Wie viel Kapital benötigen Gründer, um genügend Handlungsspielraum zu haben? Welche Fehler passieren häufig bei der Finanzplanung? Biallo.de sprach mit Claudia Schlebach von der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern. Sie ist Abteilungsleiterin für Unternehmensförderung, Gründung, Gewerberecht.
Experteninterview: Banken legen auf „Szenario-Planung“ Wert
Auf einen Blick
- Biallo.de im Gespräch mit Claudia Schlebach, Abteilungsleiterin für Unternehmensförderung, Gründung, Gewerberecht bei der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern.
- Fragen & Antworten rund um das Thema Existenzgründung, Finanzplanung & Kapitalbedarf.
Claudia Schlebach, Abteilungsleiterin für Unternehmensförderung, Gründung, Gewerberecht bei der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern.
Wie ist die Gründerstimmung in Pandemiezeiten?
Claudia Schlebach: In Zeiten, in denen Beschränkungen galten, war die Stimmung unter Existenzgründern sehr verhalten. Stark betroffen waren etwa der stationäre Handel und das Reisebürogewerbe. Von vielen Gründern haben wir gehört, dass sie ihr Vorhaben verschieben. Gleichzeitig gab es einen gegenläufigen Effekt, es kam verstärkt zu innovativen Gründungen, vor allem von Unternehmen, die sich mit Digitalisierungsthemen beschäftigen. Insgesamt hatten wir in Bayern im vergangenen Jahr 24.000 mehr Neugründungen als Unternehmensschließungen. Normalerweise sind es nur 12.000 mehr. Die jüngsten Zahlen des Landesamtes für Statistik zeigen, dass die Basis weiterhin gut ist.
Wie viele Nebenerwerbsgründungen sind darunter?
Schlebach: Der Anteil von Gründungen im Nebenerwerb liegt seit vielen Jahren bei 60 Prozent. Wenn das Geschäft gut anläuft, wird daraus der Haupterwerb. In Corona-Zeiten hat der Anteil der Nebenerwerbsgründungen um zehn Prozent zugenommen. Menschen, die sich in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen sehen, haben sich ein zweites berufliches Standbein aufgebaut. Dieser Trend zeigt sich sonst, wenn Konjunktur und Arbeitsmarkt schlecht laufen.
Hinter den meisten Gründungen stehen Einzelkämpfer. Wie viele sind nach zwei, drei Jahren noch am Markt?
Schlebach: Die meisten Studien besagen, dass nach fünf Jahren circa die Hälfte der Firmen wieder aufgibt. Ein entscheidender Zeitpunkt kommt früher. Nach zwei Jahren setzen oft die Tilgungen ein, gleichzeitig meldet sich das Finanzamt. Tilgungszahlungen, Umsatz- und Ertragsteuer – da leert sich das Konto. Die Gründung kommt sozusagen gezwungenermaßen auf den Prüfstand. Da sollte man schauen, ob die Planungen erfüllt, Umsatz und Ertrag erreicht worden sind.
Wie gut sollte die Kapitalausstattung in den ersten Jahren sein?
Schlebach: Je höher das Kapital ist, umso mehr Handlungsspielraum hat man. Es muss für Geschäftsbetrieb und Marketing reichen. Denn wer neu startet, muss ja erst einmal bekannt werden, um Aufträge zu erhalten. Wir raten dazu, mindestens die laufenden Kosten für die ersten drei Monate als Vorfinanzierungskostenblock anzusetzen. Plus die Investitionskosten.
Was sind die Hauptfehler, die Gründerinnen und Gründer bei der Finanzplanung machen?
Schlebach: Häufig werden die Umsätze zu optimistisch geplant. Wichtig ist es, im Finanzplan zusätzlich festzuhalten, welche Voraussetzungen für die Planung der einzelnen Ertragssparten und der Kosten zugrunde liegen. Und das für beide Fälle – den besten und schlimmsten. Für das Worst-Case-Szenario ist es ratsam, einen Finanzpuffer einzuplanen. Die Planzahlen sollte der Gründer jeden Monat mit den Ist-Zahlen vergleichen. Auf eine solche Szenario-Planung legen auch Banken Wert.
Wie hoch ist der Finanzbedarf?
Schlebach: Die meisten Gründer benötigen deutlich weniger als 25.000 Euro. Bei einigen staatlichen Förderprogrammen ist das Mindestkreditvolumen für Kleinunternehmer zu hoch. In Bayern ist die Grenze auf 10.000 Euro gesenkt worden. Auf Bundesebene hat man etwa die Mikromezzaninfonds gestartet.
Wenn das Eigenkapital für den Start nicht reicht: Welche Finanzierungsmittel kommen als erstes in Betracht?
Schlebach: Wir sagen immer, zuerst sollte der Gründer ein kleines „Sparbuch“ haben, damit meinen wir ein bisschen Startkapital. Jede Bank, bei der der Gründer eine Kreditanfrage stellt, möchte natürlich sehen, dass er selber auch mit Geld ins Risiko geht. Ergänzend empfiehlt sich ein Förderdarlehen der Landesförderbank oder der KfW-Bank. Förderdarlehen haben den Vorteil der Haftungsfreistellung. Die Hausbank, über die das Geld vergeben wird, wird dadurch vom Risiko entlastet. Meistens können 60 bis 80 Prozent des Risikos darüber abgedeckt werden. Der Gründer kann also mehr Kredit aufnehmen, als es seine Kreditwürdigkeit eigentlich erlauben würde.
Die Hausbank spielt da immer mit?
Schlebach: Da die Hausbank einen Teil des Kreditrisikos trägt, prüft sie das Geschäftskonzept. Und sie schaut sich auch an, was der Gründer zuvor beruflich gemacht hat. Sie kalkuliert, ob der Betreffende für den Fall, dass die Gründung scheitert, das Darlehen in einem Angestelltenverhältnis in drei Jahren – die Verjährungsfrist für Privatinsolvenzen – zurückzahlen könnte. Alternativ kann der Gründer weitere Sicherheiten stellen, gegebenenfalls auch über das zuvor genannte Förderdarlehen.
„Sparbuch“, Förderdarlehen – was käme für Kleinunternehmer noch in Frage?
Schlebach: Es gibt auch noch die Variante, dass der Gründer einen Bankkredit mit der Bürgschaft einer Bürgschaftsbank aufnimmt. Das gestaltet sich ähnlich wie ein Förderdarlehen. Man hat aber etwas mehr Flexibilität bei der Rückzahlung. Da sollte man sich erkundigen, was die Bürgschaftsbank im jeweiligen Bundesland anbietet. Beide Varianten, Förderdarlehen und Kredit mit Bürgschaft, sollten Gründer abklopfen. Dann können sie entscheiden, was im Einzelfall besser passt – ob Standardtilgungsraten oder eine individuell zugeschnittene Tilgung.