Wie steht es um die Geschäftsfähigkeit?
Eine heikle Frage ist die nach der Geschäftsfähigkeit. Die Erkrankung beginnt meist schleichend. Zahlreiche Betroffene erkennen Symptome nicht oder gestehen sie sich nicht ein. Bis zur ärztlichen Diagnose der Erkrankung vergeht einige Zeit. Und auch wenn die Krankheit diagnostiziert ist, sind Betroffene nicht zwangsläufig vom Geschäftsverkehr ausgeschlossen– eine Zeit lang können sie voll geschäftsfähig sein. Die Grenze ist nicht leicht zu ziehen. Im Streitfall kann das nur ein Gericht.
Im Bürgerlichen Gesetzbuch (Paragraf 104) ist festgeschrieben: Geschäftsunfähig ist, wer nicht nur vorübergehend von einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit betroffen ist, die eine freie Willensbildung ausschließt. Für die Feststellung, ob das der Fall ist, bedarf es einer fachärztlichen Begutachtung durch einen Neurologen oder Psychiater– beim Hausarzt geht das nicht. Das Bild, das der Facharzt zeichnet, kann sehr differenziert sein.
Die folgenden Ratschläge helfen beim Umgang mit Betroffenen bis zur ärztlichen Feststellung der Erkrankung;
Taktgefühl zeigen: Die fachärztliche Prüfung ist aufwendig und kann Betroffene seelisch stark belasten. Niemand unterzieht sich freiwillig diesem Prozedere – es sei denn vielleicht, er will sich Geschäftsfähigkeit bescheinigen lassen, um etwa einen gesetzlichen Betreuer loszuwerden. Als Vertrauensperson sollten Sie dem Betroffenen die Untersuchung nach Möglichkeit ersparen.
Auch im mittleren Stadium der Demenz können Betroffene durchaus imstande sein, für einfache Geschäfte wie den Kauf einer Waschmaschine eine rechtlich verbindliche Willenserklärung abzugeben; nicht dagegen für eine Versicherungspolice mit zig Klauseln. Allerdings gibt es nach herrschender Meinung in der Rechtsprechung (zum Beispiel OLG Saarbrücken Az.: 6 UF 130/18) keine relative Geschäftsunfähigkeit, die davon abhängt, wie komplex ein Rechtsgeschäft ist. Jemand kann nicht bei schwierigen Geschäften als geschäftsunfähig gelten, bei allen anderen, einfacheren, als geschäftsfähig. So oder so, wie ein Gericht auch entscheidet, es kann dem Lebensalltag Betroffener womöglich nur bedingt gerecht werden.
Lichte Momente: Der Gesundheitszustand kann schwanken, zahlreiche Demenzkranke im mittleren Stadium können phasenweise klarsehen. Bei strittigen Geschäften wird nicht selten mit solchen lichten Momenten argumentiert. Gerichte erkennen diese, anderes als noch vor einigen Jahren, bei fortgeschrittenen Demenzen nicht mehr an.
Geschäftsunfähig bedeutet, die Willenserklärung ist nichtig (BGB Paragraf 105). Davon ausgenommen sind nur Bagatellgeschäfte des täglichen Lebens. Brötchen, Lebensmittel, Hygieneartikel – solche Dinge dürfen Betroffene kaufen. Andere Geschäfte sind von vornherein ungültig, auch dann, wenn der Verkäufer, Händler oder Bankmitarbeiter nicht erkennen konnte, dass der Kunde dement ist. Das Geld muss zurückgezahlt werden. Wird vor Gericht über die Gültigkeit eines Vertrags gestritten, liegt die Beweislast aufseiten des Demenzkranken, also bei Angehörigen beziehungsweise dem Betreuer.
Attest über Demenz: Viele Firmen machen einen Kauf oder eine Bestellung ohne weiteres rückgängig, wenn sie informiert werden, dass der Kunde an Demenz leidet. Und es genügt, wenn Sie als Angehöriger ein Attest vorlegen, das die Erkrankung bestätigt. Andernfalls benötigen Sie ein fachärztliches Attest über die Geschäftsunfähigkeit.
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Mit einer Vollmacht auf der sicheren Seite?
Zeigen sich Anzeichen einer Demenz, wird es höchste Zeit für Betroffene, in rechtlicher Hinsicht vorzusorgen. Das geht mit einer Vorsorgevollmacht. So lässt sich vermeiden, dass später ein Betreuer vom Gericht bestimmt wird. Rechtsgültige Vollmachten erteilen kann nur, wer voll geschäftsfähig ist.
Vorsorgevollmachten schließen "Aufgabenkreise" wie Gesundheitssorge, Wohnungs- und Aufenthaltsangelegenheiten ein. Welche das im Einzelnen sind, bleibt dem Vollmachtgeber überlassen. Damit Geld- und Bankgeschäfte möglich sind, muss die Vorsorgevollmacht den Aufgabenkreis Vermögenssorge enthalten. Betroffene können innerhalb dieses Aufgabenkreises vorgeben, was ihre Vertrauensperson regeln darf – und was nicht; ob sie zum Beispiel nur Rechnungen begleichen und über Konten verfügen darf oder auch Vermögen veräußern, beispielsweise Immobilien. Es können alle finanziellen Angelegenheiten sein.
Niemand verbietet sich mit der Unterschrift unter die Vollmacht selber Geld- und Bankschäfte. Solange man geschäftsfähig ist, kann man sich weiter darum kümmern. Ab wann eine Vollmacht gilt, lässt sich schriftlich festlegen. Meistens sind sie ab Unterschrift gültig.
Vorsorgebevollmächtigte sind an die Wünsche des Vollmachtgebers gebunden. Ein Angehöriger, der das Vertrauen verdient, wird das Dokument erst einsetzen, wenn es notwendig ist.
Immobiliengeschäfte
Wenn sich die Vorsorgevollmacht auf Immobiliengeschäfte – wie den Verkauf eines Eigenheims oder die Belastung mit einer Grundschuld – erstrecken soll, müssen Sie sie von einem Notar beurkunden lassen. Das gilt auch, wenn der Vollmachtgeber eine Firma hat und Befugnisse eingeräumt werden sollen, dafür zu handeln. Ansonsten ist keine notarielle Beurkundung erforderlich.
Trotz schriftlicher Willenserklärung muss man damit rechnen, dass bei der Bank erst einmal nichts geht. "Viele Geldhäuser erkennen eine bereits erteilte Vorsorgevollmacht, die Bankgeschäfte mit einschließt, nicht an. Sie bestehen darauf, dass eine Vollmacht bei ihnen im Haus ausgestellt wird", sagt Susanna Saxl von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Rechtlich gesehen müssten Banken Vorsorgevollmachten eigentlich akzeptieren, betont sie.
Den Banken gehe es darum, Kunden zu schützen – zum Beispiel im Falle von Unstimmigkeiten in Familien in Vermögensfragen, erklärt Sylvie Ernoult, Pressesprecherin vom Bundesverband deutscher Banken. Die Vollmacht, auf die Banken Wert legen, berechtigt zu bestimmten Geschäften. Diese sind explizit aufgeführt. Die Vertrauensperson kann unter anderem Geld vom Konto überweisen oder abheben und auch etwaige, dem Kontoinhaber bereits eingeräumte, Kredite in Anspruch nehmen. Auch darf sie beispielsweise Aktien oder Fonds für ihn kaufen oder verkaufen. Was nicht geht: "Es können keine bestehende Kreditverträge abgeändert oder neue für den Vollmachtgeber abgeschlossen werden", sagt Ernoult.
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Debitkarte
Mit der Vollmacht kann sich die Vertrauensperson eine eigene Debitkarte für das Konto ausstellen lassen. Der Vollmachtgeber behält seine weiterhin – auch wichtig für das Selbstwertgefühl.
Vorsorgevollmacht absichern
Ist zu befürchten, dass andere Angehörige die Vorsorgevollmacht in Zweifel ziehen, sollten Sie diese per fachärztlichem Attest absichern. Lassen Sie sich bescheinigen, dass zum Zeitpunkt der Unterschrift Geschäftsfähigkeit gegeben war.
Wann kommt ein Einwilligungsvorbehalt in Frage?
Handelt ein demenzkranker, geschäftsfähiger Mensch gegen jede Vernunft, bleibt unter Umständen doch nur der Weg zum Betreuungsgericht – früher Vormundschaftsgericht. Das Gericht kann zusätzlich zur Betreuung einen Einwilligungsvorbehalt anordnen. Geschäfte hängen dann von der Zustimmung des Betreuers ab. Geschäfte, die der Betroffene auf eigene Faust abschließt, sind schwebend unwirksam, wie Juristen sagen. Willigt der Betreuer im Nachhinein nicht ein, sind sie endgültig unwirksam.
Voraussetzung für einen Einwilligungsvorbehalt ist, dass er "zur Abwendung einererheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist" (BGB Paragraf 1903). Die Regelung kann beispielsweise greifen, wenn der Betroffene sonst hohe Geldbeträge an Fremde verschenkt, Geld für Dinge verprasst, die er gar nicht gebrauchen kann, oder dubiose Wertpapiere kauft. Oder wenn er seine Gesundheit gefährdet. Auch Bagatellgeschäfte des täglichen Lebens können – zum Beispiel bei Alkoholsüchtigen – unter Einwilligungsvorbehalt stehen.
Der Vorbehalt schützt Demenzkranke nur, wo es notwendig ist. Er kann auf definierte Geschäfte beschränkt werden. Selbst eine Beschränkung auf einen Vermögensgegenstand ist möglich. Das Gericht kann auch einen Geldbetrag festlegen, ab dem erst Geschäfte an die Einwilligung des Betreuers geknüpft sind.
Das alles geht nicht gegen den Willen eines Geschäftsfähigen. Lehnt er ab, läuft es im Antragsverfahren auf ein fachärztliches Gutachten hinaus, mit dem geklärt wird, ob der Betroffene seinen Willen frei bestimmen kann – unabhängig davon, ob er geschäftsfähig ist. Ist er dazu in der Lage, setzt das Betreuungsgericht seine Einverständniserklärung voraus.
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