Überall im täglichen Leben sind sie derzeit zu spüren – die massiven Preissteigerungen. Während die Inflation hierzulande und im gesamten Euroraum einen Rekord nach dem nächsten jagt, gerät ein anderes geldpolitisches Phänomen völlig in Vergessenheit. Die Rede ist von der sogenannten Deflation. Aktuell mag sie für kaum jemanden eine Rolle spielen, unter den Tisch sollte man sie allerdings definitiv nicht fallen lassen. Aber wodurch genau ist eine Deflation überhaupt gekennzeichnet? Hierzu zunächst eine Definition.
Was ist Deflation?
Grundsätzlich lässt sie sich als das genaue Gegenteil der momentan im Fokus stehenden Inflation bezeichnen. Konkret bedeutet dies, dass viele Güter und Dienstleistungen über einen länger anhaltenden Zeitraum billiger werden. Das Preisniveau der Volkswirtschaft sinkt also. Übrigens muss eine Deflation nicht immer alle Bereiche betreffen, sondern kann sich beispielsweise auch auf einzelne Industriezweige beschränken.
Weiter ist es denkbar, dass Inflation und Deflation in verschiedenen Sektoren parallel zueinander auftreten. So konzentrieren sich die Preissteigerungen gegenwärtig vor allem auf Heizöl oder Erdgas. Andere Dinge wie zum Beispiel Internetverträge oder verschiedene Onlinedienste sind zuletzt aber tatsächlich im Preis gesunken. Für einige mag die Deflation bis hierher deutlich erstrebenswerter als die stetigen Preisanstiege klingen. Ihre negativen Wirkungen dürfen jedoch nicht unterschätzt werden. Um diese überhaupt messen zu können, ist das Wissen über die im Hintergrund ablaufenden Ursachen aber unabdingbar.
Wie kommt es eigentlich zur Deflation?
In der Realität gibt es hierfür zumeist nicht den einen, alles entscheidenden Grund. Vielmehr sorgt ein komplexes Konstrukt unterschiedlicher Faktoren für die Preissenkungen. Zu Beginn lässt sich das Phänomen jedoch auf einen simplen Grundsatz herunterbrechen: Die Gesamtnachfrage einer Volkswirtschaft ist bei Vorliegen einer Deflation geringer als das gegenüberstehende Gesamtangebot. Anders ausgedrückt kann man außerdem sagen, dass die Gütermenge auf eine zu geringe Geldmenge stößt.
Ein Rückgang Geldmenge kann beispielsweise dann auftreten, wenn der Umlauf des Geldes aufgrund nachlassenden Konsums an Geschwindigkeit einbüßt. Auch restriktive Maßnahmen seitens der EZB sind denkbar. Die Notenbank kann von sich aus die Geldmenge reduzieren. Ferner senken teils auch die Unternehmen selbst die Preise. Das kann der Fall sein, wenn Märkte als übersättigt gelten oder Produktionskapazitäten nicht voll ausgelastet sind. Das Zusammenspiel sinkender Inflationsraten mit schwächerem Wirtschaftswachstum erhöht die Gefahr einer deflationären Phase signifikant. Was sind nun aber die mittelbaren beziehungsweise unmittelbaren Folgen einer Deflation?
Was sind die möglichen Folgen einer Deflation?
Genauso wie die Ursachen sind auch die Folgen einer Deflation in der Praxis durchaus vielfältig. Meist hilft es, eine sogenannte Wirkungskette aufzustellen, anhand derer die Auswirkungen zumindest ungefähr skizziert werden können. In den allermeisten Fällen muss zudem gesagt werden, dass die sich entwickelnde Dynamik einer Deflation verhältnismäßig schnell in eine schwere wirtschaftliche Rezession mündet.
So führen etwa die fallenden Preise zu sinkenden Gewinnen für Unternehmen. Dies veranlasst Firmen wiederum, Kosten einzusparen, was unter anderem über Lohnkürzungen und Mitarbeiterentlassungen geschieht. Als Konsequenz daraus steigt die Arbeitslosigkeit bei gleichzeitig sinkenden Einkommen. Privatpersonen müssen sich dann häufig einschränken und schrauben den Konsum merklich herunter. Auch die Firmen haben natürlich weniger Geld zur Verfügung, das zum Beispiel für Investitionen herangezogen werden kann. Eine insgesamt schrumpfende Wirtschaftsleistung zusammen mit zunehmender Arbeitslosigkeit verstärkt die Risiken von Insolvenzen.
Wer von Deflation spricht, darf vor allem auch eines nicht vergessen: Investitionen werden auf unbestimmte Zeit nach hinten verschoben. Dies resultiert aus dem weit verbreiteten Gedanken, dass alles nochmals billiger wird. Eine fatale Herangehensweise, die die Nachfrage erneut drosselt und die Krise somit weiter verschärft.
Dabei kann es vor allem für Schuldnerinnen und Schuldner in deflationären Zeiten unbequem werden. Dies rührt in erster Linie daher, dass die jeweiligen nominalen Kreditsummen gleich bleiben, das Geld selbst allerdings an Wert gewinnt. Damit steigt auch die reale Höhe der Schulden. Problematisch wird das vor allem bei Immobilien, da hier das Sachvermögen abnimmt, während die zu tilgenden Beträge zunehmen. Bekanntermaßen hat eine Medaille jedoch immer zwei Seiten. Gläubiger profitieren also von der Deflation, von der es übrigens verschiedene Arten gibt.
Welche Arten von Deflation gibt es?
Generell kann man zwischen der Geldmengen- sowie der Preisdeflation unterscheiden:
Die Geldmengendeflation
Sie ist in einem Satz erklärt und recht intuitiv. Hier schrumpft die Geldmenge, was eine Unterversorgung der Wirtschaft mit Geld bedeuten kann. Genau das macht die Geldmengendeflation auch äußerst gefährlich. Vor allem während der Finanzkrise 2008/2009 wurden immer wieder derartige Ängste geschürt. Momentan zeichnet sich Ähnliches im Euroraum allerdings nicht ab.
Die Preisdeflation
Für Zentralbanker und Ökonomen ist sie ein echter Graus, Verbraucher hingegen dürften sie sich vor allem in der gegenwärtigen Situation herbeisehnen. Oftmals wird bei der Preisdeflation die Befürchtung laut, dass Investitionen immer weiter verschoben werden. In der Praxis gibt es jedoch auch Beispiele, die das Gegenteil belegen und somit zeigen, dass sich die Sorge nur schwer verallgemeinern lässt. Auf Waren des täglichen Bedarfs lässt sich kaum verzichten und auch für Produkte mit besonderer Anziehungskraft wie dem neuesten Smartphone sind Verbraucher durchaus bereit, einen gewissen Aufpreis für die sofortige Nutzung zu bezahlen.
Was ist eigentlich die Deflationsspirale?
Bekannt ist sie auch unter dem Begriff “Deflationszyklus”. Gemeint ist nichts anderes als das Phänomen der sich ständig verschiebenden Investitionen aufgrund erwarteter Preisverfälle. Waren und Dienstleistungen sowie Sachwerte wie Immobilien und Grundstücke werden also nicht mehr in dem Maße wie zuvor gekauft. Die insgesamt nachlassende Nachfrage der gesamten Volkswirtschaft wirkt sich auch auf Unternehmen aus, die nur noch die nötigsten Investitionen tätigen. Dadurch allerdings können beispielsweise die Produktionskapazitäten nicht erweitert werden, was im nächsten Schritt zu einer stagnierenden Wirtschaftsleistung führt. Auch Banken bleiben nicht verschont. Sie müssen verstärkt Kredite abschreiben und können Darlehen nur noch in eingeschränkter Menge vergeben.
Wie sieht es mit Geldanlagen in einer Deflation aus?
Wo sich Kapital in deflationären Phasen am besten unterbringen lässt, ist unter Experten umstritten. Dennoch lassen sich einige Investitionsformen sowie deren Verhalten in Zeiten der Deflation zumindest vorstellen. Vier Strategien haben sich dabei als verhältnismäßig attraktiv herausgestellt:
- Aktien gelten als eher ungeeignet, weil der erwirtschaftete Profit der Unternehmen tendenziell rückläufig ist. Investoren wollen meist aber gerade das Gegenteil sehen.
- Auch Immobilien und andere Sachwerte sind häufig weniger rentabel.
- Auf der anderen Seite gewinnen festverzinsliche Geldanlagen wie zum Beispiel Tagesgeld, Festgeld oder Anleihen rasant an Popularität.
- Zinspapiere, wie zum Beispiel festverzinsliche Wertpapiere, gelten nun generell als Mittel der Wahl, da die realen Zinsen durch die Deflation weiter ansteigen.
Besonders kontrovers gestaltet sich die Funktion von Gold, das vor allem in Zeiten hoher Inflation vielen als Allzweckwaffe gilt. Gibt das allgemeine Preisniveau über einen längeren Zeitraum nach, setzen nicht selten auch umfangreiche Goldverkäufe ein.
Gab es schon einmal deflationäre Phasen?
Der Blick in die Historie zeigt hierzu viele Beispiele, von denen nachfolgend drei besonders bedeutende hervorgehoben werden sollen:
Die Große Weltwirtschaftskrise in den 1930er-Jahren
Mit dem Börsencrash drei Jahre zuvor nahm alles seinen Lauf. Die wirtschaftliche Depression ging einher mit massiver Arbeitslosigkeit, einbrechenden Gehältern und schließlich fallenden Preisen. Der Sparkurs vieler Regierungen verschärfte die Deflation zusätzlich.
Deflation in Japan ab den 1990er-Jahren
Ein nach wie vor recht aktuelles Beispiel. Vor wenigen Jahrzehnten platzte in Japan die zuvor aufgebaute Aktien- und Immobilienblase, worauf der wirtschaftliche Abschwung und fallende Preise folgten. Die Zinssenkungen und Staatsausgaben trugen kaum Früchte.
Argentinienkrise zwischen 1998 und 2002
Um die Jahrtausendwende kam es in dem südamerikanischen Land bedingt durch eine Schulden- und Währungskrise zu einem erheblichen Rückgang des Konsums sowie der getätigten Investitionen. Eine bis ins Jahr 2002 andauernde Deflation war die Folge.