rentenanspruch
Die volle Rente können Schwerbehinderte des Jahrgangs 1958 mit 64 Jahren erhalten, ein vorzeitiger Bezug ist für den Jahrgang 1961 mit 61 Jahren und sechs Monaten möglich. Die Abschläge belaufen sich bei der frühestmöglichen Inanspruchnahme der Rente auf 10,8 Prozent. Für jüngere Jahrgänge verschieben sich die genannten Altersgrenzen Schritt für Schritt nach oben. Versicherte des Jahrgangs 1964 können schließlich die Schwerbehindertenrente mit 65 Jahren ohne Abschläge und ab 62 mit Abschlägen in Anspruch nehmen.
Für jüngere Schwerbehinderte kommen gegebenenfalls die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in Frage. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.